
Oftmals wird in Kitas und Grundschulen darum gebeten, den Kindern ein "gesundes Frühstück" in der Brotdose mitzugeben. Immer wieder sind Süßigkeiten und Co auch Thema auf Elternabenden. Einige Eltern können nicht verstehen, was an einer Zimtschnecke ungesund sein soll, andere geben standardmäßig ein Nutella-Brötchen mit, wieder andere ärgern sich, weil ihr eigenes Kind mit der gesunden Brotdose die anderen Kinder beneidet.
Manchmal sind Chips die einzige Lösung
Und dann gibt es noch die Eltern, die "schon alles versucht" haben, doch in mitunter leidvoller Erfahrung erlebt haben, dass ihr Kind bestimmtes Essen komplett verweigert, oder ihm sogar übel wird beim Geruch, Anblick oder Verzehr bestimmter Speisen.
Ist dies ein anhaltender Zustand, bleibt diesen Eltern oft nichts anderes übrig, als ihren Kindern Chips oder andere "ungesunde" Lebensmittel in der Brotdose mitzugeben, damit sie überhaupt irgendetwas essen.
Die Fixierung auf bestimmte Lebensmittel kann bei jedem Menschen vorkommen, wird jedoch häufiger bei Hochsensibilität oder neurodivergenten Menschen mit ADHS oder aus dem Autismusspektrum beobachtet. Dabei ist die Fixierung auf bestimmtes Essen kein Anhaltspunkt für ADHS oder Autismus (das kann von Fachmenschen abgeklärt weden).
Einigen Menschen gibt es Sicherheit, jeden Tag, zum Teil sogar mehrmals, dasselbe zu essen. Sie wissen, dass es funktioniert, es ihnen schmeckt und nichts "passiert". Deshalb lautet ein häufig verwendeter englischer Begriff dafür "safe food".
Gründe, warum bestimmtes Essen bevorzugt wird
Das ausschließliche Essen bestimmter Lebensmittel kann unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel:
- Der Drang nach sofortiger Befriedigung (Dopamin-Ausschüttung)
- Die Unfähigkeit, sich zu entscheiden/Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung
- Ungeduld
- Sogenannte "Picky Eater"
- Manche Menschen fühlen sich unter- oder überstimuliert durch die Konsistenz oder den Geschmack bestimmter Lebensmittel.
Eine andere Wahrnehmung der Umwelt
Neurodivergente Menschen nehmen Dinge wie ihr Umfeld, aber auch Lebensmittel anders wahr als neurotypische Menschen. Dabei ist keins von beiden schlechter oder besser, sondern einfach nur anders. Das Gehirn verarbeitet Informationen anders, was ebenfalls zu anderen Verhaltensweisen führen kann. Einige neurodivergente Menschen brauchen daher ihr Safe Food, bei dem sie wissen, dass sie damit gut zurechtkommen.
Oft fühlt sich die Welt überwältigend und unvorhersehbar an. Da kann es für Sicherheit sorgen, wenn man das Essen bekommt, das man kennt und von dem man weiß, dass man es mag. Es vermittelt eine gewisse Vorhersehbarkeit und bietet Trost. So kann Safe Food sogar für eine Verbesserung der Lebensqualität sorgen.
Safe Food ist keine Marotte, sondern Lebenshilfe
Für Menschen, bei denen bestimmte Lebensmittel für Unwohlsein sorgen, Ängste oder Aversion auslösen, ist Safe Food ein wichtiger Rettungsanker. Es steckt also mehr als eine Vorliebe dahinter.
Safe Food hilft ihnen dabei, eine gewisse Form von Kontrolle und Stabilität in ihrem Leben zu etablieren. Es kann also eine wichtige Bewältigungsstrategie sein, die dabei hilft, Emotionen zu regulieren und Stress zu reduzieren.
Diese Lebensmittel bevorzugen autistische Menschen
Vor allem im Fall von Menschen aus dem Autismusspektrum lassen sich in Bezug auf ihr Safe Food einige Gemeinsamkeiten finden, die bei vielen zutreffen. (Achtung: Auch hier gilt, dass nicht zwangsläufig eine Autismusform vorliegt, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte der Fall sind.)
- Einheitliche Konsistenz – entweder knusprig oder weich, aber nicht beides in Kombination
- Milder Geschmack. Starke oder vielseitige Gerichte können verunsichern und überfordern.
- Vertraute Marken oder Verpackungen. Das vertraute Aussehen kann schon tröstend wirken.
- Getrenntes Essen. Viele Menschen bevorzugen es, wenn sich die unterschiedlichen Bestandteile eines Essens auf dem Teller nicht berühren (zum Beispiel soll die Soße dann separat vom Kartoffelbrei liegen).
Diese Aspekte gilt es zu beachten, bevor man möglicherweise vorschnell über andere Familien urteilt, weil ihr Kind "mal wieder" nur Weißbrot und Chips in der Brotdose hatte.
Auch für ErzieherInnen und LehrerInnen ist es wichtig zu wissen, wenn euer Kind Safe Food braucht. Ein offenes Gespräch kann hier für viel Verständnis sorgen.
Quellen: inflow, neurolaunch, mayafellernutrition
