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Die Abschlussfahrt des Kindergartens, das Wochenende mit den Fußballfreunden, die Klassenfahrt: für Kinder, die ins Bett machen, oft ein Problem. Woher kommt das nächtliche Bettnässen – oder "Enuresis nocturna", wie es in der Fachsprache heißt? Wie können Eltern ihrem Kind helfen, nachts trocken zu werden? Antworten auf die wichtigsten Fragen von Kinderurologin Dr. Anne-Karoline Ebert.
Wann werden Kinder nachts spätestens trocken?
Das ist unterschiedlich. Manche schaffen es schon mit zweieinhalb Jahren, andere brauchen bis zum fünften Lebensjahr. Bei mehr als drei nassen Nächten pro Woche jenseits des fünften Lebensjahres spricht man von häufigem Bettnässen. Ab einem Alter von sechs Jahren gilt es als sinnvoll, über unterstützende Maßnahmen nachzudenken.
Wie viele Kinder machen nachts ins Bett?
Laut einer Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nässen 25 Prozent der Vierjährigen, 15 Prozent der Fünfjährigen, zehn Prozent der Siebenjährigen, fünf Prozent der Zehnjährigen und ein bis zwei Prozent der Jugendlichen nachts ein – Jungen doppelt so häufig wie Mädchen.
Wird "ins Bett machen" vererbt?
Ja, wenn ein Elternteil Bettnässer war, wird es das Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 43 Prozent auch. Waren Mutter und Vater betroffen, erhöht sich die Zahl auf bis zu 70 Prozent.
Was sind die Ursachen fürs nächtliche Bettnässen?
Zum einen die familiäre Veranlagung, zum anderen ein Mangel am Hormon ADH, eine zu kleine Blase, Schlafstörungen oder falsche Trinkgewohnheiten.
Was ist eine Reifeverzögerung?
Wenn im Gehirn noch nicht alle Mechanismen vollständig ausgebildet sind, spricht der Arzt von einer sogenannten Reifeverzögerung. Aufs Bettnässen bezogen ist der Teil, der dafür sorgt, dass man nachts aufwacht, wenn die Blase drückt, noch nicht ausreichend ausgebildet – das Kind schläft einfach weiter, während sich die Blase entleert. Bei manchen Kindern ist auch die körpereigene Bildung des antidiuretischen Hormons (ADH) noch nicht richtig entwickelt. Es bewirkt, dass die Urinproduktion in der Nacht herabgesetzt und die Blase nicht zu voll wird.
Wie stellt der Arzt fest, ob die Blase zu klein ist?
Manchmal hinkt die Blase in ihrer Entwicklung etwas hinterher. Der Arzt erkennt das oft schon, wenn Eltern eine Zeit lang Buch darüber führen, wie oft ihr Kind zur Toilette geht, wie viel Pipi es jedes Mal macht, wie oft es nachts einnässt, wie viel und wann es tagsüber trinkt. Ärzte nennen dieses Blasentagebuch "Miktionsprotokoll" (Miktion = Entleerung der Harnblase). Gegebenenfalls wird nach einer Zeit zusätzlich ein Ultraschall gemacht. Aber keine Sorge: Das Problem wächst sich in der Regel aus.
Was ist der Unterschied zwischen primärer und sekundärer Enuresis?
Bei der primären Enuresis ist das Kind seit seiner Geburt noch nie ohne Windeln durch die Nacht gekommen. Das trifft 75 bis 80 Prozent aller bettnässenden Jungen und Mädchen. Anders die sekundäre Enuresis, bei der das Kind schon mal mindestens ein halbes Jahr lang nachts trocken war und dann plötzlich wieder anfängt, ins Bett zu machen. Das hat häufig psychische Ursachen. Hat das Kind Kummer? Fühlt es sich – zum Beispiel nach der Geburt eines Geschwisterchens – zurückgesetzt? Haben sich die Eltern getrennt? Oder ist ein geliebtes Haustier gestorben? Wenn es gelingt, diese Probleme durch liebevolle Unterstützung zu beseitigen, bleibt das Bett nach einer Zeit wieder trocken.
Wie viel Flüssigkeit passt in eine Kinderblase?
Eine einfache Faustregel: Alter in Jahren mal 30 plus 30. Bei einem fünfjährigen Kind errechnet sich das Fassungsvermögen der Blase also so: 5 (Alter) x 30 = 150 + 30 = 180 ml.
