Mädchen mit Mama an der Hand.© iStock/fstop123
Eine Adoption kann viele Schwierigkeiten nach sich ziehen.

"Mein Name ist Elli und ich wurde unethisch aus Gambia geholt, um in Deutschland adoptiert zu werden, ohne das Einverständnis meiner Familie." Mit diesem Satz begrüßt Elli die Besucher auf ihrem Instagram-Profil.

Die junge Frau hat sich dafür entschieden, mit ihrer Adoptions-Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie sagt: "Man muss davon wegkommen, dass man sagt: Eine Adoption bedeutet automatisch ein besseres Leben."

Ellis Geschichte beginnt im Jahr 2000 in Gambia. Ihre Mutter stirbt kurz nach ihrer Geburt, Elli leidet unter Unterernährung, wird krank. Ihre Familie sucht deshalb Hilfe bei katholischen Nonnen im Ort.

Ihre Familie wurde getäuscht

Doch die kostspielige Untersuchungen und Spritzen, die Elli braucht, kann sich ihre Familie nicht leisten. Also suchen die Nonnen nach einer Adoptivfamilie – in Europa.

"Meine damalige Pflegemutter hatte bereits eine Familie in der Nähe gefunden, die mich aufnehmen wollte. Ein schwedisches Paar bot außerdem finanzielle Unterstützung an, damit ich bei meiner Familie bleiben konnte", weiß Elli heute. "Doch die Nonnen lehnten das ab und sagten, sie hätten bereits eine Familie in Deutschland für mich."

Zunächst hieß es, Elli solle nur für ein Jahr nach Deutschland gehen und dann nach Gambia zurückkehren. "Meine Familie wurde nicht darüber aufgeklärt, dass Adoption in Deutschland etwas ganz anderes bedeutet als in Gambia. Sie wurden auch in dem Glauben gelassen, dass ich nach Gambia zurückkehren würde."

Ihre Tante und auch ihre Großeltern unterzeichneten ein Dokument, und daraufhin genehmigte ein Gericht in Gambia die Adoption – unter der Voraussetzung, dass Elli ab ihrem achten Lebensjahr alle zwei Jahre zu ihrer Familie zurückkehren sollte. Eine Vereinbarung, an die sich ihre Adotivfamilie niemals halten wird.

Abreise nach Deutschland bei Nacht und Nebel

Inzwischen weiß Elli: "Meine Tante und meine Großeltern konnten die Dokumente gar nicht lesen und hatten auch keinen Anwalt, der sie über ihre Rechte informierte."

Damit ein Reisepass für Elli für die bevorstehende Ausreise beantragt werden konnte, musste eine Geburtsurkunde erstellt werden, in der Ellis Vater als unbekannt eingetragen wurde. "Er hat nicht in die Adoption eingewilligt", sagt sie.

"Als meine Adoptivmutter das zweite Mal nach Gambia kam, um mich abzuholen, erzählten weder sie noch die Nonnen meiner Familie von ihren Abreiseplänen. Meine Adoptivmutter verschwand einfach mit mir in der Nacht. Als meine Pflegemutter am nächsten Morgen kam, erzählten die Nonnen ihr, dass ich bereits auf dem Weg nach Europa sei. Meine Familie konnte sich nicht einmal verabschieden."

Die Familie ihres Vater versuchte sie später, in den Senegal zu holen und forderte, dass Elli unverzüglich zurück nach Gambia gebracht wird. "Ihnen wurde gesagt, das ginge nur, wenn sie das nötige Geld dafür hätten."

Ellis Identität wird ausgelöscht

Sobald Elli in Europa ankam, ließen ihre Adoptiveltern ihren Namen ändern und beantragten das volle Sorgerecht nach deutschem Recht. "Damit wurde die rechtliche Bindung an meine Familie gekappt. Weder meine Familie noch das gambische Gericht unterzeichneten das, aber es wurde von einem deutschen Gericht bestätigt. Ich bekam die deutsche Staatsbürgerschaft und blieb in Deutschland."

Als Elli 15 ist, reist sie nach Polen, um mit einer der Nonnen zu sprechen, die damals ihre Adoption in die Wege geleitet hatte, und um mehr über ihre Familie zu erfahren. "Ich schrieb ihnen einen Brief, und die Nonnen versprachen, ihn meiner Familie zu geben. Er kam niemals an."

Elli bat die Nonne auch, sie zurück nach Gambia zu bringen, weil sie sich in Deutschland nicht wohlfühle. Ihrer Familie in Gambia erzählte die Nonne jedoch, dass es Elli gutgehe.

Erster Besuch in Gambia mit 19

In ihrer Adoptivfamilie erlebte Elli emotionalen und körperlichen Missbrauch. "Oft wurde ich für Kleinigkeiten bedroht und geschlagen, manchmal mehrmals die Woche. Sie erzählten mir, meine Mutter hätte das gleiche getan, denn das sei die Art, auf die Kinder in Gambia erzogen werden. Sie sagten, sie wollten mir zeigen, wie es an anderen Orten zugehen kann. Bis heute macht mich diese Antwort sprachlos."

Im Jahr 2020 besucht Elli zum ersten Mal ihre Familie in Gambia. Das erste Treffen ist für sie ein überwältigender Moment.  "Dann komme ich da an und alle sehen aus wie ich! Das war für mich richtig surreal."

Heute klärt Elli über transnationale Adoption und Kinderrechte auf. Sie stellt klar: "Ich brauche kein Mitleid. Was ich brauche, ist das Bewusstsein für illegale und missbräuchliche Adoptionen, denn ich weiß, dass meine Geschichte einzigartig ist, aber trotzdem eine von vielen."

Elli fasst acht Gründe zusammen, warum sie es nicht mag, adoptiert zu sein:

  • Ich bin nicht in meine ursprüngliche Kultur und Sprache eingebettet.
  • Es hat mich traumatisiert.
  • Ich habe durchgehend rassistische Gewalterfahrung in meiner Kindheit erlebt.
  • Das Trauma der Trennung und Entwurzlung macht es schwer, Nähe und Liebe zuzulassen.
  • Die Beziehung zwischen mir und meinem Vater wird sich nicht mehr regenerieren.
  • Ich werde nie ein vollkommener Bestandteil meiner Herkunftsfamilie sein.
  • Ich wurde gekauft, verkauft und verschifft wie ein Gegenstand.
  • Ich kann nicht darüber reden, ohne undankbar genannt zu werden.