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- Wie lassen sich böse Überraschungen im Kreißsaal vermeiden?
- Wie sieht eine gute Geburtsvorbereitung aus?
- Wie lässt sich der Geburtsverlauf positiv beeinflussen?
- Inwiefern können Väter bei der Geburt unterstützen?
- Wie problematisch sind Hebammenmangel und überfüllte Geburtsstationen?
- Was passiert, wenn die Geburt nicht nach Plan läuft?
- Wie lässt sich die Angst vor der Geburt in den Griff bekommen?
- Unser Experte: Dr. Richard Krüger
In Deutschland werden die meisten Babys in einer Geburtsklinik geboren. Laut Statistiken kommen etwa 98 Prozent der Neugeborenen in einer solchen Einrichtung zur Welt. Die Geburtsklinik bietet den werdenden Eltern eine sichere und professionelle Umgebung, um die Geburt ihres Kindes zu begleiten. Hier stehen erfahrene Ärzte und Hebammen bereit, um mögliche Komplikationen während des Geburtsprozesses zu überwachen und gegebenenfalls einzugreifen.
Damit die Geburt zu einem positiven und sicheren Erlebnis wird, ist gute Vorbereitung das A und O. Dr. Richard Krüger von der Charité in Berlin weiß: Viele werdende Eltern haben falsche Vorstellungen von den Abläufen in einer Geburtsklinik. Durch gute Aufklärung könnten sich viele Enttäuschungen und Komplikationen vermeiden lassen.
Wie sich werdende Mütter und Väter realistische Vorstellungen von den Abläufen im Kreißsaal machen können, wie eine Geburt selbstbestimmt verläuft und welche Ängste er Schwangeren nehmen möchte, erklärt der Experte in diesem Artikel.
Wie lassen sich böse Überraschungen im Kreißsaal vermeiden?
Missverständnisse allgemein rund um die Geburt entstehen häufig durch fehlende Kommunikation. Die Bedürfnisse der werdenden Eltern – vor allem der Schwangeren – sind für das Klinikpersonal zunächst unbekannt. Bei der Klinikvorstellung ist es daher wichtig, klar zu kommunizieren, was für Vorstellung und Wünsche hinsichtlich der Betreuung währen der Geburt bestehen, damit das Klinikpersonal alles in seiner Macht Stehende tun kann, um diesen zu entsprechen.
Ein großes Missverständnis besteht allerdings darin, dass Schwangeren suggeriert wird, dass ihr konkreter Wunsch nach einem bestimmten Geburtsverlauf (z.B. nach einer schmerz- und komplikationslosen vaginalen Geburt) zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Tatsächlich leiden allerdings besonders Erstgebärende, die eine hohe Erwartungshaltung an sich selbst und ihre Geburt haben, an einem Babyblues (depressive Verstimmung nach der Geburt), wenn diese Idealvorstellung nicht erreicht wird. Je höher die Erwartungshaltung ist, desto schwieriger ist sie zu erreichen.
Gleichzeitig blenden viele Schwangere aus, dass ihre Geburt anders ablaufen könnte als geplant und informieren sich nicht über mögliche Komplikationen und alternative Geburtsabläufe.
Einerseits kann eine Geburt medizinische Unterstützung erfordern, die ungeplant zur Überraschung wird und so Stress auslösen kann. Andererseits ändern Gebärende in der Extremsituation der Geburt häufig ihre vorab gebildete Meinung und möchten beispielsweise eine schmerzlindernde Periduralanästhesie (PDA) in Anspruch nehmen, der sie während der Schwangerschaft ablehnend gegenüberstanden und sich daher auch nicht hierüber informiert haben. Die PDA-Aufklärung durch die Narkoseärztin findet in diesem Fall erstmalig zu einem Zeitpunkt statt, zu dem alles andere als eine ruhige Gesprächsatmosphäre herrscht und die Konzentrationsfähigkeit der Schwangeren gemindert ist, nämlich während der Geburtswehen. Da kommt es leicht zu Missverständnissen.
Wie sieht eine gute Geburtsvorbereitung aus?
