Was tun?

Wie ihr ungesunde Eltern-Kind-Beziehungen erkennt

Was ist noch "normal" und wann wird eine Beziehung zwischen Mutter oder Vater und Kind ungesund? Was kann man tun, wenn man eine ungute Richtung bemerkt? Darum geht es in diesem Artikel. 

Mädchen tröstet Mama© iStock/fizkes
Wenn Kinder ihre Eltern trösten, kann das auf eine ungesunde Beziehung hinweisen.

"Wir haben die Mathearbeit gut geschrieben!", "Zieh heute zu Oma dein hübsches Kleid an!", "Du sollst es mal besser machen als ich" – alles Sätze, die vielen Eltern leicht mal über die Lippen kommen. Warum wir sie allerdings lieber vermeiden sollten, lest ihr hier. 

Eigenes Verhalten reflektieren

Natürlich wollen und dürfen wir stolz auf unsere Kinder sein. Doch in einigen Fällen kippt das in eine ungünstige Richtung. Nämlich dann, wenn wir uns selbst mit den Leistungen unserer Kinder brüsten. "Eltern haben die Aufgabe, immer wieder über ihr Verhalten zu reflektieren", sagt die Familienpsychologin Elisabeth Raffauf aus Köln (ihr Buch "Erzieht uns einfach! Was Kinder und Jugendliche von ihren Eltern brauchen" ist für 19 Euro zum Beispiel über diesen Link erhältlich). Sie gibt uns mit auf den Weg, unsere Motivation zu hinterfragen, warum wir etwas Bestimmtes zu unseren Kindern sagen oder uns auf eine bestimmte Weise verhalten.

Worum geht es mir eigentlich, wenn ich ganz, ganz ehrlich zu mir bin. Geht es mir tatsächlich um mein Kind, oder geht es mir um mich, will ich mich selbst größer machen, mich beliebt machen, mir Bestätigung holen, eine gute Mutter (oder ein guter Vater) zu sein?

Das ist laut Elisabeth Raffauf eine hilfreiche und wichtige Frage, die Eltern sich regelmäßig stellen sollten.

Hinweise auf eine ungesunde Eltern-Kind-Beziehung

Neben weiteren Beispielen greifen wir hier noch einmal die Sätze von oben auf und gehen näher auf sie ein:

  • "Wir haben die Mathearbeit gut geschrieben!" Wir? Die Mathearbeit hat eindeutig das Kind alleine geschrieben (auch wenn wir als Eltern vielleicht beim Lernen geholfen haben). Kann es sein, dass wir die Leistungen unseres Kindes als Beweis sehen, tolle Eltern zu sein? Das Kind spürt dabei, dass es nicht um es selbst geht.
  • "Zieh heute zu Oma dein hübsches Kleid an." Je nach Alter kann schon mal die Frage kommen: "Warum? Schämst du dich sonst für mich?" Sicher kein Eindruck, den wir bei unseren Kindern erwecken wollen oder sollten. Ein solcher Satz kann ein Hinweis darauf sein, dass es Eltern daran liegt, ihr eigenes Bedürfnis nach Anerkennung zu stillen, statt nach dem Wohl des Kindes zu schauen. 
  • "Du sollst es mal besser machen als ich." oder "Wenn du ein erfolgreicher Rock-Star werden willst, musst du jetzt mehr üben!" Sätze wie diese sind ebenfalls Anzeichen, dass es den Eltern um die eigenen Bedürfnisse geht und nicht um die ihres Kindes. Hier wird oft enorm viel Druck ausgeübt, weil Eltern hoffen, im Erfolg der Kinder ihre eigene Erfüllung zu finden. 
  • "Komm, wir machen das zusammen, mit Papa geht das ja nicht." Die Kinder auf die eigene Seite zu ziehen oder über den (Ex-)Partner herzuziehen, ist ebenfalls nicht förderlich für das Kind. 
  • "Komm, wir stoßen jetzt mit einem Glas Sekt an." Dieser Satz zur zwölfjährigen Tochter, die mit Alkohol nichts am Hut hat. Handelt es sich vielleicht eher darum, dass man selbst ein cooler Vater oder eine coole Mutter sein möchte? Sich seine Coolness zu beweisen, sollte niemals auf Kosten der Kinder gehen.
  • "Sprich du mit ihm, du kannst es am besten." Kinder als Boten oder Botinnen zu nutzen, um nicht selbst mit der Partnerin oder dem Partner reden zu müssen bürdet ihnen eine Verantwortung auf, die sie nicht tragen können.
  • "Mir geht's so schlecht!" Sich zum Beispiel nach einer Trennung beim Kind auszuweinen und es als Seelentröster zu benutzen, sollte tabu sein. Kinder in eine erwachsene Rolle zu drängen, überfordert sie, wie ihr in unserem Artikel über Parentifizierung lesen könnt:

