
"Ich kann meinen Job eigentlich gar nicht."
"Ich bin meiner Aufgabe als Mutter nicht gewachsen."
"Bald werden alle merken, dass ich in Wirklichkeit nichts drauf habe."
"Meine Erfolge? Alle Zufall."
"Alle anderen können es besser als ich."
Selbstvorwürfe und toxische Gedanken wie diese quälen viele Frauen – vor allem Mütter. Eine aktuelle Studie ergab: Eine von drei Müttern leidet unter dem sogenannten Mom-Imposter-Syndrom – das heißt, sie glauben, nicht gut genug und ihrer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Junge Mütter sind davon besonders betroffen: Die Plattform hellobetter.de fand heraus, dass 35 Prozent der Mütter unter 35 glauben, den Ansprüchen der Mutterschaft nicht zu genügen. Über alle Generationen hinweg sind es 22 Prozent. Die Betroffenen gaben an, hohe Erwartungen an ihre Leistung im Job, als Partnerin und im Privatleben zu haben. Mental Load ist die Folge.
Was ist das Imposter-Syndrom?
- Menschen mit Imposter-Syndrom halten sich für Hochstapler. Sie glauben, ihr Erfolg beruht nur auf Glück und Zufall.
- Betroffene leiden unter Versagensängsten und fürchten, dass ihre vermeintliche Inkompetenz jeden Moment auffliegen könnte.
- Vor allem Frauen und Mütter sind anfällig für Selbstzweifel.
Selbstzweifel in Maßen sind sinnvoll und gesund, weil wir uns nur so kritisch hinterfragen und reflektieren. Das Imposter-Syndrom geht jedoch weiter: Wer unter dem sogenannten Hochstapler-Syndrom leidet, stellt seine eigenen Fähigkeiten und Leistungen nahezu permanent in Frage und hat das Gefühl, alle Erfolge würden nur auf Glück und nicht auf Können beruhen.
Die Folge: Die betroffenen Frauen setzen sich unter Druck und versuchen, noch mehr zu leisten, noch besser zu sein, sich noch mehr Mühe zu geben. Dabei gehen sie schnell über ihre eigenen Grenzen hinweg, lassen ihr Wohlbefinden außer Acht und verlieren die eigenen Bedürfnisse aus den Augen.
Frauen mit Imposter-Syndrom sind oft erfolgreich, leistungsbereit und opfern sich bis zur Erschöpfung auf. Die eigenen Bedürfnisse bleiben oft auf der Strecke.
Überforderung, Burn-out oder Panikattacken können die Folge sein. Da die Imposter-Geplagten ständig Angst haben, ihre vermeintliche Unfähigkeit könnte auffliegen, schrauben sie die Ansprüche an sich selbst ins Unermessliche und setzen sich durch ihren Perfektionismus selbst unter Druck. Es fällt ihnen schwer, Lob anzunehmen und sich über Erfolge zu freuen. Laut Studie tragen 40 Prozent der Mütter unter 35 Sorge, aufgrund der hohen Belastung psychisch zu erkranken.
Viele Betroffene geben an, schon im Elternhaus hohen Erwartungsdruck und viel Kritik erlebt zu haben. Das muss zwar nicht zwangsläufig zum Hochstapler-Gefühl führen, kann jedoch Einfluss haben.
Als psychische Erkrankung gilt das Imposter-Syndrom nicht, sondern vielmehr als Persönlichkeitsmerkmal. Die Betroffenen fühlen sich in ihrer Rolle (als Mutter) fehl am Platz und leiden unter permanenten Versagensängsten.
Warum besonders Mütter häufig betroffen sind
Verstärkt wird das Ganze durch ständiges Vergleichen mit dem Umfeld. Egal ob auf dem Spielplatz, in der Kita oder im Freundeskreis: Es gibt immer Mütter, mit denen wir uns vergleichen. Menschen mit dem Mom-Imposter-Syndrom glauben dann schnell zu erkennen, mit anderen Müttern nicht mithalten zu können: Diese und jene Mama kocht jeden Tag frisch. Ist immer so gut gestylt. Organisiert jedes Wochenende tolle Ausflüge. Und alle anderen Kindern können schon besser sprechen/sind schon trocken/haben nie so heftige Wutanfälle. Die Schlussfolgerung liegt nahe: Die anderen Mütter müssen es also viel besser draufhaben als ich.
Auch wenn Vergleiche normal und unumgänglich sind, ziehen Frauen mit Imposter-Syndrom daraus schnell ein Minderwertigkeitsgefühl und erlangen die toxische Überzeugung, nicht gut genug zu sein.
Die sozialen Medien sind für Selbstzweifel ein idealer Nährboden. Auch wenn wir genau wissen, dass die Bilder der Momfluencerinnen retuschiert sind, sie nur Ausschnitte aus ihrem scheinbar perfekten Leben zeigen, haben sie Einfluss auf unsere Psyche. Die Scheinwelt erzeugt ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit. Das untermauert auch die Studie: 24 Prozent der Mütter unter 35 gab an, durch den Vergleich bei Instagram und Co. an sich zu zweifeln.
Wege aus dem Mom-Imposter-Syndrom
Hilfe annehmen
Viele Mütter glauben, alles allein schaffen zu müssen. Die anderen können das doch schließlich auch, oder? Quatsch! Jede helfende Hand ist Gold wert, und wer um Unterstützung bittet oder das Kind mal bei Oma und Opa abgibt, um Zeit für sich zu haben, zeigt keine Schwäche, sondern erkennt die eigenen Grenzen an.
Die eigenen Stärken festhalten
Wer seine Erfolge beispielsweise in einem Tagebuch notiert, kann sie in schlechten Momenten jederzeit nachlesen und hat so schwarz auf weiß einen Beweis für die eigenen Fähigkeiten.
Andere Perspektiven einnehmen
Wie würde ich meine Leistung von außen betrachten? Was sehen andere? Vermutlich eine liebevolle Mutter, die für ihr Kind alles gibt. Wer sich selbst aus der Vogelperspektive betrachtet, gewinnt eine andere Sicht auf sich selbst.
Rückhalt suchen
Austausch mit anderen tut gut. Wer mit dem Partner, der Familie, anderen Müttern über das Gefühl, nicht gut genug zu sein, spricht, kann damit eine Last loswerden. Oft zeigt sich: Man ist nicht allein.
Nach Feedback fragen
Wer das Selbstbild mit der Wahrnehmung durch Außenstehende abgleicht, erkennt, dass andere einen ganz anders sehen als man sich selbst. Das kann dabei helfen, die eigene Meinung zu korrigieren. Mit "Fishing for Compliments" hat das nichts zu tun. Es geht um eine ehrliche Bewertung.
Das Imposter-Syndrom in der Wissenschaft
Erstmals wurde das Imposter-Syndrom in den Siebzigerjahren von den Wissenschaftlerinnen Dr. Pauline R. Clance und Dr. Suzanne A. Imes in einem Artikel erwähnt. Sie befragten 150 erfolgreiche Frauen mit ausgezeichneten beruflichen Leistungen. Die Studie ergab, dass Frauen mit Imposter-Syndrom trotz herausragender Erfolge glauben, nicht klug zu sein und alle getäuscht zu haben.
2011 fanden die Forscher Jaruwan Sakulku und James Alexander heraus, dass 70 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens Bekanntschaft mit diesem Syndrom machen. Frauen gelten im Allgemeinen als anfälliger dafür als Männer.
Quellen: hellobetter.de, Spektrum Psychologie