Alte Muster durchbrechen

3 typische Aussagen von Menschen, die von ihren Eltern nicht bedingungslos geliebt wurden

Grenzenlose Liebe – nicht weniger als das wollen wir unseren Kindern schenken. Doch was, wenn wir diese Liebe in der Kindheit selbst nicht erfahren haben? Wie es sich auf die Erziehung auswirkt, wenn Eltern als Kind nicht bedingungslos geliebt wurden ...

Kleinkind mit Wasserball im Garten© iStock/Shanina
Bedingungslose Liebe in der Kindheit prägt uns fürs Leben.

Manche Erfahrungen aus der Kindheit haben lange Nachwirkungen und bestimmen unser Verhalten auch noch im Erwachsenenalter. Bei der Erziehung der eigenen Kinder brechen sich verdrängte Bedürfnisse und Gefühle oft mit aller Macht Bahn – und das, obwohl wir doch eigentlich alles besser machen wollen.

"Viele Eltern sind heute sehr verunsichert. Sie möchten mit ihren Kindern anders umgehen, als sie das selbst erlebt haben und merken doch immer wieder, wie in Stresssituationen alte Muster aktiviert werden", weiß Fabian Grolimund, Psychologe und Autor ("Ich liebe dich, so wie du bist: Die Gefühle unserer Kinder verstehen, annehmen und liebevoll begleiten"). Er betont jedoch: "Wichtig ist der Gedanke, dass wir für unsere Kinder keine 'perfekten Eltern' sein müssen, sondern gemeinsam mit unseren Kindern wachsen und lernen dürfen."

Alle Eltern sind geprägt durch Erlebnisse aus ihrer eigenen Kindheit. Manche Erfahrungen beeinflussen unser Verhalten auch noch im Erwachsenenalter – zum Beispiel, wenn Eltern als Kind selbst keine bedingungslose Liebe erfahren haben.

Fabian Grolimund erklärt das so: "Das Gegenteil wäre eine an Bedingungen geknüpfte Liebe: Das Kind registriert in diesem Fall, dass es sich die Liebe der Eltern verdienen muss, indem es sich an ihre Vorstellungen anpasst."

3 typische Aussagen von Erwachsenen, die in der Kindheit keine bedingungslose Liebe erlebt haben:

  • "Ich wurde vor allem dann geliebt, wenn ich Leistung gezeigt habe. Auch heute habe ich noch ständig das Gefühl, mich beweisen zu müssen. Wenn ich einen Misserfolg erlebe oder Fehler mache, fühle ich mich schnell wertlos und als Versager."
  • "Ich kann nicht nein sagen, obwohl mir alles zu viel ist. In meiner Kindheit habe ich vor allem dann Zuwendung erhalten, wenn ich mich nützlich gemacht und für andere aufgeopfert habe. Sobald ich mich ausruhe oder nichts tue, ist da diese innere Unruhe: Ich fühle mich nutzlos und beginne an mir zu zweifeln."
  • "Ich war meinen Eltern immer zu laut und zu wild. Das hat ihrer Vorstellung einer Tochter einfach nicht entsprochen. Meine Schwester war die Ruhige, die Vernünftige. Ich kann immer noch hören, wie meine Mutter seufzt und sagt: ‚Warum kannst du nicht ein bisschen mehr so sein wie deine Schwester?‘. Das hat mich als Kind sehr verletzt. Ich habe mich immer als das schwarze Schaf gefühlt."

Das eigene Verhalten reflektieren

Wichtig ist nun, den Teufelskreis zu durchbrechen und die Verletzungen aus der Kindheit nicht an die eigenen Kinder weiterzugeben. Dies geschieht vor allem in Situationen, in denen Eltern sich von ihren Kindern getriggert fühlen und dadurch in gelernte Muster zurückfallen. Hilfreich ist dann, die Situation im Nachhinein Revue passieren zu lassen. "Was ist genau passiert? Warum hat mich das so aus der Fassung gebracht? Hat sich das Kind tatsächlich so daneben benommen? Oder hat das irgendeine alte Wunde aus meiner eigenen Kindheit berührt, um die ich mich kümmern möchte?", so der Experte.

Es gibt auch kein "Zuviel" an bedingungsloser Liebe – denn alle Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse. "Manche Kinder und Jugendliche haben jedoch sehr schnell das Gefühl, sich die Liebe ihrer Eltern verdienen zu müssen, obwohl das vielleicht gar nicht stimmt. Sie haben Angst, ihre Eltern zu enttäuschen, wenn sie eine schlechte Note schreiben oder fühlen sich als Versager und brechen in Tränen aus, wenn ihnen etwas nicht gelingt. Sie brauchen stärker als andere die Botschaft, dass sie auch dann geliebt werden, wenn sie Fehler machen, Misserfolge erleben oder mit einer Schwäche konfrontiert werden", erklärt Fabian Grolimund.

Umdenken verlangt Eltern viel ab

Auch wenn es um das Thema Strafen geht, machen sich oft in der Kindheit erlernte Muster bemerkbar. "Viele Eltern haben heute den Wunsch, auf Strafen zu verzichten. Sie möchten, dass ihr Kind sich respektvoll verhält und freundlich mit anderen umgeht, weil es sich in andere einfühlen kann und einsieht, dass bestimmte Regeln wichtig sind. Sie wünschen sich, dass sich das Kind in der Schule bemüht und sich auf das Lernen einlässt, weil es sich für die Inhalte interessiert oder Ziele verfolgt, die ihm wichtig sind – und nicht, weil es negative Konsequenzen fürchtet", so der Psychologe.

Dies verlangt Eltern jedoch oft sehr viel ab: "Es ist viel anspruchsvoller, diese Ziele zu erreichen, wenn wir auf Strafen und Angst als Mittel verzichten. Es bedingt, dass wir unseren Kindern mehr zuhören, uns stärker in sie einfühlen, Zugang zu unseren eigenen Gefühlen haben und diese angemessen mitteilen können. Gerade wenn wir selbst eher mit Belohnung und Bestrafung aufgewachsen sind, ist es anspruchsvoll, neue Wege zu entdecken und damit genügend Sicherheit zu gewinnen."