Kleiner Junge steht an der Tafel.© iStock/Imgorthand
Es nicht ungewöhnlich, dass auch Schulkinder noch Windeln tragen.

Mit ihren riesengroßen, bunten Schulranzen laufen über den Schulhof, lernen lesen, schreiben, rechnen, und sind irgendwie schon richtig groß, die frisch gebackenen Vorschüler und Erstklässler.

Eines will so gar nicht zu dem Bild passen: eine Windel. Und doch ist es nicht außergewöhnlich, dass Kinder auch im Schulalter noch gewickelt werden.

Die Urologin Dr. Nadine Wunder weiß aus ihrer Praxis: "Wenn man die Statistik auf eine Grundschulklasse mit siebenjährigen Kindern anwendet, dann tragen bei einer Klassenstärke von 25 Kindern noch zwei bis drei Kinder, zumeist nachts, noch eine Windel."

Immer mehr Windeln für größere Kinder

Ob die Zahl der Schulkinder, die noch eine Windel benötigen, in den letzten Jahren gestiegen ist, kann die Expertin objektiv nicht bestätigen. "Im Grundgefühl würde ich es bejahen", sagt sie jedoch. Ein Grund dafür sei, dass die Windelindustrie einen Markt für größere Kinder entdeckt habe. "Die Produktpalette ist deutlich gewachsen", weiß die Urologin. "Das ist einerseits zu begrüßen, da es auf der einen Hand das Thema enttabuisieren bzw. normalisieren soll. Auf der anderen Seite erlebe ich es jedoch oft in meinen Kontakten, dass man häufig therapeutisch schon viel früher hätte eingreifen können, was dem Kind und der Familie viel Belastung und Leid hätte ersparen können."

Ihr Rat an alle Eltern: "Es sollte wirklich jedes mit fünf Jahren noch einnässende Kind diesbezüglich ärztlich untersucht und strukturiert beraten werden. Weil statistisch gesehen pro weiteres Lebensjahr nur 15 Prozent der betroffenen Kinder trocken werden, sollte man auf weitere Diagnostik bestehen und sich nicht nur mit den Worten, dass sich das noch auswächst, vertrösten lassen."

Auf ihrem Instagram-Account klärt die Urologin über die Ursachen auf, weshalb Kinder auch im Schulalter noch eine Windel benötigen.

Hier sind zehn Gründe, warum ein Schulkind noch eine Windel trägt:

1. Schnarchen

Häufige Schlafunterbrechungen erhöhen den Tiefschlaf. Dadurch ist die Erweckbarkeit durch beispielsweise eine volle Blase erschwert und der Körper nimmt nicht oder erst zu spät war, wenn die Blase bereits überläuft.

2. Verstopfung

Dabei wird der Enddarm aufgeweitet und drückt die Harnblase ab. Die dabei entstehende Blasenmuskelüberaktivität hat häufige Toilettengänge oder Harninkontinenz zur Folge.

3. Diabetes

Weil Zucker Wasser bindet, wird vermehrt Wasser über den Urin ausgeschieden. Das versucht der Körper durch eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme auszugleichen. Die erhöhte Trinkmenge hat häufigere Toilettengänge zur Folge. Durch das häufige Wasserlassen von größeren Urinmengen leiden betroffene Kinder oft unter verlängertem Einnässen.

4. Harnwegsinfektionen

Die Harnblase möchte die Bakterien schnell wieder loswerden und zieht sich schon bei kleinen Füllmengen häufig unwillkürlich zusammen, um sich zu entleeren. Dieser plötzlich einsetzende Harndrang ist manchmal kaum zu bremsen, sodass es zum ungewollten Urinverlust kommen kann.

5. Vaginaler Influx

Ein zusammengekauertes Sitzen auf der Toilette kann dazu führen, dass beim Wasserlassen Urin in die Vagina gelangt, das erst nach dem Wiederanziehen in der Unterwäsche landet, was oftmals als Harninkontinenz fehlgedeutet wird.

6. Nierenerkrankung

Eine Nierenerkrankung kann zu erhöhter Urinausscheidung und daher auch zu einer gesteigerten Trinkmenge führen - ähnlich wie beim Diabetes. Dadurch kann sich die Blasenkontrolle sowohl tags- als auch nachtsüber verzögern.

7. Harntraktveränderungen

Es gibt sowohl komplexe Fehlbildungen als auch eher unscheinbare Veränderungen, die meist erst durch gezielte Untersuchungen zutage treten. Dazu zählen zum Beispiel veränderte Harnröhrenöffnungen, Zurückfließen des Urins in die Harnblase oder ein Harnleiter, der nicht in die Harnblase führt. In diesen Fällen ist eine gründlich ärztliche Untersuchung unerlässlich.

8. Nervenerkrankungen

Auch Erkrankungen des unteren Rückenmarks können eine weitere Ursache fortlaufenden Einnässens sein, wenn die Nervenbahnen, die den Harntrakt versorgen, geschädigt sind. Neben offensichtlichen Fehlbildungen können hier auch später diagnostizierte Erkrankungen eine Rolle spielen.

9. Entwicklungsverzögerungen

Entwicklungsstörungen, wie eine Lese- und Rechtschreib- oder Rechenschwäche, die den schulischen Bereich betreffen, treten häufig in Verbindung mit einer verzögerten Sprachentwicklung und motorischen Abweichungen auf. Diese Entwicklungsverzögerungen tragen möglicherweise zu einer verspäteten Reifung des zentralen Nervensystems bei und verzögern damit das Trockenwerden.

10. Psychische Störung

Auch psychologische Erkrankungen können in Zusammenhang mit Einnässen stehen. Studien zufolge leiden 20 bis 40 Prozent aller Kinder, die tagsüber auch im Schulalter noch einnässen, an einer psychiatrischen Erkrankung. Dazu zählen ADHS, depressive und Angststörungen.