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Das Nachdenken über globale Krisen wie Klima, Krieg, Terror und Finanzen hat inzwischen auch in Kinderzimmer Einzug gehalten. Diese Themen sind gefühlt dauerpräsent und beschäftigen schon Grundschulkinder. Das liegt auch – aber nicht nur – an der Medienflut und den sich ausweitenden sozialen Netzwerken. Wir haben mit der Familientherapeutin Elisabeth Raffauf über ihr neues Buch gesprochen, mit dem sie Eltern Mut machen will, ihren Kindern weiterhin Hoffnung zu vermitteln.
Komplexe Ängste bringen neue Herausforderungen mit sich
"Wenn die Welt komplizierter wird, versucht man umso mehr, alles im Griff und unter Kontrolle zu haben", betont Elisabeth Raffauf, die in Köln eine eigene Praxis betreibt und für ihr Buch ("Angst. Aufwachsen in unsicheren Zeiten und wie wir unseren Kindern helfen, mutig in die Welt zu gehen") viele Eltern und Kinder interviewt hat. Daraus könne leicht ein hoher Perfektionismusanspruch erwachsen, der sowohl Kindern als auch Eltern unter Druck setzt. Dazu gehört auch, dass man mit jeder Situation, sei sie noch so komplex, perfekt umgehen will – was gar nicht möglich ist. Versucht man, schlimme Themen nicht an seine Kinder herankommen zu lassen, kann das genauso nach hinten losgehen wie das übermäßige darüber Reden.
Es gibt zahlreiche Studien zum Thema Angst bei Kindern und viele zeigen, dass Sorgen und Belastungen unter Kindern zugenommen haben (so auch das "Deutsche Schulbarometer 2024" der Robert Bosch Stiftung). Zum Teil sind das noch immer die Nachwirkungen der Corona-Krise, in der sich viele junge Menschen isoliert und in ihre virtuelle Welt zurückgezogen haben, was wiederum in vielen Fällen durch "die Illusion von Kontakt", wie Elisabeth Raffauf es nennt, zu Einsamkeit geführt hat. Doch auch Themen wie Ausgrenzung in der Schule, Krieg, Fremdenhass, Angst vor Abschiebung, Klimaveränderungen führen vielfach zu Ängsten.
Wie Eltern den Ängsten ihrer Kinder begegnen
Die Familientherapeutin rät Eltern:
Keine Angst vor der Angst der Kinder haben.
Doch wie soll das gehen, hat man doch selbst auf viele Fragen keine Antwort, fühlt sich verunsichert, vielleicht sogar entmutigt. Die Psychologin empfiehlt Eltern in diesem Fall als Erstes bei sich selbst genauer hinzuschauen. Man könne sich zum Beispiel selbst fragen: "Wie stark sind meine eigenen Ängste?", "Wie gehe ich mit meiner Angst um?" Und ganz wichtig: Die eigenen Ängste nicht bei den Kindern abladen, sondern unbedingt mit Freunden oder anderen Erwachsenen darüber sprechen. Auch Beratungsstellen können hilfreich sein.
Haben Eltern aufgrund ihrer Biografie echte Schwierigkeiten, selbst über Gefühle zu sprechen, sei viel gewonnen, wenn sie dies in angemessener Weise ihren Kindern kommunizieren. Etwa: "Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, aber das heißt nicht, dass man es nicht tun sollte, sondern hat mit meinen Erfahrungen zu tun."
Unbedingt über Ängste sprechen
Es helfe, die eigenen, aber auch die Ängste der Kinder, einem Realitätscheck zu unterziehen. "Tatsächlich sind viele der heutigen Ängste ja real und nicht eingebildet", sagt die Psychologin. "Die Klimakatastrophe zum Beispiel ist eine reale Gefahr. Aber auch den Krieg 'um die Ecke' und Terroranschläge bekommen Kinder mit, und das beschäftigt sie." Mit Kindern über Ängste zu sprechen, braucht viel Fingerspitzengefühl. Gerade bei kleineren Kindern sollte man nicht zu sehr ins Detail gehen und keine Vorträge halten. Oft geben sie sich schon mit einfachen und kurzen Antworten zufrieden, weiß Elisabeth Raffauf aus Erfahrung.