Eine gute Geburtsvorbereitung erklärt die Standardabläufe in einer Geburtsklinik und beschreibt die individuelle Extremsituation der Geburt, ohne zu übertreiben und Ängste zu schüren. Sie geht auf die individuellen Bedürfnisse und Fragen jeder Schwangeren ein und gibt einfache und konkrete Handlungsanweisungen für alle Geburtsphasen – sowohl für die Schwangere als auch die Begleitperson. Eine gute Geburtsvorbereitung ist frei von Wertung hinsichtlich der Geburtsverläufe und Geburtsmodi (vaginale Geburt gegenüber Kaiserschnitt). Sie informiert über alle relevanten Themen, die eine Schwangere wahrscheinlich, aber auch unwahrscheinlicher Weise in der Klinik erleben wird, damit sie sich auch bei möglichen Komplikationen informiert und vertrauensvoll auf die Geburt konzentrieren kann.
Wie lässt sich der Geburtsverlauf positiv beeinflussen?
Meines Erachtens ist die Geburtsvorbereitung besonders wichtig für den späteren Geburtsverlauf. Dabei steht weniger die aktive Einflussnahme auf den Geburtsverlauf im Vordergrund, sondern vielmehr das persönliche Geburtserlebnis. Wer alle Eventualitäten während der "Extremsituation Geburt" kennt, ist nicht überrascht oder enttäuscht, wenn es anders kommt als geplant. Durch eine gute Vorbereitung wird eine innere Ruhe und Vertrauen in die Geburtshilfe geschaffen, die für die notwendige Entspannung während der Geburt sorgt, die Verspannungen des Beckenbodens löst und dadurch sowohl mehr Platz im mütterlichen Becken als auch mehr Konzentration der Schwangeren auf das Wichtigste ermöglicht: das Baby.
Inwiefern können Väter bei der Geburt unterstützen?
Zunächst einmal sollte schon früh in der Schwangerschaft das werdende Elternpaar darüber sprechen, wer die am besten geeignete Person für die Begleitung der Schwangeren während der Geburt ist. Wunderbar, wenn das der Kindsvater ist. Es ist aber genauso schön, wenn das die beste Freundin, der beste Freund, die Mutter, Schwester oder Schwägerin ist. Jedes Paar muss individuell für sich klären, wer die Gebärende am besten unterstützen kann, denn die Begleitperson hat eine wichtige Rolle während der Geburt: Sie ist die einzige wirklich vertraute Person bei der Schwangeren und ist konstant bei ihr – im Gegensatz zum Klinikpersonal, das im Schichtsystem rotiert.
Mentale und körperliche Anwesenheit reichen häufig schon aus, um Ruhe und Zuversicht für die Schwangere auszustrahlen.
Wer zu diesem Zeitpunkt allerdings ständig auf das Handy schaut und eigentlich gar nicht dabei sein will, wird eher zur Belastung als zur Unterstützung für die Gebärende. Die Begleitperson kann über die bloße Anwesenheit hinaus allerdings auch aktiv während der Geburt eingebunden werden: von Rückenmassage über Atemkoordination bis zur Haltestütze bei Gebärpositionen kann der Job "Begleitperson" auch echt anstrengend werden. Daher sollte die Begleitperson nicht vergessen, auch auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und sich beispielsweise zu Essen und zu Trinken in die Klinik mitbringen, denn beides wird vom Personal nur für die Schwangere dauerhaft bereitgestellt.
Wie problematisch sind Hebammenmangel und überfüllte Geburtsstationen?
Ob ein Hebammenmangel – oder Personalmangel allgemein – herrscht, hängt sehr individuell von der jeweiligen Geburtsklinik und der aktuellen Situation im Kreißsaal ab. Viele Kliniken haben alle Stellen besetzt und geringe Krankenstände mit übersichtlichen Geburtenzahlen. Hier sollte eine 1-zu-1-Betreuung durch eine Hebamme sicher gewährleistet sein. Andere Kliniken haben großen Geburtenandrang mit unbesetzten Hebammenstellen, was eine 2-Schwangere-zu-1-Hebamme-Betreuung wahrscheinlicher werden lässt. Eben dies kann im Rahmen der Geburtsanmeldung bei der Klinik oder bei Kontakt durch eine Kreißsaalführung vor Ort erfragt und besprochen werden.
