
Der Moment der Geburt
Acht Tage vor dem errechneten Geburtstermin kam unser Wunder zur Welt. Die Geburt verlief jedoch etwas anders als geplant. Denn ich verlor währenddessen unendlich viel Blut. Zu viel Blut. Genauer gesagt knapp zwei Liter. Mein Zustand war kritisch. Meine Kraft war am Ende. Und mein Mann hatte unendlich Angst, mich als seine Frau zu verlieren und gleichzeitig plötzlich zum ersten Mal Vater zu sein - alleinerziehender Vater. Mein Mann und ich schienen im selben Moment an das gleiche Szenario gedacht zu haben, denn uns schossen zeitgleich die Tränen in die Augen.
Und doch war mittendrin ein kleiner Moment der Freude. Der schönste Moment in unserem Leben, als unsere Tochter auf die Welt kam. Der vermeintlich magische Moment war jedoch nur von kurzer Dauer, vielleicht ein bis zwei Minuten, denn ich dachte fälschlicherweise früher immer, dass alle Babys weinen, wenn sie auf die Welt kommen. Unsere Tochter hingegen gab keinen einzigen Mucks von sich. Ich hatte Panik, sie verloren zu haben und fragte meine Hebamme, ob unsere Tochter lebt. Sie bejahte meine Frage und dann ging plötzlich alles ganz schnell ...
Nächste Station: Not-OP!
Während meine Tochter von der Kinderärztin routinemäßig untersucht wurde, versuchten die Hebamme und ich mit allerletzten Kräften und etlichen unterschiedlichen Methoden, meine Plazenta zu gebären. Doch Fehlanzeige! Ich hatte keine Wehen mehr. Nach den verzweifelten Versuchen irgendwie doch noch an die Plazenta zu gelangen, ging alles ganz schnell. Ich erinnere mich noch an das Wort: Not-OP!
Das war ein Moment, den mein Mann und ich nie wieder vergessen werden. Schließlich hatte ich doch gerade erst unsere Tochter auf die Welt gebracht. Ich habe sie noch nicht einmal zu sehen bekommen, da wurde ich auch schon wieder von ihr getrennt und in den Not-OP geschoben. Schock!
Statt meinen Mann und mein Baby um mich herum zu haben und die ersten magischen Minuten gemeinsam zu genießen, standen nun vier bis sechs Ärzte bei mir, die sich alle namentlich vorstellten (was mich in dem Moment natürlich überhaupt nicht interessiert hatte). Sie setzten mir eine Sauerstoffmaske auf und dann war ich auch schon weg.
Unfassbar erste traurige gemeinsame Minuten
Mein Mann wartete mit unserem Baby sehnsüchtig im Kreißsaal auf mich, denn sie hatten ihm zwar gesagt, dass die OP nur circa 30 Minuten dauert, was sie ihm in dem Augenblick aber verschwiegen hatten, war, dass sie noch Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit benötigen. Logisch! Doch an die hat er in seiner verzweifelten Situation natürlich nicht gedacht. Schlussendlich war ich ganze eineinhalb bis zwei Stunden von meinen beiden Schätzen getrennt. Und das in den ersten Lebensminuten unseres Babys. Mein Mann hatte Todesangst um mich, weil ich einfach nicht wiederkam ...
Er übernahm das erste Bonding und weinte vor Erleichterung, als ich endlich wieder auf meinem Bett in den Kreißsaal geschoben wurde. Ich war noch total weggetreten von der OP und erschöpft vom hohen Blutverlust, konnte gerade so immer mal ein bisschen die Augen öffnen, da bekam ich auch schon direkt unser Baby an die Brust angedockt. Welch ein Schmerz! Ich war doch noch gar nicht wieder ganz da, konnte mich in den letzten Stunden gar nicht darauf vorbereiten, dass ich jetzt Mutter bin und was jetzt alles passieren wird. Es war zunächst ein ganz komischer, trauriger Moment irgendwie ...
Und die ersten Minuten mit meiner Tochter kann mir niemand wiedergeben. Die fehlen mir einfach, weil ich, ihre Mama, nicht da war.
Und damit bin ich nicht allein
So wie ich meine Geburt erlebt habe, ergeht es vielen Frauen da draußen. Jede Geburt ist anders, einzigartig und nicht in Worte zu fassen. Und oft passieren eben auch diese Dinge, die so niemand vorhergesehen hat. Einige Frauen können sich aber auch gar nicht an die Geburt des eigenen Kindes erinnern, so wie Model und Mama Anna Adamyan:
Die Verarbeitung des Erlebten ist wichtig
Wenn auch ihr ein Geburtstrauma erlebt habt, scheut euch nicht davor, eine Therapie zu beginnen oder mit euren engsten Vertrauten darüber zu sprechen. Denn manchmal hilft genau das. Und wer weiß, vielleicht hat jemand, dem ihr sehr nahe steht, Ähnliches erlebt und bisher nur nie darüber gesprochen? Ihr sollt wissen, ihr seid in keinem Fall allein!