Kurios!

So anders erziehen die Eltern ihre Kinder in anderen Ländern

In Finnland schlafen Babys im Karton, in Griechenland werden sie angespuckt, in Großbritannien ist Alkohol ab fünf erlaubt: Hallelujah! Was für uns befremdlich klingt, ist in anderen Ländern gang und gäbe. Was jeweils dahintersteckt und welche Umgangsweisen mit Kindern wir uns aus anderen Ländern abgucken können.

Junge Frau mit Baby auf dem Arm.© Pexels/Halem Mumtaz
Andere Länder, andere Sitten. Über manche Erziehungstricks mögen wir uns wundern. Und andere sich über uns?

Anderswo geht's anders zu, und oft stößt uns einfach das auf, was ungewohnt ist. Gerade im Hinblick auf Kinder tendieren wir leicht dazu, vorgefasste Meinungen zu vertreten und andere abzulehnen. Doch vielleicht sollten wir uns auch mal fragen, was andere Kulturen über uns denken, bevor wir vorschnell verurteilen ... Zugegeben, einige der folgenden Bräuche wirken auf uns ziemlich kurios.

Armenien: Baby wählt den Beruf

In Armenien wird ein Baby, wenn es seinen ersten Zahn bekommt, auf den Boden gesetzt und um es herum verschiedene Gegenstände gelegt, die einen Beruf symbolisieren sollen. Der Gegenstand, nach dem das Baby als Erstes greift, soll zeigen, welchen Beruf es später einmal erlernen wird. Ein Buch steht beispielsweise für eine wissenschaftliche Karriere, ein Hammer für eine handwerkliche. 

Dänemark: Babys schlafen draußen

Statt das Baby beim Einkaufen oder bei einem Cafébesuch mit reinzunehmen, wo es möglicherweise laut und stickig ist, lassen Eltern in nordischen Ländern wie Dänemark und Finnland das Baby auch gerne mal im Kinderwagen draußen schlafen. Frische Luft ist ja auch gut fürs Immunsystem. Dass den Kindern etwas zustoßen könnte, scheint dort zum Glück eher unwahrscheinlich zu sein – einige Eltern legen wohl immerhin ein Babyphon in den Kinderwagen. Zum Teil kann man wohl sogar ganze Kinderwagengruppen auf der Straße sehen. Mehr zum Draußenschlafen von Babys lest ihr im folgenden Artikel:

Finnland: Babys schlafen im Karton

Seit mehr als 80 Jahren ist es gang und gäbe, dass finnische Eltern nach der Geburt eines Kindes eine Babybox vom Staat geschenkt bekommen, mit allen möglichen nützlichen Utensilien, die man am Anfang für ein Kind so braucht. Das sind zum Beispiel Kleidungsstücke, Tücher, Windeln, Pflegeprodukte, Spielzeug und Bettwäsche. Doch auch eine kleine Matratze ist dabei, die genau in den Karton passt. Und so hat es sich eingebürgert, dass finnische Eltern aller Schichten ihre Babys in der Box schlafen lassen. Die Box hat inzwischen einen hohen emotionalen und symbolischen Wert, da sie für soziale Gleichberechtigung steht.

Frankreich: ein klarer Rahmen

Französische Kinder gelten allgemein als sehr gut erzogen. Sie schlafen früh durch, essen, was auf den Teller kommt, und sind auch ansonsten diszipliniert. Die amerikanische Journalistin Pamela Druckerman lebt mit ihrem englischen Mann und den drei gemeinsamen Kindern in Paris. Sie hat sich auf Ursachenforschung begeben und darüber ein Buch geschrieben: "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind. Erziehungsgeheimnisse aus Paris". Kernstück der Erziehung sei demnach ein unsichtbarer, aber klar abgesteckter Rahmen, "le cadre", neben dem Kinder jedoch große Freiheiten genießen.

Griechenland: Babys anspucken

In Griechenland steht das Spucken für Glück. In allen möglichen Situationen spucken die Griechen, um das Unglück zu verscheuchen. Und so ist es dort Tradition, drei Mal auf sein Baby zu spucken. Allerdings wird dabei zum Glück nicht wirklich Spucke verteilt – das Geräusch allein reicht aus. Es heißt, die Griechen haben diesen Brauch von römischen Vertretern der katholischen Kirche übernommen, die die Taufe mit Spucke durchgeführt haben sollen.