Auswirkungen einer schädlichen Beziehung aufs Kind

Kinder wollen helfen, wenn es ihren Eltern schlecht geht. Doch das überfordert sie. "Das Kind selbst ist in einer Falle. Es kann das oft nicht richtig identifizieren. Es spürt einerseits Macht, weil es gebraucht wird und wichtig ist und andererseits Ohnmacht und komplette Überforderung, weil es merkt, dass es langfristig nicht helfen kann", erklärt Elisabeth Raffauf. Manche Kinder versuchen, sich anzupassen und zu helfen, andere gehen ins komplette Gegenteil und werden auffällig, aggressiv oder verletzen sich selbst, berichtet die Expertin. 

Umgang mit ungesundem Verhalten zwischen Mutter oder Vater und Kind

Was kann man also tun, wenn man bemerkt, dass das Verhalten der Eltern dem Kind schadet? Das A und O ist wirklich das Reflektieren, betont Elisabeth Raffauf. Will ich mir durch die Leistungen, das hübsche Aussehen, das gute Verhalten meines Kindes beweisen, dass ich eine gute Mutter bin? Wenn ja, sollten wir uns mehr darauf konzentrieren, im Sinne des Kindes zu handeln. Ein häufiger Konflikt im Erwachsenenalter zwischen Müttern und Töchtern liegt meist schon in der Kindheit der Töchter begründet. Wie können wir das verhindern?

Hier ein paar Grundsätze im Überblick:

  • Wenn wir einen Partner vermissen, darf und kann unser Kind nicht als Ersatz herhalten. 
  • Eigene Sorgen und Probleme sollten wir mit anderen Erwachsenen und NICHT mit dem Kind besprechen.
  • Es kann sehr hilfreich sein, sich mit Freunden auszutauschen, wenn man bei sich selbst bemerkt, dass etwas in der Beziehung zum Kind falsch läuft.

Wie so oft ist es eine Gratwanderung, was den Kindern schadet und was noch im Rahmen ist. Auch wenn man die Kinder nicht mit eigenen Problemen belasten will, ist es wichtig, klar und offen zu kommunizieren und Fragen zu beantworten. Aber eben nicht, um eigene Probleme zu klären oder abzuwälzen, sondern um Kindern zu zeigen, dass man sie ernst nimmt und es nicht an ihnen liegt. Auch wenn Kinder merken, dass sie Schwierigkeiten mit einem Elternteil haben, ist es gut, darüber zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dann spricht man schon mit dem Kind über Probleme, "aber nicht, um sie bei ihm abzuladen, sondern um dem Kind zu bestätigen 'Dein Gefühl stimmt'", so Elisabeth Raffauf. Eine andere Möglichkeit sei es, "sich einzugestehen, dass man gerade nicht die Kapazitäten hat, auf das eigene Kind zu gucken und dann zu schauen, wo man sich vielleicht Hilfe suchen kann", sagt die Familientherapeutin.

Was tun, wenn man ungesunde Beziehungen bei anderen bemerkt?

In einer Partnerschaft ist es toll, wenn man offen darüber reden kann. Und den anderen ohne Vorwurf darauf hinweisen kann, wenn man ein fürs Kind schädigendes Verhalten bemerkt.

"Auch unter guten Freunden kann es wunderbar sein, wenn man seine Haltung als wohlwollend rüberbringen kann", sagt Elisabeth Rauffauf. Also nach dem Motto

Ich sag das jetzt, weil ich es wirklich gut mit dir meine. Weil ich merke, du bist überfordert, und das Kind ist auch überfordert.

Wenn man also offen und ehrlich miteinander sprechen und sich auch unangenehme Dinge sagen kann, ist das richtig gut. Allerdings ist hier natürlich Fingerspitzengefühl gefragt und es kommt sehr auf das "Wie" an.

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