Chaos im Kinderzimmer ist für viele Eltern ein gewohnter Anblick.© Foto: Getty Images/Vesnaandjic
Chaos im Kinderzimmer ist für viele Eltern ein gewohnter Anblick.

Der Nachmittag war nett und friedlich. Meine Kinder hatten kleine Gäste. Ich wurde weitgehend in Ruhe gelassen. Erst am Abend fand ich eine Erklärung für den trügerischen Frieden. Im Kinderzimmer flog so ziemlich alles herum, was herumfliegen kann, auch Sachen, die eigentlich gar nicht fliegen können. Legosteine, Puzzlestücke, Eisenbahnschienen, Gummibälle, zerkrümelte Salzstangen und verklebte Saftgläser. Verziert war das Chaos mit Klamotten, Stiften, Klopapierfetzen, ausgeschüttetem Tuschwasser, unvollendeten Kunstwerken, dem Inventar eines umgekippten Puppenhauses und den Innereien eines beinamputierten Teddys.

Wenn das Kinderzimmer im Chaos versinkt

Mich packte die Wut: "Geht's euch eigentlich zu gut?" Anna und Jonathan lagen vorm Fernseher und blieben entspannt: "Das waren wir nicht." Aha, und wer war es dann? "Mats hat das Wasser umgekippt", erläuterte der Sohn. "Und Serena ist auf das Puppenhaus gefallen", ergänzte die Tochter. Das beruhigte mich keineswegs. Schnaubend machte ich den Fernseher aus. "Schluss jetzt, ihr räumt das Zimmer auf." Die Entspannung wich aus den kleinen Gesichtern. "Wir machen das später, jetzt wollen wir doch ..." – "Nein!" Meine Kinder wissen, wann es ernst wird, und trollten sich sicherheitshalber zum Tatort.

Zwecks Nervenschonung zog ich mich zurück und wartete auf die ersten Wasserstandsmeldungen. Doch es kamen nur Ablenkungsmanöver ("Ich habe das ganze Puzzle in den Kasten getan, und Jona hat nichts gemacht."). Letzte Lösung: "Die Tür bleibt zu – bis Ordnung herrscht." Ich fand mich recht gut. Ohne Brüllen war ich am Ziel. Hatte die Kinder die Folgen ihres Handelns spüren lassen und sie zu besserem Verhalten angeregt.

Das traurige Ende eines fröhlichen Nachmittags

Doch so richtig konnte ich mich nicht freuen, bevor ich nicht das Ergebnis gesehen hatte. Ich linste durchs Schlüsselloch – und erblickte zwei schluchzende Gestalten. Sollte das das traurige Ende eines fröhlichen Spielnachmittags sein? Ich konnte nicht anders und ging rein. Wir versöhnten uns (wie schön!) und machten uns dann gemeinsam ans Werk. In wenigen Minuten war Land in Sicht. Vor Freude darüber machten die Kinder sogar eifrig mit.

Schade, dachte ich, dass der ewige Kampf ums Aufräumen den Familienfrieden immer wieder so empfindlich stört. Um das Chaos in Grenzen zu halten, müsste ich die Kinder ständig überwachen  – bis sie sich kaum noch trauen würden, eine Spielzeugkiste aus dem Regal zu ziehen. Wie können wir das ändern? Erziehungs-Experten raten zu einer Mischung aus Toleranz und Konsequenz. 

Kinderzimmer-Chaos beseitigen: zu viel Strenge? Dann sind die Kinder nicht mehr kreativ

Erwachsene sollten dabei berücksichtigen, was sie Kindern in welchem Alter zumuten können. Bei Schulkindern sind die Ansprüche deutlich höher als im Kindergartenalter. Schüler lernen besser, wenn sie ihr Chaos im Kinderzimmer zumindest überschaubar halten können. Kleinere Mädchen und Jungen sind mit Generalkommandos wie "Räum dein Zimmer auf!" aber schlichtweg überfordert. Es reicht, wenn Vorschulkinder ihren guten Willen zeigen und einzelne Anweisungen wie zum Beispiel "Bring diesen Ball bitte in die Ballkiste" befolgen. Nimmt das Thema Aufräumen überhand, vergeht den Kids schnell die Lust am Spielen. Wird jedes Herausholen von Spielsachen mit strengen Ermahnungen kommentiert ("Das räumst du aber auch wieder weg!"), können Kinder kaum noch kreativ werden.