Wie sollte die Trinkmenge verteilt werden?
Drei Viertel der Flüssigkeit, die das Kind tagsüber braucht, sollte es vor 17 Uhr trinken. Fest steht nämlich: Kinder, die tagsüber wenig oder erst nach 17 Uhr viel trinken, machen nachts häufiger ins Bett.
Welche Getränke sollte das Kind meiden?
Eiweißhaltige Getränke wie Milch und Limonaden-Mischgetränke kurbeln die Urinausscheidung an. Kinder sollten sie vor allem nach 17 Uhr nicht mehr trinken.
Wie erkenne ich, ob ein Harnwegsinfekt hinter dem Einnässen steckt?
Folgende Anzeichen deuten auf einen Harnwegsinfekt: Das Kind wird nachts öfter wach, weil die Blase drückt oder das Bett nass ist; es muss tagsüber öfter als acht Mal zur Toilette; es spürt ein Brennen beim Wasserlassen; der Urin riecht unangenehm.
Was steckt hinter einer kindlichen Harninkontinenz?
Oft ist bei Kindern, die tagsüber unwillkürlich Urin verlieren, die Steuerung der Blasenkontrolle noch nicht ausgereift. Auslöser einer kindlichen Inkontinenz sind häufig auch Harnwegsinfekte, Verstopfung oder Reizungen der Scheide durch Waschmittel und Seife. Zuweilen hat das Einnässen aber auch einen anderen Grund: Das Kind hat sich angewöhnt, den Harn zurückzuhalten und nicht rechtzeitig zur Toilette zu gehen. Oft fällt auf, dass solche Kinder die Beine überkreuzen oder auf den Fersen sitzen, um den Harndrang zu unterdrücken. Hier helfen regelmäßige Toilettenzeiten und ausreichend Zeit zum Pipi machen.
Welche Untersuchungen macht der Kinderurologe?
Wenn einfache Verhaltensmaßnahmen keine Besserung bringen, sollte ein Kinderurologe aufgesucht werden. Nach einem ausführlichen Gespräch und nach Auswertung des Miktionsprotokolls wird er das Kind genau untersuchen und einen Ultraschall des oberen Harntrakts und der Blase machen. Sinnvoll ist dann auch eine kombinierte Harnstrahl- und Beckenbodenmessung, ein sogenanntes "Flow-EMG".
Wie funktioniert Toilettentraining?
Ohne Regelmäßigkeit und Struktur geht gar nichts. Beim Festlegen der regelmäßigen Toilettenzeiten sollten Eltern daran denken, dass sich die Blase oft beim ersten Mal nicht vollständig entleert. Gut ist es, wenn das Kind zwei Mal kurz hintereinander zur Toilette geht, etwa vor und nach dem Zähneputzen, vor und nach dem Duschen, vor und nach einer Mahlzeit. Wichtig: Die Füße sollten beim Pipimachen nicht herunter baumeln. Ideal ist ein Fußschemel. Kinder können ihre Blase am besten entleeren, wenn sie entspannt sitzen. Auch genügend Zeit ist wichtig.
Welche Medikamente helfen beim nächtlichen Einnässen?
Wenn der Körper des über fünfjährigen Kindes nachts sehr viel Urin produziert, verschreiben Ärzte oft Desmopressin – ein Hormon, das die Ausscheidung des Urins reduziert. Für Kinder eignet sich ein schnell schmelzendes Lyophilisat am besten. Es enthält den Wirkstoff Desmopressin, ist aber kleiner als die herkömmlichen Tabletten. Die kleinen Pillen werden unter die Zunge gelegt und lösen sich schnell auf. Zur Einnahme ist Trinken also nicht nötig. Das Medikament wirkt schnell und eignet sich super, wenn ein Kind bei Freunden übernachtet, eine Klassenfahrt oder Ferienfreizeit ansteht. Wichtig: Eine Stunde vor der Einnahme der Desmopressin-Tablette am Abend sollte das Kind möglichst nichts mehr trinken und noch einmal zur Toilette gehen.
Wie schnell wirkt Desmopressin?
