Nächtliche Action

Schlafwandeln bei Kindern: Was tun?

Schlafwandeln ist bei Kindern gar nicht so selten. Und bereitet vielen Eltern erst mal Sorgen. Die beruhigende Nachricht: Es ist keine Krankheit. Wir haben mit zwei Experten darüber gesprochen, was zu tun ist, wenn die Kleinen plötzlich nachtaktiv sind.

Wenn Kinder nachts schlafwandeln, sollten Eltern am nächsten Morgen mit ihnen über mögliche Sorgen sprechen. © Foto: Getty Images/Elva Etienne
Wenn Kinder nachts schlafwandeln, sollten Eltern am nächsten Morgen mit ihnen über mögliche Sorgen sprechen.

Eines Nachts traute meine Kollegin Svjetlana ihren Augen nicht: Ihre damals dreijährige Tochter Mila stand plötzlich im Flur und starrte an die Wand. "Das war ein bisschen unheimlich", erinnert sich Svjetlana. Sie sprach ganz ruhig mit ihrer Tochter und begleitete sie zurück ins Bett. Wirklich beunruhigt war sie nicht, da sie das Schlafwandeln schon von ihrer Schwester kannte. Es liegt wohl in der Familie, dachte sie sich. 

Schlafwandelnde Kinder bitte nicht wecken!

Intuitiv hat sie in dieser Situation genau richtig reagiert: Familienpsychologin Elisabeth Raffauf rät, liebe- und verständnisvoll mit schlafwandelnden Kindern umzugehen. "Ich würde das Kind in den Arm nehmen und es mit leisen Worten versuchen zu beruhigen." Die Kinder brauchen Geborgenheit. Zudem sollten Eltern vorsichtig versuchen, das Kind zurück ins Bett zu begleiten. Absolutes No-Go: schlafwandelnde Kinder erschrecken oder versuchen aufzuwecken. Sie könnten verängstigt oder verwirrt reagieren. Besorgte Eltern können nach dem Wiedereinschlafen noch etwas bei ihrem Kind bleiben und es beobachten, sagt die Psychologin. 

Es folgten viele Jahre, in denen Mila immer wieder schlafwandelte, phasenweise sogar jede Nacht. Svjetlana nahm sich einige Male vor, das bei nächster Gelegenheit mit dem Kinderarzt zu besprechen. Doch dazu kam es nie, weil zum Zeitpunkt der Arzttermine das Schlafwandeln immer wieder weniger geworden war – und zwischenzeitlich in Vergessenheit geriet. Schlafwandeln ist übrigens gar nicht so selten. Ärzte schätzen, dass 15 bis 30 Prozent aller Kinder zumindest einmal im Leben nachts umherirren. Drei bis vier Prozent tun dies öfter.

Symptome des kindlichen Schlafwandelns

Aber woran erkennt man, dass es tatsächlich Schlafwandeln ist? Es passiert etwas unerwartet Gegenläufiges: Es wirkt so, als wäre der Körper wach, aber der Geist schläft. Das kommt daher, dass die Gehirnareale, die die Bewegung steuern, wach sind, während die anderen Areale noch schlafen. Die Kinder sind tendenziell nicht ansprechbar und reagieren nicht oder verzögert. Zum Teil wirken sie desorientiert und haben ein vermindertes Schmerzempfinden. 

In einigen Fällen urinieren die Kinder, ohne es zu merken. Das Wasserlassen könne man zunächst einmal wertfrei als Zeichen sehen, dass das Kind Druck ablässt, meint Elisabeth Raffauf. Manche Kinder weinen. "Sollte Ihr Kind regelmäßig schlafwandeln, ist es ratsam, in der kinderärztlichen Praxis abklären zu lassen, dass es sich wirklich um Schlafwandeln und nicht um ein Anfallsleiden handelt", empfiehlt Kinder- und Jugendarzt Dr. Klaus Rodens. 

Am nächsten Tag darüber reden

Für Elisabeth Raffauf ist das Schlafwandeln ein Zeichen, dass das Kind einiges verarbeitet, zum Beispiel Ängste: "Was ein Kind tagsüber möglicherweise wegschiebt, wird dann in der Nacht ausagiert." Sie empfiehlt, die Kinder tagsüber gut zu beobachten, um möglicherweise herauszufinden, ob sie etwas besorgt. "Kinder brauchen das Wissen, dass sie über ihre Gefühle sprechen können und dass alle Gefühle okay sind", so die Psychologin. 

