Urlaub im Wohnmobil

Camping mit Kindern: 4 Insider-Tipps einer Profi-Camperin

Kinder lieben es sowieso, und auch immer mehr Eltern finden gefallen am Camping-Leben. Eine Profi-Camperin verrät, was es beim Urlaub auf vier Rädern zu beachten gilt. 

Familie schaut aus Wohnmobil-Fenster© iStock/AleksandarNakic
Camping-Urlaub ist eine Erinnerung fürs ganze Leben.

Stechmücken, Gemeinschaftsduschen und nervige Nachbarn – wenn’s um Camping ging, dachte Sandra Schulz lange nicht an Traumurlaube und grenzenlose Freiheit, sondern eher: "Bloß nicht!"

Wie es das Schicksal nunmal wollte, verliebte sie sich ausgerechnet in einen eingefleischten Camping-Fan. Sie heiraten, wurden Eltern, und inzwischen ist Sandra – siehe da – vom Leben im Wohnmobil derart begeistert, dass sie sogar ein Buch darüber geschrieben hat ("Monstertouren: Wie ich herausfand, dass Familiencamping fröhlich macht, auch wenn es nicht immer lustig ist").

"Campingurlaube bieten beides: Geborgenheit und Abenteuer, Vertrautheit und eine große Offenheit. Es ist gemütlich in der Enge des Wohnwagens oder Wohnmobils, wo alles so ist, wie man es kennt. Und kaum verlässt man seine kleine Raumkapsel, fällt man mit der Tür in den Tag, steht im Wind, in der Sonne oder im Schnee", erklärt die Journalistin und Buchautorin. 

Dass Sandra Schulz mit ihrer Familie einmal so ein freies und unbeschwertes Camper-Leben führen würde, ist alles andere als selbstverständlich. Denn ihre neunjährige Tochter mit Downsyndrom kam mit nur 745 Gramm zur Welt, dazu mit einem schweren Herzfehler und anderen gesundheitlichen Problemen. Die ersten Monate ihres Lebens verbrachte sie im Krankenhaus, musste vier Operationen hinter sich bringen.

Kinderfreundlichkeit wird auf dem Camping-Platz großgeschrieben

Ihre Sommertour in die Bretagne bleibt für sie deshalb ein unvergessliches Erlebnis. "Wir standen auf einem Stellplatz hinter einem Hügel und wussten: Auf der anderen Seite muss das Meer sein! Es war das erste Mal, dass wir uns weiter weg von der deutschen Grenze getraut hatten, denn die Angst aus der viermonatigen Krankenhauszeit mit unserer Tochter steckte uns noch in den Knochen", erinnert sie sich. 

Bis heute sind die Sorgen um die Gesundheit ihrer Tochter ein ständiger Begleiter: "Im Hinterkopf war und ist bei unseren Touren immer die Frage: Wo kann man notfalls eine Kopf-OP machen, wenn es Komplikationen mit dem Implantat gibt, das unsere Mini-Camperin im Kopf hat?"

Doch wenn sie mit ihrem Wohnmobil, das Sandra Schulz liebevoll "Monster" nennt, unterwegs sind, treten die Ängste in den Hintergrund. Was sie an dieser Art dieses Reisens besonders schätzt: "Wie herzlich die meisten Menschen unserer kleinen Mini-Camperin mit Downsyndrom begegnen und welch schöne Begegnungen daraus entstehen. Wir gehen einmal zusammen zum Müll und kennen danach den ganzen Campingplatz – und alle kennen uns. Denn unsere Tochter fragt jeden, den sie trifft: 'Heißt du?' Eine typische Szene, die wir erlebt haben: Ich rufe ihr zu: 'Komm, wir können nicht den ganzen Campingplatz umarmen!' Ein anderer Camper lachend: 'Sie schon!'"