Das Medikament wirkt sofort und sollte zwei bis sechs Wochen eingenommen werden. Anschließend empfehlen Kinderurologen meistens ein langsames Ausschleichen des Medikaments über Wochen. Die Erfolgsquote liegt dann bei 40 bis 80 Prozent. Desmopressin ist für Kinder, die ein paar Tage woanders übernachten, oft wie ein Rettungsanker. Ein Phänomen: Manchmal nässen Kinder, die auswärts schlafen, oft nachts nicht ein. Sie schlafen woanders nicht so wie zu Hause und wachen dann eher auf, wenn sie eine volle Blase haben.
Was ist eine Alarmtherapie?
Es handelt sich dabei um eine Verhaltenstherapie mit Hilfe einer sogenannten Klingelhose oder Klingelmatratze. Es funktioniert ganz einfach: Sobald der Sensor in der Hose oder der Matratze mit Flüssigkeit in Kontakt kommt, ertönt ein akustisches Signal. Das Kind wird wach und kann zur Toilette gehen. Dies klappt aber nur, wenn die Eltern in der Anfangsphase bereit sind, über einen längeren Zeitraum – etwa sechs Wochen – aufzustehen und ihr Kind zu wecken. Kleine Bettnässer haben nämlich in der Regel einen tiefen Schlaf. Wichtig: Eltern sollten mit Ihrem Kind reden, während es nachts auf der Toilette sitzt. Es soll alles bewusst erleben. Nur so kann es lernen, in Zukunft rechtzeitig von selbst aufzuwachen.
Klingelhosen für Kinder

Klingelhosen schlagen Alarm, wenn sie mit Feuchtigkeit in Berührung kommen, sodass Kind und Eltern wach werden.
Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen und Funktionsweisen. Oft empfohlen werden beispielsweise die Stero Enurex Klingelhosen*, ca. 118 Euro, via Amazon.
Müssen wir unser Kind wecken, wenn die Klingelhose nachts mehrmals Alarm schlägt?
Einmal pro Nacht kann ausreichen, um einen Lerneffekt zu bewirken. Denn ebenso wichtig wie das nächtliche Toilettentraining ist ein ungestörter Schlaf.
Gibt es Windeln für größere Kinder?
Es gibt Pyjama-Unterhöschen für Mädchen und Jungen bis 57 Kilogramm. Sie sehen aus wie Unterhosen, haben aber die Funktion einer Windel. Das Tragen solcher Hosen kann die Lage entspannen. Denn das Aufwachen in einem nassen Bett wird von Kindern oft als frustrierend empfunden. Und auf Klassenfahrten sind die Hosen oft ein Segen. Kinder möchten sie oft als zusätzlichen Schutz mitnehmen – auch wenn sie durch die Einnahme von Desmopressin in der Regel nachts trocken bleiben. Das Kind aber bitte nicht zwingen! Wenn es keine Windelhose möchte, sollten Eltern diese Entscheidung akzeptieren.
Windelhosen für Kinder

Sehen aus wie normale Unterhosen, sind aber ähnlich saugfähig wie Windeln: Windelhosen. Sie können eine gute Lösung für die Übergangszeit sein und Kindern zusätzlichen Schutz in der Nacht bieten.
Es gibt sie in vielen verschiedenen Größen und Designs, z.B. vier Windelhosen von Flyish Direct*, ca. 18,75 Euro via Amazon.
Wie kann ich mein Kind unterstützen?
Ganz wichtig: Dem Kind keine Vorwürfe machen! Es kann ja nichts für sein Bettnässen. Und mit Schimpfen macht man alles noch schlimmer! Das Bettnässen sollte nicht zum Dauerthema in der Familie werden. Das Kind sollte ermutigt und für jeden noch so kleinen Fortschritt ermutigt werden. Es muss respektvoll behandelt werden. Dazu gehört auch, nicht in Gegenwart anderer über das Problem zu reden. Ob man die Lehrerin oder den Lehrer einweiht – etwa vor Klassenfahrten - sollte ebenfalls mit dem Kind besprochen werden.
Tipp: Hilfreiche Vordrucke
Auf der Internetseite www.initiative-trockene-nacht.de kann man ein Blasentagebuch (Miktionsprotokoll) herunterladen und ausdrucken. Dort gibt es außerdem weitere hilfreiche Infos rund um das Thema Einnässen und Inkontinenz bei Kindern.