Ein Mann tröstet seine besorgte, schwangere Frau.© iStock/globalmoments
Paare sollten in guten wie in schlechten Zeiten zueinaderstehen und sich gegenseitig Kraft schenken.

So erging es auch mir ... Ich war schwanger, gerade in der 23. Schwangerschaftswoche. Die Schwangerschaft verlief bis dahin problemlos, ich hatte keine Wehwehchen wie Übelkeit, Sodbrennen und Co., ich machte weiterhin regelmäßig Yoga und Fitness - und oh ja, ich hatte ein sehr aktives Baby in meinem Bauch. Wölbungen, Tritte, Schluckauf ... sie gab jeden Tag wirklich alles, damit ich sie spürte - nicht nur am Abend, wenn ich selbst zur Ruhe kam. Mein Schwangerschaftsbauch war riesig, so groß, dass meine Mutter, die selbst drei Kinder auf die Welt gebracht hatte, dachte, ich würde Zwillinge bekommen. Meine Schwangerschaft habe ich sehr genossen und meinen riesigen Bauch geliebt, bis ...

... zu dem Zeitpunkt, an dem sich nichts mehr so schön anfühlte, wie es einmal war

Meine Frauenärztin überwies mich für den nächsten Ultraschall an ihren Vertretungsarzt, da sie für die nächsten Wochen im Urlaub war. Mein Mann und ich freuten uns sehr auf den Termin und hofften trotz der Corona-Strapazen nicht nur, dass mein Mann beim Termin dabei sein darf, sondern auch, dass wir wieder einzigartige Bilder von unserem ersten Baby zu sehen bekommen. Und wir diese unbeschreiblich schönen Momente beim Ultraschall gemeinsam erleben dürfen. Doch der Termin verlief komplett anders als gedacht. Während mein Mann und ich voller Vorfreude und Euphorie verliebt auf den Bildschirm des Arztes starrten, sprach der Arzt plötzlich einige Minuten nicht mehr mit uns ... Er schaute sich immer wieder einige noch so kleine Details auf seinem Monitor an und sagte einfach nichts. Wir starrten uns an voller Panik im Gesicht, das Herz immer schneller schlagend, und fragten, ob mit dem Baby etwas nicht stimmen würde.

Der Gynäkologe erklärte uns, dass er früher jahrelang als Pränataldiagnostiker gearbeitet hätte und er dadurch anders, genauer gesagt: detaillierter, bei Ultraschallterminen auf das Ungeborene schaut. So wie bei uns! Denn an diesem, für uns schlimmsten Tag in unserem Leben stellte sich heraus, dass unsere ungeborene Tochter nicht gesund sein wird. Er vermutete, dass sie Fehlbildungen, keine fünf Finger und Zehen besitzen würde. Und das war leider erst der Anfang dieser unendlich langen und schlimmen Achterbahnfahrt ...

Was für eine Tortur - ein Ende war nicht in Sicht

Er gab uns eine Überweisung zu einem Pränataldiagnostiker mit, der sich unser Ungeborenes genauer ansehen würde. Beim Pränataldiagnostiker waren wir fortan regelmäßig, denn er teilte sich von da an die Vorsorgeuntersuchungen mit unserer Frauenärztin. Wir waren in guten Händen - ehrlich gesagt, sogar in sehr guten, denn wir fühlten uns von Anfang an wohl in seiner Praxis. Natürlich verstanden wir den medizinischen Fachjargon oft nicht auf Anhieb, aber spätestens beim dritten Mal nachfragen und erklären, kamen auch wir den wirklich sehr sehr vielen neuen Fachbegriffen endlich näher. Und tatsächlich ... der Pränataldiagnostiker konnte auf seinem riesigen Bildschirm erkennen, dass unsere Tochter Fehlbildungen, sogenannte Dysmelien, an Händen und Füßen haben wird. Ein Schock! Er ließ uns kurz für einige Minuten allein, um die Nachricht zu verdauen - doch diese paar Minuten reichten nicht aus, denn wir brauchten mit der Verarbeitung dieser Hiobsbotschaft etliche Monate, sogar Jahre, wenn wir nicht sogar unser Leben lang damit zu kämpfen haben werden, denn eine Behinderung kommt und geht leider nicht einfach, sie bleibt für immer.

Noch nie in unserem Leben fühlten mein Mann und ich uns so allein, so ungerecht behandelt, so hilflos ... Ich hatte unendlich starke Bauchschmerzen - eine ganze Zeit lang. Na klar, schließlich spürte unsere kleine Maus auch, dass mit mir gerade etwas nicht stimmte.
Wir waren am Boden zerstört und mussten doch irgendwie funktionieren, für unser Baby, für das wir uns entschieden hatten, und für die Gesellschaft, in der wir leben, in der Probleme leider noch immer keinen Platz und kein Gehör finden und immer noch oft genug missachtet werden, weil die Toleranz dahingehend noch nicht ausgereift genug ist.

Was dann folgten, waren unendlich viele Arztbesuche mit etlichen Untersuchungen und Gesprächen, mit denen sich die Schwangerschaft nicht mehr so schön anfühlte, wie es einmal war. Doch damit nicht genug, denn mit Fehlbildungen, die durch ein bestimmtes Gen ausgelöst werden, können etliche Erkrankungen hinzukommen, sogar von einer geistigen Behinderung war bei uns die Rede. Inwieweit unsere Tochter davon auch noch betroffen sei, würde man allerdings erst sehen, wenn sie auf der Welt ist, und so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen: Toi, toi, toi, es kam Gott sei dank nicht noch mehr dazu.

Irgendwann kam der Moment, ...

wo wir für uns bemerkt haben, dass wir mit der Thematik Behinderung und deren Folgen inzwischen klarkommen, doch es ist ein langer und steiniger Weg, der immer mal wieder unterbrochen wird, aber den wir als Familie zusammen gehen. Und auch wenn wir uns als betroffene Eltern einer Tochter mit Behinderung eine Inklusion in Deutschland so sehr wünschen würden, merken wir doch an jeder Ecke, dass dieser Begriff leider (!) noch immer ein Wunschdenken von uns ist. Dennoch haben wir in der ganzen unschönen Zeit eine Menge gelernt, nämlich, dass wir nicht immer nur für alle funktionieren müssen. Und wir, wir sind: zwei einzelne Individuen. Ein Pärchen. Und nicht nur Eltern. 
Wir sind froh darüber, die Hiobsbotschaft noch in der Schwangerschaft und nicht erst bei der Geburt erfahren zu haben, denn so hatten wir vorab Zeit für uns, für die Diagnose und alles Weitere, was damit noch in den nächsten Jahren bei unserer kleinen, zuckersüßen Maus einhergeht ...

Unsere Rettung: ahoi e.V.

Ahoi e.V., der Selbsthilfeverein für Menschen mit Arm- und Handfehlbildungen, ist ein gemeinnütziger und bundesweit arbeitender Verein – von Betroffenen für Betroffene. Wie wichtig dieser Verein inzwischen geworden ist, bekräftigt die Aussage unserer behandelnden Ärzte, denn inzwischen kommt jedes 100.000 Kind weltweit mit Hand- oder Fußfehlbildungen auf die Welt. Und das spüren wir im Verein, denn er wächst und wächst kontinuierlich und hilft Familien wie uns.

Wir haben dem Verein sehr viel zu verdanken, denn dank ihm fühlen wir uns mit unserer Tochter nicht mehr allein, wir werden in dieser Gesellschaft akzeptiert und nicht komisch beäugt und spüren Toleranz und Akzeptanz. Ein wichtiger Schritt in eine bessere Welt!