Man könne auch mal mit den Kindern kindgerecht darüber sprechen, dass sie nachts umhergelaufen sind. Dabei aber die Kinder bitte nicht unnötig ängstigen, indem man über lauernde Gefahren spricht. Sondern sie fragen, ob sie etwas Bestimmtes beschäftigt oder ihnen Sorgen macht. Wichtig für Kinder und Eltern: Schlafwandeln an sich ist kein Grund zur Sorge. Das Schlafwandeln sei ein Signal, das uns etwas sagen möchte, so die Psychologin. Das sollten wir ernst nehmen und nicht "wegmachen wollen".

Wohnung unfallsicher gestalten: Treppen und Fenster sichern

Läuft ein Kind mehrfach nachts durch die Räume, ist es notwendig, die Wohnung unfallsicher zu machen. Es gibt beispielsweise Kinder, die in ihrer nächtlichen Verwirrung Fenster und/ oder Türen öffnen und hinaus wollen. Wenn möglich, sollte man diese daher abschließen und die Schlüssel sicher verstauen. Schläft das Kind im Hochbett, muss dieses gesichert sein, ebenso Treppen. Schwere Schränke und Regale verankert man am besten in der Wand, damit sie nicht umstürzen können, wenn das Kind dagegen läuft. Spitze Kanten und Ecken möglichst abpolstern. Messer und Scheren nicht offen herumliegen lassen.

Was sind die Ursachen von Schlafwandeln?

Über die Ursachen ist sich die Forschung noch nicht im Klaren. Zum Teil vermutet man erbliche Faktoren. So scheint die Wahrscheinlichkeit für Babys und Kinder höher, zu Schlafwandlern zu werden, wenn auch ihre Eltern dies sind oder waren. Zudem spielt der Reifegrad des zentralen Nervensystems möglicherweise eine Rolle. Die meisten Kinder schlafwandeln übrigens erst im Alter von etwa zehn Jahren. Hier seien laut Dr. Alfred Wiater, Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), 13,4 Prozent der Kinder betroffen. 

Im Erwachsenenalter schlafwandeln in Deutschland laut DGSM nur noch ein bis drei Prozent. "Die Neigung zum Schlafwandeln kann jedoch auch durch fiebrige Erkrankungen, psychischen Stress oder Lärm verstärkt werden", erklärt Kinder- und Jugendarzt Dr. Rodens. Auch Lichtreize oder Schmerzen können das Schlafwandeln begünstigen. Eine weitere mögliche Erklärung ist laut Elisabeth Raffauf, dass die Kinder besonders empfindsam sind und mit voller Energie auf Dinge, die sie beschäftigen, reagieren.

Schlafrituale einführen

Um dem Schlafwandeln vorzubeugen, ist eine Zubettgeh-Routine wichtig. Regelmäßige Bettzeiten und genug Schlaf seien laut Dr. Rodens eine Grundvoraussetzung. Abendliche Rituale helfen den Kindern, sich aufs Schlafengehen einzustellen und zur Ruhe zu kommen: nach dem Abendessen ein ruhiges Spiel, umziehen, Zähne putzen und im Bett noch eine Geschichte oder ein Lied. Aufregende Fernsehsendungen oder starke körperliche Aktivität sollte man vor dem Schlafengehen ohnehin vermeiden. Besser: tagsüber ordentlich draußen austoben.

Gibt es eine Behandlung fürs Schlafwandeln?

Das Schlafwandeln an sich kann man nicht behandeln, wohl aber einige der Auslöser. Abendliche Entspannungsübungen wie Yoga, progressive Muskelentspannung oder autogenes Training und eben ein offenes Ohr für die Dinge, die die Kinder beschäftigen, wirken beruhigend und reduzieren in vielen Fällen die Häufigkeit des Schlafwandelns. 

Mila ist nie etwas passiert beim nächtlichen Umherlaufen. Bei ihr kam es im Verlauf von etwa zehn Jahren immer wieder vor, dann war es vorbei. Zum Glück ist das bei den meisten schlafwandelnden Kindern so: Irgendwann verschwindet das Phänomen ganz von selbst.

Das hilft kleinen Schlafwandlern

  • Liebevoll sein und ruhig bleiben.
  • Tagsüber über mögliche Sorgen sprechen.
  • Wohnung unfallsicher machen.
  • Ein Glöckchen an der Kinderzimmertür befestigen, damit die Eltern mitbekommen, wenn das Kind aufsteht. 

Autorin: Irlana Nörtemann

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