Damit das Kind den neuen Partner akzeptiert, sollte einiges beachtet werden. © Foto: Getty Images
Damit das Kind den neuen Partner akzeptiert, sollte einiges beachtet werden.

Tanja ist ratlos, als sie zu Familientherapeutin Barbara Nagler in die Sprechstunde kommt: "Ich weiß gar nicht, was ich noch machen soll. Meine Kleine zerlegt alles, was sie in die Finger bekommt. Ihr Spielzeug, Vasen, Bücher – nichts ist mehr vor ihr sicher!" Nathalie ist vier Jahre alt. Ein quirliges, aufgewecktes Mädchen, das gerne in den Kindergarten geht. Niemand versteht, warum sie so reagiert.

Wer spielt welche Rolle?

Um die momentane Situation in der Familie besser zu verstehen, bittet die Therapeutin die Mutter, kleine Edelsteine stellvertretend für die Mitglieder ihrer Familie aufzustellen. Da kommen die beiden auf den Punkt: Tanjas neuer Partner ist die Ursache von Nathalies Aggressionen. "Warum nur? Wir sind doch so glücklich", fragt sich Tanja verzweifelt. Und ihr Baby, die achtmonatige Susanna, hat doch auch keine Probleme mit dem Neuen an Mamas Seite.
Hannes, ihr neuer Lebensgefährte, scheint ihr wie ein Sechser im Lotto. Ihr Mann, Nathalies und Susannas Vater, ist vor Kurzem ausgezogen. Nach zehn Jahren Ehe hat er sich Hals über Kopf in eine andere verliebt – zu allem Überfluss in Tanjas beste Freundin. Auch die Kinder kennen sich gut. Mann weg, Freundin weg, Spielgefährtin der Töchter weg – dicker kann es kaum kommen. Tanjas Selbstbewusstsein ist im Keller. Die neue Liebe gibt ihr wieder Schwung. Nach vier Monaten schon zieht Hannes bei Tanja ein. Das Glück scheint perfekt – doch für Nathalie ist alles zu viel. Denn für Kinder stellt sich die Situation ganz anders als für die Erwachsenen dar.

Eine schwierige Situation für das Kind

Während für die Mutter die Familie endlich wieder komplett ist, empfindet die große Tochter Mamas Neuen erst einmal als Bedrohung. Zum einen ist er für das Kind ein Rivale, weil es mit ihm die Zuwendung von Mama teilen muss. Außerdem will das Kind, dass Mama und Papa wieder zusammenkommen. Manche Kinder glauben sogar, sie sind "zuständig" dafür, die Ehe der Eltern zu schützen. Findet die Mama aber einen neuen Partner, zieht sie gar mit ihm zusammen, kann das Kind seinen Auftrag nicht mehr erfüllen. Es trudelt in einen Wust von Gefühlen. Kein Wunder, wenn es aus der Rolle fällt, erklärt Barbara Nagler.

Die Rolle des Ersatz-Vaters

Viele Alleinerziehende sehnen sich nach einem Partner, der sie entlastet, mit ihnen die große Verantwortung teilt. Ein verständlicher Wunsch, wenn man Tag und Nacht allein für die Kleinen zuständig ist. Aber er kann nur zum Teil in Erfüllung gehen. Therapeutin Nagler: "Der neue Partner wird nie der Vater der Kinder werden – höchstens ein Freund. Denn die Kinder haben ja einen Vater, selbst, wenn dieser sich für sie nicht verantwortlich fühlt, sich nicht oder nur wenig um sie kümmert. Frauen, die den Neuen unbewusst oder bewusst in die Rolle des Ersatz-Vaters drängen, überfordern ihn heillos." Da hilft nur eines: sich von der Vorstellung zu trennen, so schmerzhaft das auch sein mag.

So kann’s im Alltag aussehen

Der Neue ist der Freund der Mutter, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Große nennt den Freund der Mutter beim Vornamen. Papa heißt nur der leibliche Vater. Will dieser keinen Kontakt, erklärt die Mutter dem Kind: "Du hast einen Papa. Der meldet sich leider momentan nicht." 
Der neue Partner kann nicht sofort für die Erziehung der Kinder mit zuständig sein. Er kann die Familie aber trotzdem entlasten, indem er zum Beispiel abspült, während Mama den Nachwuchs ins Bett bringt. 
Ganz wichtig ist, dem Kind und dem Neuen Zeit zu lassen, sich kennen zu lernen und einander näher zu kommen. Trefft euch nach Möglichkeit vor allem abends, wenn die Kinder schon im Bett sind. Bleibt er über Nacht, kündige deinen Kindern besser vorher an, dass er am nächsten Morgen noch da sein könnte. 
Warte mit dem Zusammenziehen. Kinder müssen die Möglichkeit haben, allein zu sein und auch mal auszurasten, wenn sie die Trennung von Mama und Papa zu sehr belastet. Und mache dich darauf gefasst: Selbst wenn das Kleine den Freund akzeptiert hat, kann es schwierig werden, sobald sie zusammenwohnen.

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