
Auch in den besten Familien liegen mal die Nerven blank. Wenn das Kind haut, schubst, beißt, spuckt oder auf andere Weise wütet, dann kann es für Eltern eine Herausforderung sein, die Ruhe zu bewahren. Und weil wir wissen, dass Kinder nicht aus bösem Willen agieren, wollen wir ihnen für ihr Verhalten keine Vorwürfe machen. Wir wollen ihnen liebevoll und verständnisvoll begegnen – auch wenn wir in Wirklichkeit gerade extrem genervt sind. Aus dieser emotionalen Gemengelage heraus sagen wir oftmals Dinge, die zwar gut gemeint sind, aber dennoch nach hinten losgehen können ...
Die Macht der Sprache
In solchen Stresssituationen sind Eltern oft hin- und hergerissen. Wir wollen unserem Kind einerseits versichern, dass wir es natürlich lieben – und dass wir andererseits nicht glücklich über sein Verhalten sind. Heraus kommen dann mitunter etwas ungeschickte Beteuerungen wie:
"Ich hab dich lieb, aber …"
Wie der Satz endet ("..., aber ich will nicht, dass du mich haust", "..., aber du darfst deine Schwester nicht ärgern"), spielt erst mal keine Rolle. Denn die Botschaft die beim Kind ankommt, ist sowieso eine andere.
Obwohl es zunächst wie ein liebevoller Ansatz wirkt, da die Kritik in positive Worte gehüllt wird, können Kinder durch einen solchen Satz in Wahrheit den Eindruck gewinnen, dass elterliche Zuneigung an Bedingungen geknüpft ist. Und das ist problematisch.
Die Formulierung "Wir lieben dich, aber …" kann in einem verletzlichen Moment das falsche Signal senden.
Die versteckte Botschaft hinter dem "Aber"
"Was Eltern damit erreichen, ist, dass sie ihrem Kind sagen, dass ihre Liebe an Bedingungen geknüpft ist", erklärt Dr. Stacy Doumas, Kinder- und Jugendpsychiaterin bei Hackensack Meridian Health, gegenüber "HuffPost". "Indem sie das Wort 'aber' einsetzen, signalisieren sie, dass es eine Ausnahme in Bezug auf ihre Liebe gibt."
Sie rät dazu, den Satz "Ich liebe dich" immer mit einem Punkt zu beenden, um dem Kind zu vermitteln, dass die Liebe bedingungslos ist. "Wenn ein Kind das Gefühl hat, dass die Liebe seiner Eltern an Bedingungen geknüpft ist, kann das zu einem geringen Selbstwertgefühl, Unsicherheit, Angst und Vertrauensproblemen führen und sich auf seine späteren Beziehungen auswirken", so die Expertin.
Wachsen Kinder in der bedingungslosen Liebe ihrer Eltern auf, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie psychisch und physisch gesunde Erwachsene werden. Gerade wenn Kinder von großen Gefühlen überwältigt werden, ist es besonders wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie ihre Emotionen in Worte fassen dürfen, ohne Angst haben zu müssen, die Geborgenheit und Unterstützung ihrer Eltern zu verlieren.
Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern ihre Liebe immer wieder aufs Neue versichern – auch wenn sich das Kind falsch verhalten hat.
Wenn wir uns bewusst machen, wie schnell ein vermeintlich liebevoller Satz eine negative Botschaft senden kann, fällt es leichter, darauf zu achten und stattdessen die bedingungslose Liebe in den Vordergrund stellen – um den Kindern so die Sicherheit und Geborgenheit zu geben, die sie für ein starkes Selbstwertgefühl und eine gesunde Entwicklung brauchen.