Dass Sandra Schulz sich von der Anti-Camperin zum Camping-Fan entwickelt hat, liegt auch daran, dass das Outdoor-Leben ihrer Tochter so gut tut. "Unsere Tochter hat viel Zeit in ihrer Kindheit im Wohnmobil verbracht, sie hat dort mehrere Milchzähne verloren, hat gelernt, wie man vorwärts und rückwärts die Leiter ins Heckbett hoch- und runterklettert und wie man diese speziellen Druckknöpfe bedient, die ihr Spielzeugfach verschließen", erzählt sie. Auf einem Campingplatz an der Nordsee habe sie sich zum ersten Mal getraut, allein mit dem Laufrad loszudüsen – weil sie mit einem anderen Camper-Mädchen ein Wettrennen gefahren ist. "Überhaupt fanden viele Premieren auf unseren Wohnmobil-Touren statt: das erste Mal Hüpfkissen auf unserer Dänemark-Tour, das erste Mal den Skihügel hinunterrutschen beim Wintercamping, das erste Mal allein auf dem Board paddeln im See."

Gelebte Inklusion auf dem Camping-Platz

Warum Campingurlaube für ihre Tochter mit Downsyndrom etwas Besonderes sind: "Je älter die Kinder mit Behinderung werden, desto schwieriger ist es, ein inklusives Leben hinzukriegen. Auf Campingplätzen aber laufen die Wege wieder zusammen, die sonst oft in getrennte Welten führen. Und wie jedes Kind braucht unsere Tochter Vorbilder, bei denen sie sich etwas abschauen kann. Wie jedes Kind liebt sie es, Teil einer kleinen, quirligen Gemeinschaft zu sein. Und wie jedes Kind soll sie lernen, wie unsere Welt funktioniert. Und das kann sie gut im Campingurlaub, in dem man mit vielen anderen Menschen zusammenlebt und lernt, welche Regeln es gibt. Wie man auf andere Menschen zugeht. Und wie man zusammen Spaß haben kann."

Was Kinder beim Camping lernen

Viel Zeit an der frischen Luft, spannende neue Orte und neue Menschen: Camping ist für Kinder ein einziges großes Abenteuer – und sie lernen ganz nebenbei jede Menge Neues. Sandra Schulz erklärt, warum Camping der Entwicklung aller Kinder guttut. 

1. Wie schön es ist, in der Natur zu spielen

"Wenn wir im Sommer in den Bergen unterwegs sind, suchen wir uns gern einen kleinen Gebirgsfluss, ziehen die Schuhe aus und machen eine kleine Flusswanderung. Oder die Mini-Camperin sitzt auf einem warmen Stein, mit Handtuch unterm Po, spielt Kochen mit einem Löffel, den ihr der Papa aus Treibholz geschnitzt hat, und matscht und panscht in einem kleinen selbst gebauten Wasserbecken herum."

2. Wie sie neue Herausforderungen meistern

"Camper-Kinder lernen auch, sich immer wieder auf neue Situationen einzulassen und offen zu bleiben für das, was der Tag an Unbekannten bringt: neuer Stellplatz, neue Nachbarn, neue Kinder, neue Wege."

3. Wie sie selbstständig mithelfen können

"Kinder lernen beim Camping, was man alles machen muss, damit das tägliche Leben funktioniert: Essen einkaufen, kochen, spülen, Frischwasser in den Tank füllen. Manches dieser alltäglichen ‚Arbeit‘ wird erst jetzt richtig sichtbar, denn zu Hause werden diese Dinge von der Spülmaschine erledigt oder von herumwirbelnden Eltern. Im Camping-Urlaub müssen sich alle darum kümmern, dass 'der Laden läuft' bzw. das Womo rollt."

4. Wie es sich anfühlt, frei zu sein

"Auf Campingplätzen kann man schon im Schlafanzug die ersten Bälle kicken. Und abends eine Nachtwanderung zu den Duschen machen. Alles ist offen und öffentlich, keine Haustüren, keine Klingeln, keine Mauern. Man sieht, wie die anderen Kinder draußen frühstücken, spielen, Quatsch machen. Und oft ergibt es sich, spontan und zufällig, dass man selbst mitspielt und Quatsch macht."

