Zu viele Vorschriften

Mikromanagement in der Erziehung: Wie Eltern ihren Kindern durch ständiges Gängeln schaden

Wenn Eltern ihren Kindern zu wenig Freiraum für eigene Entscheidungen lassen, führt dies häufig zu Frust und Widerstand. Wie sich der Teufelskreis durchbrechen lässt ...

Mutter zieht ihrem Sohn die Socken an.© iStock/Halfpoint
Wenn Eltern alle Lebensbereiche ihrer Kinder kontrollieren, führt das oft zu Frust.

Tu dies, lass das, Halt, Stopp, leg das weg. Hallo, Befehlston! Im Alltag mit Kindern sprechen Eltern – allen guten Vorsätzen zum Trotz – das Wörtchen Nein an manchen Tagen öfter aus als ihnen lieb ist ...

Verbote und Vorschriften hinterfragen

Wohl alle Eltern kennen die Situationen, in denen wir plötzlich ein wahres Befehls-Feuerwerk abbrennen. Nein, den Kuchen bitte nicht auf dem Sofa zerbröseln. Nein, auf dem Teppich auch nicht. Nein, die Schokoladenhände bitte nicht an Mamas Hose abwischen. Und nein, es gibt jetzt nicht noch ein Stück. Und zack – gefühlt hundert Neins pro Minute.

Klar: Kinder brauchen Regeln, und es ist die Aufgabe der Eltern, dafür zu sorgen, dass bestimmte Regeln auch eingehalten werden – auch wenn das Kind lautstark seinen Unmut kundtut.

Nur manchmal passiert es, dass wir dabei übers Ziel hinausschießen. Wer Kindern zu kleinteilig vorschreibt, was sie zu tun oder so lassen haben, betreibt Mikromanagement. Doch wenn sich Kinder ständig gegängelt fühlen, kann dies negative Auswirkungen haben. Bevormundung erzeugt Frust – und Kinder entwickeln oft ganz unterschiedliche Strategien, um damit umzugehen. Es ist daher sinnvoll, wenn Eltern Vorschriften und Verbote kritisch hinterfragen.

Was ist Mikromanagement?

Der Begriff Mikromanagement stammt ursprünglich aus der Wirtschaftswissenschaft und beschreibt einen Führungsstil, bei dem der Vorgesetzte sich stark in die Details und den Arbeitsprozess seiner Mitarbeiter einmischt. Dabei kontrolliert er jeden Schritt und trifft Entscheidungen bis ins kleinste Detail. Das Prinzip lässt sich auch auf Erziehung übertragen. 

Mikromanagement hat den Nachteil, dass es zu einem Mangel an Vertrauen und Motivation bei den Mitarbeitern – oder Kindern – führen kann, da sie das Gefühl haben, nicht eigenständig entscheiden zu dürfen. Experten empfehlen deshalb, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der genügend Freiraum gewährt, während gleichzeitig klare Ziele und Erwartungen gesetzt werden.

Anzeichen für Mikromanagement in der Erziehung

Kinder, die sich zu sehr gegängelt fühlen, verweigern oft …

… ihre Kleidung oder Schuhe anzuziehen

… zu essen

… aufs Töpfchen zu gehen

… zu schlafen

... Zähne zu putzen

… sich die Haare zu kämmen

Kinder kompensieren ihren Frust oftmals durch Verweigerung. Sie suchen sich Bereiche, in denen sie die volle Kontrolle ausüben und die Entscheidungen über ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Meist bezieht sich dies auf Tätigkeiten, auf die Eltern nur schlecht Einfluss nehmen können – wie eben zum Beispiel essen oder aufs Töpfchen gehen.

Mikromanagement in der Erziehung kann Auswirkungen bis ins Erwachsenenleben haben. Wer als Kind die Erfahrung gemacht hat, wenig Kontrolle zu haben, legt oft auch als Erwachsener einen ausgeprägten Widerspruchsgeist an den Tag und neigt dazu, sich nicht an Regeln zu halten, um ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu bekommen.

Schrittweise zu mehr Autonomie

Wenn Eltern das Gefühl haben, zu viel Mikromanagement zu betreiben, ist es sinnvoll, sich selbst zu fragen: In welchen Bereichen überlasse ich meinem Kind die Entscheidung?

Wem auf diese Frage kaum etwas einfällt, kann das ein Anzeichen dafür sehen, dass das Kind zu stark gegängelt wird.

Doch wie befreit man sich aus dem Teufelskreis?

Es kann in diesem Fall oft schon Wunder wirken, an kleinen Stellschrauben zu drehen. Wenn Kindern die Möglichkeit eingeräumt wird, selbst Entscheidungen zu treffen, verbessert dies die Eltern-Kind-Beziehung meist maßgeblich. Kinder spüren, wenn ihnen Vertrauen entgegengebracht wird, und das wiederum stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstkompetenz.

Liebevolle Führung statt starrer Regeln

Für den Anfang können kleine Alltagsentscheidungen völlig ausreichen. Das Kind darf beispielsweise aussuchen, was es anzieht, welchen Teller es benutzt, ob es lieber mit dem Fahrrad oder dem Roller zur Kita fahren möchte, auf welchen Spielplatz es gehen möchte, ob es vor oder nach dem Baden essen möchte ... Wenn Kinder sich gesehen und ernstgenommen fühlen, erhöht diese ihre Bereitschaft zu kooperieren oft enorm.

Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass Eltern alle Entscheidung aus der Hand geben sollten. Liebevolle Führung ist das Stichwort. Das letzte Wort haben Mama und Papa, und klare Regeln und Grenzen geben Kindern Halt und Orientierung. Doch dazwischen lassen sich immer wieder auch Räume finden, in denen Kinder selbst mitgestalten und mitentscheiden dürfen – und davon profitiert letztlich die ganze Familie.