Erziehung

Co-Regulation: Wie Eltern ihren Kindern helfen, ihre Gefühle zu verstehen

Co-Regulation hilft Kindern dabei, ihre Emotionen zu verstehen und gesund mit ihnen umzugehen. Wir erklären, was hinter diesem Konzept steckt und wie es Eltern gelingt, Gefühlsstürme wirksam zu begleiten.

Mutter tröstet ihren Sohn.© iStock/Evrymmnt
Co-Regulation hilft Kindern, besser mit ihren Gefühlen fertigzuwerden. 

"Ist ja auch gar nicht so einfach mit einem Dreijährigen", sinnierte letztens unser Nachbar, selbst zweifacher Opa, während er meinem Sohn beim Spielen im Sandkasten zusah. "Da muss man ja ständig co-regulieren." Ich nickte beflissen. Einerseits, weil ich mich sehr verstanden fühlte, und andererseits, weil ich ein wenig beeindruckt war, dass sich dieses Wort offenbar schon in der Großeltern-Generation herumgesprochen hat. Tatsächlich: Co-Regulation ist in aller Munde. 

Was bedeutet Co-Regulation?

In jedem Erziehungsratgeber, der etwas auf sich hält, taucht dieser Begriff mit Sicherheit auf. Doch was heißt das eigentlich: co-regulieren? 

Platt gesagt: So etwas wie trösten und beruhigen, nur eben eine Ebene höher.

Co-Regulation ist ein Begriff aus der Psychologie. Die Theorie dahinter stützt sich auf die These, dass unsere Emotionen ständig im Fluss sind und von den Verhaltensweisen unseres Gegenübers abhängen. Eine wirksame Co-Regulation soll die emotionalen Belastungen verringern. 

Die Grundlage der Co-Regulation in der Erziehung stammt aus der Bindungstheorie, die von John Bowlby in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt wurde. Bowlby argumentierte, dass die Qualität der Bindung zwischen Eltern und Kindern entscheidend für die emotionale Entwicklung und das Wohlbefinden eines Kindes ist. Er betonte die Bedeutung von sicheren Bindungen, in denen Eltern auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen und ihnen Sicherheit, Trost und Unterstützung bieten.

So funktioniert die Erziehungsmethode

Auf Erziehung angewandt, heißt das: Die Eltern arbeiten mit ihren Kindern zusammen, um deren Emotionen, Verhalten und Reaktionen zu regulieren. Beispiel gefällig? Das Kind ist wütend oder frustriert, weil es nicht bekommt, was es will. Anstatt das Kind alleine mit seinen Emotionen zu lassen oder gar zu schimpfen, greifen Eltern aktiv ein, um dem Kind zu helfen, seine Emotionen zu regulieren. Das bedeutet, sie zeigen ihm, wie es mit seinen großen Gefühlen umgehen kann und unterstützen es, sie in Worte zu fassen. So versteht das Kind besser, was es gerade durchmacht. 

Die Eltern können dem Kind auch Alternativen aufzeigen, wie es mit seiner Frustration umgehen kann, zum Beispiel indem es sich ein anderes Spielzeug sucht, tief durchatmet, in ein Kissen boxt oder wie es seine Gefühle auf gesunde Art ausdrückt.

Eltern helfen ihren Kindern also, ihre Emotionen zu erkennen, zu verstehen und zu kontrollieren, indem sie ihnen Unterstützung, Anleitung und positive Beispiele geben. 

In der bindungs- und bedürfnisorientierten Erziehung spielt Co-Regulation eine große Rolle. Sie fördert eine gesunde Bindung zwischen Eltern und Kindern und hilft Kindern, Selbstregulierungsfähigkeiten zu entwickeln, die ihnen im späteren Leben helfen können.

Der Hype um Co-Regulation

Die US-Erziehungsexpertin und Bestseller-Autorin Hunter Clarke-Fields sagt, die Fähigkeit eines Kindes zur Selbstregulation sei der "heilige Gral der Erziehung" und könne nur durch Co-Regulation einer Bindungsperson erreicht werden. Die Entwicklungspsychologin Aliza Pressman betrachtet Co-Regulation als das Fundament menschlicher Beziehungen. Die Wissenschaft ist sich also einig: Ohne Co-Regulieren läuft gar nichts.

Für Eltern heißt das: Die Gefühlsstürme ihrer Kinder mit Ruhe und Gelassenheit begleiten, nicht schreien, nicht selbst ausrasten, und auch nicht die Flucht ergreifen. Das ist anstrengend, kann an die Substanz gehen, und für viele ist es zudem ungewohnt, weil sie selbst in ihrer Kindheit womöglich nicht gelernt haben, dass alle Gefühle erlaubt sind. 

Die eigenen Gefühle in den Griff bekommen

Selbst ruhig zu bleiben, wenn sich das Kind die Seele aus dem Leib schreibt, ist wahrlich nicht einfach. Weil es vielleicht schon der dritte Wutanfall in einer Stunde ist. Oder weil wir einfach keinen Schimmer haben, was das Baby oder Kleinkind gerade eigentlich braucht. Damit Eltern ihre Kinder wirkungsvoll durch ihre großen Gefühle begleiten können, ist jedoch entscheidend, dass sie ihre eigenen Emotionen in den Griff bekommen. Anders ausgedrückt: Sie müssen erst ihr eigenes Nervensystem regulieren, bevor sie ihrem Kind helfen können, sich zu beruhigen. Die Liste der Tipps dafür ist lang: Atemübungen, Beschwörungsformeln, eine Hand aufs Herz legen, mit einem Finger aufs Schlüsselbein klopfen, kaltes Wasser ins Gesicht spritzen, ans offene Fenster stellen, den Partner um Hilfe bitten. Am wichtigsten ist jedoch, die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu akzeptieren. Leichter gesagt als getan. Mit etwas Übung und Geduld klappt es jedoch mit der Zeit immer besser.

Die gute Nachricht: Zwischen drei und fünf Jahren können einige Kinder ihre Gefühle schon recht gut selbst regulieren. Je besser ihre Eltern sie auf diesem Weg begleiten, desto schneller gelingt es ihnen selbstständig.