5. Wie man auf fremde Leute zugeht

"Wenn man ein paar Tage so gemeinsam und öffentlich gelebt hat, entsteht tatsächlich eine kleine Gemeinschaft unter den Campingnachbarn. Immer draußen sein, bei fremden Campern ein Glas Apfelsaft trinken und nach einem langen Tag am Strand oder am Badesee in die eigene Höhle kriechen – für unsere Tochter ist das genau das Richtige!"

Die 4 wichtigsten Tipps fürs Camping mit Kindern

Bevor es auf große Fahrt geht, gilt es einiges vorzubereiten. Vor allem mit Kindern sollten Eltern gut planen, damit der Urlaub auch wirklich entspannt wird. Sandra Schulz verrät ihre wichtigsten Camping-Insidertipps: 

  1. Gute Vorbereitung: "Wir haben seit Jahren eine Packliste im Computer, die wir immer wieder neu ausdrucken und dann abstreichen. Hilft enorm, weil man ja 'ein kleines Haus' bezieht. Das Gute ist: Wenn man einmal gepackt hat, ist's vorbei, denn dann hat man sein Haus huckepack dabei. Wofür man sich Zeit nehmen sollte, wenn man mit dem Wohnmobil losfährt: Frischwassertank und -Leitungen regelmäßig reinigen und möglichst keimfrei halten."
  2. Rituale beibehalten: "Wir versuchen, die Rituale zu Hause auch in unserem fahrenden Zuhause fortzuführen." Was deswegen nicht fehlen darf: Die Lieblingsstofftiere und die Toniebox.
  3. Richtige Kleidung: "Muss sein: Matschhose, feste 'Wanderschuhe', um durch den Wald zu laufen (plus Zeckenspray), Hosen mit lockerem Bündchen für lange Autofahrten, Mütze. Gut, dabei zu haben: ein Kühlpad bei kleinen Beulen oder Wespenstichen. Schön, dabei zu haben: ein Kinder-Neoprenanzug (kurzärmelig und kurzbeinig). Damit hat unsere Mini-Camperin, ein ehemaliges Frühchen und deswegen lange schmal und zart, schon als sehr kleines Mädchen im eiskalten Atlanik gespielt und sich auf dem Wellenbrett durch den Ozean ziehen lassen. Auch gut für kalte Bergseen!"
  4. Plan B für Regentage: "Wir versuchen, auch bei schlechtem Wetter einmal am Tag zur 'Expedition' aufzubrechen. Sich bei Sturm an den Strand zu kämpfen und dann ins warme, gemütliche Womo zurückzukehren, wunderbar! Nicht so wunderbar: zwei Tage Dauerregen! Dann versuchen wir, möglichst laaaaange zu frühstücken, Eierpfannkuchen mit Speck, Champignons und Käse zum Frühstück. Was wir machen: lustige Fotos voneinander auf dem Handy. Und ehrlicherweise darf unsere Tochter an solch langweiligen Tagen auch Kinder-Videos schauen. Anfangs hatten wir keinen Fernseher im Wohnmobil, weil wir romantische Vorstellungen davon hatten, dass ein Campingurlaub medienfrei sein sollte. Heute sind wir pragmatisch und nicht romantisch und finden: Auch wir Eltern brauchen mal Urlaub!"
  5. Nicht zu lange am Stück fahren: Ein häufiger Anhängerfehler: "Zu viel 'Strecke' zu machen. Lieber mal abfahren und im Grünen ein kleines Picknick einlegen. Oder sich kleine Highlights auf dem Weg zum Reiseziel überlegen, damit die Laune gut bleibt: ins Freibad oder aufs Karussell. Und immer etwas Leckeres als Reiseproviant dabei haben: Ein Wurstbrot oder ein Croissant trösten über manchen Stau hinweg."

Unsere Expertin: Sandra Schulz

Sandra Schulz© Katrin Probst

Die Journalistin und Autorin schildert in ihrem neuen Buch "Monstertouren: Wie ich herausfand, dass Familiencamping fröhlich macht, auch wenn es nicht immer lustig ist" mit viel Humor und einer Prise Selbstironie die Höhen und Tiefen des Camping-Lebens.