Statt mit Strafen zu drohen, sollten Erwachsene lieber Belohnungen in Aussicht stellen ("Wenn alles schön aussieht, freuen wir uns gemeinsam"). Kinder brauchen viel Zeit, um ihren eigenen Ordnungssinn zu entwickeln. Dafür müssen sie erst einmal eigene Erfahrungen machen – zum Beispiel die, dass man etwas nicht wiederfindet, wenn nichts an seinem Platz ist. Oder dass es mehr Spaß macht, etwas Neues anzufangen, wenn das Zimmer einigermaßen ordentlich ist. Und dass Aufräumen zu sichtbaren Erfolgserlebnissen führt, die glücklich und zufrieden machen.

9 Tipps gegen das Chaos im Kinderzimmer

  1. Kinderzimmer dürfen nicht überfüllt sein. Zu viel Spielzeug macht das Ordnung-Halten unnötig schwer. zudem sollten Kuschelteddy und Co. einen festen Platz im Kinderzimmer haben.
  2. Spaßfaktor erhöhen: Beim Aufräumen läuft peppige, schwungvolle Musik oder die Kinder singen spezielle Aufräumlieder (das wird häufig in der Kita so gemacht).
  3. Eine Superhöhle gebaut? Ein Riesenturm ist gelungen? Tolle Spielergebnisse dürfen auch mal ein paar Tage stehen bleiben.
  4. Nicht jeden Abend muss alles in Ordnung sein. Zwischendurch reichen kleine Lösungen. Basisregel: Durchgangswege bleiben frei. Ggf. helfen auch Aufräum-Rituale, indem man bspw. festlegt, dass immer vorm Abendessen aufgeräumt wird.
  5. Einmal in der Woche ist Großputztag, bei dem alle – ihrem Alter und ihren Fähigkeiten entsprechend – mitmachen. Gerne kommunizieren, dass GEMEINSAM aufgeräumt wird.
  6. Für die Kinder gut erreichbare Plätze erleichtern das Ordnung-Halten. Schubladen, Regale und Kisten werden mit Symbolen versehen.
  7. Aufräumen darf keine Strafe für schlechtes Benehmen sein, sondern sollte als Selbstverständlichkeit für alle aufgefasst werden.
  8. Die Erwachsenen achten auf gute Stimmung und fröhliche Atmosphäre. Ordnung-Schaffen sollte nicht mit negativen Gefühlen verbunden sein.
  9. Auch wenn nicht alles perfekt ist, werden Kinder gelobt, wenn sie freiwillig aufräumen.

Autorin: Stephanie Albert

Und hier noch ein paar Kinderzimmer-Aufräum-Tipps von der Wohnexpertin Constanze Köpp

"Bevor man neu einrichtet, ist es natürlich am besten, das Kinderzimmer einmal ganz zu leeren. Einmal von Grund auf auszumisten", sagt Constanze Köpp. Ausmisten und Platz machen für neue Spielsachen – das kann Kindern auch Spaß machen! Dabei soll das Kind am besten alles einmal in die Hand nehmen, rät sie. Buch für Buch, CD für CD. Ein "Hm, ich weiß nicht" reicht nicht. Das wird aussortiert. Nur ein "Das will ich auf jeden Fall behalten!" kommt zurück in das Regal. Den Rest darf das Kind auf dem Flohmarkt verkaufen und hat Geld für etwas tolles Neues. Oder aber es spendet die Sachen an Kinder, die weniger haben. Auch das kann eine tolle Erfahrung sein.

"Ist alles leer, kann man neu einrichten und gestalten. Mit den Möbeln, die vorher auch da waren. Nur anders. Man kann die Kindermöbel komplett umstellen!" So können Kleiderschränke oder Kommoden auf einmal zu Barrikaden werden, die den Spielbereich, den Schlafbereich und den Arbeitsbereich voneinander trennen. Constanze Köpp sprudelt vor Wohnideen fürs Kinderzimmer. Neue Möbel müssen dabei gar nicht sein. Auch mit den alten kann man ganz neue Räume schaffen.

Damit das Kind auch die Chance hat, alles wegzuräumen, braucht alles seinen Platz. Ein Must-have der Kinderzimmermöbel ist also ein Regal mit vielen Fächern, um den ganzen Kleinkram zu verstauen. Multifunktionale Kisten und Körbe zur Aufbewahrung von Lego, Bauklötzen und Ankleidepuppen erleichtern ebenfalls das Ordnunghalten im Kinderzimmer. Die Deko im Raum ergibt sich dabei von ganz allein: In Wechselrahmen können die Eltern die neusten Kunstwerke des Kindes aufhängen und ganz leicht austauschen, falls das Basteln und Malen mal in einer Massenproduktion ausartet. Hier können auch selbst errungene Urkunden ihren Platz finden und das Selbstbewusstsein der Kinder stärken. "Meist haben die Kinder selbst die tollsten Ideen für ihr eigenes Zimmer", sagt Constanze Köpp. "Also lasst sie einfach mal machen."

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