Insgesamt sei es aber wichtig, über Ängste und den Umgang damit zu sprechen und das auch zu thematisieren. Würden Eltern bestimmte Themen (z. B. Krieg) vermeiden, käme das den Kindern auch komisch vor. "Wie immer ist es wichtig, dass alle Gefühle da sein dürfen", so Raffauf. Eltern sollten vor allem für ihre Kinder da sein, ihnen zuhören und sie auch fragen, was sie beschäftigt, was ihnen Angst macht. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sei es wichtig, sich die Angst anzuschauen und sie nicht wegzudrücken. "Denn sonst kommt sie an anderer Stelle zum Vorschein, wo wir sie nicht einordnen können und sie uns überrollt", sagt Elisabeth Raffauf.
Kinderfragen ehrlich beantworten
Eltern können sich auch konkret mit ihren Kindern darüber austauschen, was man macht, wenn man Angst hat – mit Freunden/Eltern sprechen, sich weitere Informationen besorgen, schauen, was man gemeinsam tun kann, um aus der gefühlten Ohnmacht herauszukommen. Und vor allem: Gefühle da sein lassen, auch unangenehme!
Auch Trauer darf sein. Wer traurig ist, hat Trost verdient.
"Kindern gibt es vor allem Sicherheit, wenn sie merken, dass sie ihren Gefühlen vertrauen können", sagt die Therapeutin. Daher sollten Eltern die Gefühle ihrer Kinder ernst nehmen und sie nicht wegreden. Haben sie zum Beispiel Angst, dass die Eltern sich trennen könnten, weil sie häufig streiten, darf man sagen: "Ja, du hast recht, wir streiten viel. Und es ist auch oft nicht einfach. Aber wir kümmern uns darum."
Und wenn das Kind fragt: "Kommt der Krieg auch zu uns?" Eine beruhigende und kindgerechte Antwort könne sein, dass es ein Verteidigungsbündnis (NATO) gibt, in dem sich die Länder gegenseitig beschützen und andere sich nicht so leicht trauen, anzugreifen.
Den Druck rausnehmen
Insgesamt nimmt Elisabeth Raffauf bei Familien viel Druck wahr – bei Kindern, aber auch bei Eltern. Wenn einem alles zu viel wird, fühlt man sich häufig blockiert, gelähmt. Hier helfe es, sich zu fragen, wo man entschlacken kann, was man selber auch gemeinsam tun kann, um sich nicht ohnmächtig zu fühlen. Vielleicht gibt es in der Umgebung Geflüchtete, denen man von den eigenen Sachen etwas abgeben kann, weil sie es mehr brauchen als man selbst. In vielen Bereichen können schon Kinder spüren, dass man gemeinsam stark ist.
Im Hinblick auf die Schule, in der viele Kinder Druck empfinden, sollten Eltern gut auf ihre Wortwahl achten. Auch Aussagen wie "Das kannst du aber besser" können Druck ausüben. Stattdessen wäre es besser, den Kindern zu vermitteln, dass Fehler sein dürfen und völlig okay sind. Elisabeth Raffauf plädiert dafür, dass Eltern wirklich Verantwortung übernehmen, auch für ihre Kinder: Ein Grundschulkind brauche kein Smartphone. Es sollte auch nicht die Tagesschau gucken, sondern eher spezielle Kindernachrichtensendungen wie "Logo".
Gefühle begleiten
Natürlich könne und müsse auch die Gesellschaft etwas für einen guten Umgang mit Gefühlen und Angst tun, nicht nur die Eltern, findet Elisabeth Raffauf. Sie nennt zum Beispiel Finnland, wo es "Gefühle" als Schulfach gibt.
Wo Gefühle Raum haben, muss man andere nicht niedermachen.
Wenn Gefühle angemessen begleitet werden, stauen sie sich nicht auf und kommen an "falscher" Stelle raus. Dafür bräuchte es natürlich mehr Personal an Kitas und Schulen. Weiter rät die Familientherapeutin dazu, Kinder altersgemäß miteinzubeziehen. Partizipation sei im gesellschaftlichen und politischen Kontext ein wichtiger Baustein, um Ohnmacht vorzubeugen.
Unser Buch-Tipp
Ihr wollt tiefer ins Thema einsteigen? Dann ist das neue Buch von Familientherapeutin Elisabeth Raffauf mit Sicherheit das richtige für euch: