Diagnose Brustkrebs

Dreifach-Mama Nicole Wagner: "Ein Jahr nach der Therapie kamen die Zwillinge"

Nicole Wagner erkrankte mit 33 Jahren an Brustkrebs – und wurde kurz nach der überstandenen Therapie erneut Mama. Eine Geschichte, die Mut macht.

Ich bin Nicole, und ich bin mit 33 Jahren an triple-negativem Brustkrebs erkrankt. Zwei Tage vor unserer kirchlichen Trauung war ich bei meiner Gynäkologin zur halbjährlichen Vorsorge – alles unauffällig. Keine drei Monate später habe ich den Tumor in meiner Brust ertastet.

Durch Zufall kam alles raus

Ich habe den Tumor in meiner rechten Brust selbst ertastet. Aber nicht beim regelmäßigen Selbstabtasten der Brust, sondern es war Zufall. Es war in einer kalten Novembernacht. Mein Mann schläft bei Wind und Wetter mit geöffnetem Fenster - ich hatte so gefroren, dass ich meine Arme unter den Achseln verschränkt hatte und dabei fiel mir der erbsengroße Knubbel auf. Ich habe in diesem Moment nicht an Krebs gedacht. Viele Frauen und vor allem jungen Frauen gehen nicht davon aus, dass die Krankheit sie treffen könne. Ich hatte Glück, dass ich kleine Brüste habe. Frauen mit einer größeren Brust hätten den Tumor in dieser Größe möglicherweise nicht einfach so durch Zufall spüren können. 

Die Diagnose traf meine ganze Familie

Zwischen dem Ertasten des Knubbels und der Diagnose Brustkrebs sind 14 Tage vergangen. Mein Mann war beim Gespräch dabei, als ich das Ergebnis der Biopsie (Gewebeprobe) erhalten habe. Die Diagnose hat meinen Mann sehr getroffen. Vermutlich mehr als mich selbst. Die sofortige Frage von ihm an den Arzt, wie die Prognose denn wäre, zeigt wohl deutlich, welche Gedanken einem in diesen Moment durch den Kopf schießen. Hingegen war meine erste Frage, ob ich meine Haare verlieren würde - als wäre es in diesem Augenblick das Wichtigste gewesen.

Am schwersten fiel es mir, es meinen Eltern zu sagen. Die Vorstellung, dass das eigene Kind an Krebs erkrankt, ist wohl nicht in Worte zu fassen. Ich konnte ihnen nicht sagen, dass ich durch den triple-negativen Brustkrebs eine Hochrisikoerkrankung habe, an der ich vielleicht sterben könnte. Ich konnte die Krebserkrankung nicht verharmlosen, aber ich habe beispielsweise das schwere Wort Chemotherapie immer durch Infusion ersetzt. Dies gab mir ein wenig Leichtigkeit.

Ich wurde während der Therapie weder von meiner Familie noch von meinem Mann in Watte gepackt - auch nicht mit Glatze. Manchmal konnte ich es nicht so ganz verstehen, aber rückblickend bin ich ihnen sehr dankbar.

Krebs ist definitiv eine Familiendiagnose. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie war enorm. Wir wussten zu jeder Zeit, dass wir bedingungslose Unterstützung haben.

Aber nicht nur die Familie, auch unsere Freunde waren jederzeit für uns da.

Beruflich hatte ich Glück, dass mein Arbeitgeber und meine Kollegen sehr viel Verständnis gezeigt haben. Ich sollte mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche. Mir wurde versichert, dass ich keinen Nachteil haben werde, wenn ich zurückkehre. Das gab mir ein unheimlich gutes Gefühl. Sicherlich sollte dies selbstverständlich sein, aber das ist es leider nicht.

Wenn man sich in einer solch lebensbedrohlichen Situation befindet, ist es wichtig, dass das Umfeld so verständnisvoll reagiert. Man muss sich in dieser Zeit vollkommen auf sich und die Therapie konzentrieren.

Wer mir in der schweren Zeit Mut gemacht hat

So furchtbar es ist als junge Mama an Krebs zu erkranken, so dankbar waren wir, dass wir unseren Sohn hatten. Er hat mich gezwungen aufzustehen, keine negativen Gedanken zuzulassen und das Schicksal mit großer Dankbarkeit und Leichtigkeit anzunehmen.

Natürlich hat man Ängste und Gedanken, die einen nicht loslassen als Mama. Man hat Verantwortung für dieses kleine Leben und nun weiß man nicht, ob man dieses Leben begleiten darf. Jeden Abend, als ich unseren Sohn ins Bett gebracht habe, habe ich ihm versprochen immer für ihn da zu sein und auf ihn aufzupassen - egal was passiert. Unser Sohn hatte schon immer ein enges Verhältnis sowohl zu mir als auch zu meinem Mann. Manchmal, wenn die beiden viel Quatsch gemacht und so herzlich gelacht haben, gab es mir ein ruhiges und wohliges Gefühl im Inneren. Ich wusste, die würden auch ohne mich klarkommen.

Die Normalität aufrechterhalten – so gut es geht

Wir haben ganz normal weitergelebt und das war das Wichtigste. Natürlich hätte mein Mann sich krankschreiben oder beurlauben lassen können, aber es war für uns wichtig, dass alles seinen normalen Weg geht - insbesondere auch für unseren Sohn. Mein Mann hat mich vor der Arbeit am Krankenhaus abgesetzt und die Familie hat sich für die Stunden der Chemotherapie und Blutkontrollen um unseren Sohn gekümmert.

Bis zur Pandemie hat mein Mann mich gezwungen, weiter mit ihm Cafés und Restaurants zu besuchen und durch die Stadt zu bummeln - das genießen wir bis heute. Ich liebe außerdem seinen Sinn für Humor, welchen er während der Therapie definitiv nicht verloren hat. Vielleicht ist uns dadurch gelungen, etwas Abstand zu der Krebserkrankung zu gewinnen.

Mein Mann hat mich nahezu die ganze Zeit mit seinem starken Optimismus angesteckt und mir immer das Gefühl gegeben, ich bleibe seine Nici.

So habe ich es meinem Kind erklärt

Insgesamt habe ich die Therapie relativ gut verkraftet. Ich habe fünf Monate wöchentlich eine Chemotherapie bekommen, wurde anschließend operiert und nach der OP noch fast einen Monat jeden Tag bestrahlt. Nur wenn es sein musste, war ich von unserem Sohn getrennt. Er hat mir so viel Kraft gegeben und ich wollte jeden Moment mit ihm genießen.

Unser Sohn war damals 14 Monate alt. Ich war sehr froh, dass wir es ihm noch nicht erklären mussten. Wir sind der Meinung, dass er nicht viel von der Erkrankung mitbekommen hat. Kinder sind sehr feinfühlig und sensibler als man oft denkt. Sie nehmen auch sicherlich Schwingungen wahr, die man als Erwachsener nicht bewusst ausstrahlt. Aber wir haben uns bemüht, dieser herrschenden Schwere nicht so viel Raum zu geben.

Einen Tag vor der ersten Chemotherapie haben meine beste Freundin und meine Schwägerin mir die Haare abrasiert. Wir haben diesen Tag für uns mit einem anschließenden Ballettbesuch zelebriert. Die Vorstellung, dass ich eines Morgens aufwache und mir die Haare büschelweise rausziehen kann, hat mich panisch gemacht. Ich wollte dem Krebs zuvorkommen und der Krankheit nicht die Macht geben. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Reaktion unseres Sohnes. Ich glaube, er spürte die Aufregung und war deswegen zunächst etwas irritiert, wie Mama jetzt ausschaut. Aber dann nahm er mich in den Arm und ich war für ihn die Mama wie zuvor mit Haaren auch.

Mehr als vier Jahre später, Anfang Mai 2024, hatten wir ein Verdachtsmoment. Bei meiner jährlichen Nachsorge war die MRT-Untersuchung auffällig. Uns wurde der Boden unter den Füßen weggezogen, zum Glück diesmal nur für ein paar Tage. Es konnten im Nachgang keine Krebszellen festgestellt werden, aber ich befinde mich trotzdem wieder in einer engmaschigeren Kontrolle.
Meine ersten Gedanken in diesen Tagen der Unsicherheit waren jedoch, wie erkläre ich es meinem Sohn. Diesmal muss ich es ihm erklären, er ist nun fast sechs Jahre alt. Der Gedanke daran, bei seiner Einschulung mit Glatze zu sein, zerbrach mir mein Herz.

Ich stelle mir oft die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, es den Kindern zu sagen, dass Mama mal Krebs hatte. Ich denke, es wird sich spontan ergeben und dann werden wir es kindgerecht und altersentsprechend erklären.

Der Gedanke an ein weiteres Kind gab mir Hoffnung

Auch wenn wir zum Zeitpunkt der Diagnose bereits ein Kind hatten, beschäftigte mich von Anfang an die Frage der weiteren Familienplanung. Ich konnte das Thema während der Therapie gedanklich nicht für mich ruhen lassen. Meine Onkologin war schon ganz genervt von mir und sagte, ich sollte den Gedanken erstmal beiseiteschieben und mich nur auf mich konzentrieren. Ich sollte die Therapie nicht unterschätzen. Aber der Gedanke an ein weiteres Kind gab mir irgendwie Kraft und Hoffnung.

Fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen wie das Einfrieren von Eizellen und Eierstockgewebe kam für uns nicht in Frage. Zum einen blieb nicht viel Zeit, denn die Chemotherapie sollte wegen des höchst aggressiven Tumors so schnell wie möglich beginnen, und zum anderen wussten wir aus unserem Freundeskreis, wie belastend eine künstliche Befruchtung sein kann. Wir hatten unseren Sohn und waren glücklich.

Mein Mann hat jedoch nie daran gezweifelt, dass wir weiterhin Kinder bekommen können. Er war in vielerlei Hinsicht einfach so optimistisch.

Ein Jahr nach der Therapie kamen die Zwillinge

Jede Mama kennt das unbeschreibliche Gefühl, wenn der erste Schwangerschaftstest positiv ist. Als ich meinen zweiten positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt, löste dieser mindestens die gleichen Gefühle aus. Als die Gynäkologin mir dann noch mitteilte, dass zwei Herzchen schlagen, konnten wir unser doppeltes Glück nicht fassen. Der Krebs ist schlagartig so sehr in den Hintergrund gerückt. Ein Jahr nach erfolgreich überstandener Therapie haben wir auf natürlichem Wege Zwillingsmädchen bekommen. 

Die Dankbarkeit ist enorm

Ich denke, dass wir jetzt ein ganz normales Leben führen wie jede andere Familie auch. Wir erfreuen uns an kleinen Dingen und liegen genauso abends erschöpft vom Tag auf dem Sofa. Wenn etwas Missliches passiert, ärgern wir uns, sagen uns dann aber ganz oft, dass wir schon ganz andere Dinge gemeistert haben. Ich habe den Eindruck, dass die Beziehung innerhalb der Familie und zu vielen Freunden noch enger geworden ist. Zu wissen, dass sich das Leben von jetzt auf gleich schlagartig ändern kann, bedeutet für uns nicht nur Angst, sondern auch große Dankbarkeit, das Leben manchmal mit anderen Augen zu sehen.

Wir haben die Erkrankung gemeinsam gut bewältigt und einen guten Umgang damit gefunden, aber so ein Verdachtsmoment - wie wir ihn vier Jahre später hatten - lässt einen wieder erden und zeigt, dass die Diagnose einen ein Leben lang begleiten wird. Wir sind uns aber einig, wenn der Krebs wiederkommen sollte, dann machen wir alles genauso wie damals - wenn nicht sogar noch besser.

Warum Vorsorge so wichtig ist

Eine gezielte Brustkrebsfrüherkennung beginnt in Deutschland erst ab dem 50. Lebensjahr. Es erkranken aber immer mehr junge Frauen an Brustkrebs. Ich möchte somit jeder jungen Frau ans Herz legen, regelmäßige Vorsorgetermine wahrzunehmen und was noch viel wichtiger ist, auf sich selbst zu achten. Durch ein regelmäßiges monatliches Abtasten der Brüste, können Veränderungen rechtzeitig erkannt und möglicherweise behandelt werden. Insbesondere während der Schwangerschaft und Stillzeit verändert sich die Brust und man sollte da ebenfalls wachsam sein, auch wenn man vielleicht nicht den Kopf als junge Mama dafür hat. Wäre der Tumor in meiner Brust erst bei der regelmäßigen Vorsorge aufgefallen, wäre es wahrscheinlich zu spät für einen erfolgreichen Therapieverlauf gewesen.

Durch meine Erkrankung konnte ich in meinem Freundeskreis das Bewusstsein für dieses wichtige Thema schaffen. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn meine Freundinnen ihren Freundinnen von mir erzählen und sich daraufhin junge Frauen zum ersten Mal ihre Brüste abtasten. 

"Scan to Take Care" – ein Aufruf zur Vorsorge

Um die Bedeutung von Vorsorge noch stärker ins Bewusstsein zu rufen, wurde die Kampagne "Scan to Take Care" ins Leben gerufen. Über einen QR-Code können Frauen die kostenlose breastcare App herunterladen. Die App informiert nicht nur über Präventionsangebote, sondern sensibilisiert Frauen dafür, wie wichtig regelmäßige Vorsorge ist und unterstützt dabei, ein neues Bewusstsein für die Brust zu entwickeln. Der Gedanke dahinter: Umso eher Brustkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. 

Mehr Informationen gibt es unter "Pink Ribbon Deutschland"