Klar ist jedoch, allgemein entstehen weniger Personalstellen in den Kliniken als das neue hinzukommen und immer mehr unausgelastete Kliniken werden als "ineffizient" deklariert und geschlossen. Es ist knapp genäht in einem Gesundheitssystem, in dem wie bei der medizinischen Unterstützung während der Geburt der Grundsatz gilt: "so wenig wie möglich, so viel wie nötig."
Was passiert, wenn die Geburt nicht nach Plan läuft?
Die Geburtsvorbereitung und verfügbare Literatur zur Schwangerschaft beschäftigt sich zumeist mit den angenehmen und schönen Momenten, weniger mit realen Problemen und medizinischer Unterstützung: z.B. Medikamente zur Schmerzlinderung, Geburtseinleitung, Periduralanästhesie (PDA), die Geburt per Saugglocke oder Kaiserschnitt, obwohl zusammengenommen deutlich über die Hälfte aller Schwangeren eine oder mehrere solcher Maßnahmen während der Geburt in Anspruch nimmt. Wer einen gesamten Geburtsvorbereitungskurs absolviert aber noch nie etwas den konkreten Abläufen eines Kaiserschnitts gehört hat, ist auf einen Geburtsmodus nicht vorbereitet, durch den ein Drittel (31 Prozent) aller Kinder in Deutschland geboren werden.
Beispiel: Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Autofahrt zu einem Drittel mit einem Platten endet, würde ich vorher gerne wissen, wie man einen Reifen wechselt und Ersatzreifen und Wagenheber bereits vor Fahrtantritt im Auto haben wollen.
Viele Schwangerschaftsratgeber beschäftigen sich hunderte Seiten mit der Schwangerschaft und Entwicklung des Kindes, aber widmen nur wenige Seiten der eigentlich aktiven Geburt, auf die viele Schwangere eben nicht oder nur ungenügend vorbereitet sind. Da medizinische Maßnahmen sowie Abläufe und Entscheidungen in einer Geburtsklinik häufig kaum erwähnt werden, wissen Schwangere gar nicht, dass sie sich hierüber bereits vor dem Klinikaufenthalt informieren können.
Wie lässt sich die Angst vor der Geburt in den Griff bekommen?
Die Geburt besteht aus überwältigenden Erlebnissen und Gefühlen. So zu tun, als würden diese nur angenehm sein, ist schlichtweg gelogen. Tatsächlich ist die Geburt natürlicherweise für Mutter und Kind einer der gefährlichsten Momente im Leben, in unseren Breiten glücklicherweise jedoch sicher. Das wird einerseits durch die frühe Vorselektierung von Schwangeren und ihren ungeborenen Kindern, die bereits in der Schwangerschaft medizinische Unterstützung brauchen, und andererseits durch die moderne Überwachung und medizinische Unterstützungsmöglichkeit während der Geburt gewährleistet.
Jeder Schwangeren kann versichert werden, dass nichts zu ihrem Nachteil, sondern alles in der Macht des Klinikpersonals Stehende getan wird, um eine möglichst angenehme und reibungslose Geburt zu ermöglichen.
Je mehr sich eine Schwangere vollständig über die Abläufe und Entscheidungen in einer Klinik informiert und ihre eigenen Wünsche klar kommuniziert, desto ruhiger und selbstbestimmter kann sie die Geburt erleben und gestalten.
Wer mit einer realistischen Erwartungshaltung in die Geburt geht, hat die größten Chancen, diese zu erreichen oder sogar zu übertreffen. Moderne Geburtshilfe ist wahnsinnig spannend und ermöglicht das alles entscheidende Ziel, dass aus einer Schwangeren mit ihrem Kind im Bauch eine gesunde Mutter und ein gesundes Kind hervorgehen.
Unser Experte: Dr. Richard Krüger
Dr. med. Richard Krüger ist Assistenzarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und verfügt über mehrjährige Erfahrung in der Geburtshilfe in der Charité in Berlin.