
Mein Sohn kommt in diesem Jahr in die erste Klasse – und ich mache mir natürlich Gedanken darüber: Wie wird er zur Schule kommen? Zu Fuß? Mit mir? Oder mit seinen Freunden? Mit dem Roller? Oder vielleicht sogar mit dem Fahrrad?
Umso erschreckender empfinde ich es da zu lesen, dass immer mehr Kinder gar nicht richtig Fahrrad fahren können. Woran liegt das nur?
Mein Großer hat bereits kurz nach seinem dritten Geburtstag das Radfahren gelernt – und wie! Ich musste regelrecht hinterherflitzen, um ihn noch einzuholen. Genau deshalb und vor allem, weil er das Radfahren auch so sehr liebt, fährt er nun, mit sechs Jahren, auch entsprechend sicher. Ich habe ihn bisher noch keine echten Strecken komplett alleine fahren lassen, aber natürlich trägt er einen Helm und wir sprechen immer wieder über die Verkehrsregeln – und ich traue ihm tatsächlich zu, dass er früher oder später in der Grundschule den Schulweg allein bestreiten kann, auch auf dem Fahrrad. Ich kann mir also kaum vorstellen, dass es offensichtlich immer mehr Kinder gibt, die das Radfahren überhaupt nicht oder nur schlecht beherrschen. Als Grundschüler! Gehört es nicht genau so dazu, wie Lesen, Schreiben und Rechen? Oder wie Schwimmen lernen?
Immer mehr Kinder fallen durch die Radfahrprüfung
Ein Hamburger Polizist gibt sehr offene Einblicke in seine Erfahrung: Heino Krüger arbeitet seit 17 Jahren als Polizeiverkehrslehrer an Grundschulen. Er nimmt somit auch die Radfahrprüfung der Dritt- und Viertklässler ab – und schlägt Alarm. Denn immer mehr Schüler und Schülerinnen fallen durch ebendiese durch. Noch im Schuljahr 2018/2019 waren es knapp 18 Prozent der Kinder, im Jahr 2021/2022 bereits 28 Prozent, die die Prüfung nicht bestanden. Und dafür gibt es aus seiner Sicht eindeutige Gründe, so der erfahrene Polizeiverkehrslehrer gegenüber der Mopo: "Ich stelle wiederkehrend fest, dass sich immer weniger Kinder in Sportvereinen oder aktiv draußen bewegen. Dafür spielen sie Computerspiele oder sitzen am Handy."
Ganz genaue Statistiken fehlen zwar, aber auch die Landesverkehrswacht in Niedersachen alarmiert gegenüber dem NDR. Ein Rückgang fahrradfahrender Kinder bei der Radfahrausbildung in den vierten Klassen sei bundesweit zu beobachten.
Handy, Bewegungsmangel, Elterntaxi
Den heute Acht- bis Zehnjährigen fehlen also schlichtweg die motorischen Fähigkeiten, um das Rad zu beherrschen. Alltagsbewegung? Unzureichend! Der Grund hierfür sind zum einen zugeparkte Spielflächen und unsichere Fahrradwege, vor allem in der Stadt. Aber die Eltern machen die Situation sogar noch schlimmer: mit den sogenannten Elterntaxis, die ihre "Kleinen" bis vor die Grundschulpforte kutschieren. Dieses Problem hat auch der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V.) erkannt und warnt: "Die an den Schulen haltenden Autokolonnen gefährden die Verkehrssicherheit ... Es sterben mehr Kinder in den Autos ihrer Eltern als auf dem Fahrrad."
Rauf aufs Rad!
Also, liebe Eltern lasst eure Kinder auf die Räder, so früh wie möglich! Traut es ihnen zu! Übt viel mit ihnen! Denn die Verantwortung liegt bei Mama und Papa, wie gekonnt und sicher die Kleinen fahren.
Ab wann dürfen Kinder mit dem Fahrrad allein zur Schule fahren?
In vielen Schulen heißt es offiziell: erst nach der Radfahrprüfung! Und die steht meistens in der dritten, manchmal auch erst in der vierten Klasse an. Rein rechtlich handelt es sich dabei aber nur um eine Empfehlung. Denn: Am Ende dürfen die Eltern selbst entscheiden, ab wann ihr Kind reif für den Straßenverkehr mit Fahrrad ist. "Schulen dürfen keine Radfahrverbote aussprechen", ist auf der Website des ADFC nachzulesen. "Hinzukommt, dass die Radfahrprüfung keine vorgeschriebene Erlaubnis zum Fahren eines Fahrrads ist. Ebensowenig darf die Schule Kindern vorschreiben, einen Helm zu tragen."
Für unsichere Eltern ist die Prüfung aber mit Sicherheit trotzdem ein hilfreicher Wegweiser. Und der Helm sollte selbstverständlich getragen werden. Denn Eltern stehen am Ende in der Verantwortung, dass ihr Kind die Verkehrsregeln beherrscht und sicher am seinem Ziel ankommt.
Gut zu wissen: Alle Kinder sind, ob nun mit oder ohne Fahrrad, egal in welchem Alter, durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert, falls doch etwas passieren sollte.