Großbritannien: Alkohol für Kinder ab fünf Jahren

Laut deutschem Jugendschutzgesetz dürfen Kinder bzw. Jugendliche ab 14 Jahren in Begleitung der Eltern Alkohol trinken, wenn diese es erlauben. In England hingegen ist das bereits ab fünf Jahren erlaubt – im privaten Rahmen und unter Aufsicht der Eltern. Heißt natürlich nicht, dass alle von diesem "Recht" Gebrauch machen. Doch zumindest probieren dürfen viel Kinder schon früh – obwohl Experten davon abraten. 

Italien: Trotzanfälle für alle!

Das italienische Temperament ist berühmt. Nicht nur Kinder schreien einfach mal rum. Und so lernen die Kinder hier, sich – wie ihre Eltern – nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Wenn Kinder motzen, brüllen, quengeln, ist das völlig okay. Sie dürfen ihre Gefühle ausleben. Das heißt nicht, dass italienische Eltern nicht konsequent wären.

Norwegen: Kitakinder bei Rentierschlachtung

Im Jahr 2017 wurden die Kinder einer norwegischen Kita mitgenommen zu einer Rentierschlachtung. International gab es in den (sozialen) Medien dafür einen Shitstorm, in Norwegen gehören Schlachtungen einfach dazu.

Schweden: Alle sind gleich

In Schweden duzt man sich. Egal, ob Vorstandsvorsitzender oder Reinigungskraft – hier wird bei der Anrede nicht unterschieden. Kinder sollen so schon früh lernen, dass es nicht auf den beruflichen Erfolg oder die individuelle, wirtschaftliche Situation ankomme, sondern dass alle Menschen gleichwertig sind. Niemand ist etwas Besseres. Eine Ausnahme beim Duzen gibt es allerdings: Mitglieder des schwedischen Königshauses müssen gesiezt werden. Und: Das Duzen in diesem skandinavischen Land ist nicht mit dem in Deutschland gleichzusetzen. Denn auch wenn man sich duzt, spricht man sich mit dem Nachnamen an, wenn man sich noch nicht gut kennt. 

Noch mal Schweden: Kinder dürfen krank sein

Hier handelt es sich nicht direkt um eine Erziehungsmethode. Dennoch ein großer Unterschied zu Deutschland: Abhängig von der Situation des Kindes stehen schwedischen Eltern bis zu 120 Kinderkrankentage zu, während derer sie sich also um ihr krankes Kind kümmern können. In der Regel erhalten Eltern bei dieser Leistung noch etwa 80 Prozent ihres regulären Gehaltes.

Schweiz: nicht nach Kindern umschauen

Okay, bei dieser Idee handelt es sich nicht um ein Schweizer Phänomen, sondern um eine Erkenntnis der Schweizer Pädagogin Rita Messmer (Autorin des Buches "Der kleine Homo sapiens kann's! Die natürliche Kompetenz und Selbstständigkeit von Kindern stärken"). Sie hat die Welt bereist und festgestellt, dass die Menschen nirgendwo sonst so große Probleme mit ihren Kindern haben wie wir hier in der westlichen Welt. Den Grund dafür sieht sie darin, dass wir mit unserem Verhalten allen biologischen Prinzipien widersprechen. Es sei nicht natürlich, dass wir die Führung an unsere Kinder abgeben. Wenn sie hinter uns laufen und wir uns ständig nach ihnen umschauen, signalisieren wir ihnen, dass wir die Verantwortung haben und ihnen alles abnehmen. Stattdessen sollten wir darauf vertrauen – natürlich nur im geschützten Rahmen – dass sie uns hinterherkommen und ihnen damit zeigen, dass wir ihnen es zutrauen und sie für fähige, Individuen halten. Kinder können schon sehr früh selbstständig werden, wenn wir sie lassen. Und ihnen zugestehen, auf natürliche Signale – ihre eigenen und die, die wir als Eltern aussenden – zu hören. Sie haben ein natürliches Bedürfnis, bei uns zu bleiben, und werden dem folgen. Da sind uns Eltern in Südamerika deutlich voraus.

Vietnam: Frühes Trockenwerden

Hierzulande werden wohl die meisten Kinder ungefähr mit drei Jahren trocken. In Vietnam schon viel früher – etwa mit einem Jahr. Wie sie das schaffen? Die Eltern tragen ihre Babys viel im Tragetuch, achten auf seine Signale und Zeichen und lernen so schon früh zu erkennen, wann das Kleine mal muss. Wann immer die Eltern das feststellen, geben sie einen bestimmten Laut von sich, einen Sch-Ton oder ein Pfeifen etwa. Bereits nach kurzer Zeit lernen die Babys und Kinder so, ihr "Geschäft" zu erledigen, wenn sie das entsprechende Geräusch hören.