
Plötzlich ist es da, dieses kleine Baby, auf das ihr so lange gewartet habt. Mit zerknautschtem Gesicht liegt deine Tochter auf deinem Bauch und schaut dich immer wieder mit staunenden Blicken an. Ihre winzigen Hände schmiegen sich voller Vertrauen in deine und du weißt von diesem Moment an: Dieser kleine Mensch hat dein Herz voll und ganz erobert. Von jetzt an wirst du alles tun, damit dieses Kind glücklich ist.
Doch was genau braucht meine Tochter, damit es ihr gut geht? Wie gehe ich am besten mit ihr um? Bei so manchem Papa gibt es etwas Unsicherheit, wenn das Kind ein Mädchen ist. Wie das wohl werden wird? Bei einem Jungen wäre die Sache vielleicht etwas klarer gewesen: Spielen, Toben, Blödsinn machen, irgendwann zusammen das erste Bier trinken, zeigen, wie man den Bart rasiert, wie Pinkeln im Stehen geht, zu Konzerten gehen, über Frauen sprechen ... oder sind das alles bloß Klischees!?
Wie kann ich eine gute Beziehung zu meiner Tochter aufbauen?
Als Mama von zwei großartigen Jungs und erfahrene Beraterin für Beziehungs- und Familienthemen möchte ich hier gerne 12 Punkte teilen, die es meiner Erfahrung nach braucht, damit sich von Geburt an eine gute Vater-Tochter-Beziehung entwickeln kann – denn die wird ihr ganzes Leben prägen.
Anhand der Beziehung zu ihrem Vater lernt ein Mädchen, wie Männlichkeit funktioniert. Wie lässt mein Papa mich fühlen? Genau diese Gefühle wird sie später als erwachsene Frau in ihrem Lebenspartner suchen. Der Vater wird ihr inneres Ideal für einen Mann – und das gilt sowohl für positive als auch für negative Eigenschaften.
1. Sei da – investiert, interessiert und mit Achtung
Wenn mir eines in meinen Coachings immer wieder auffällt, dann ist es, wie viele erwachsene Frauen in ihren Beziehungen dem Thema des fehlenden Vaters nachjagen. Immer wieder wählen sie Partner, die für sie nicht wirklich verfügbar sind, etwa weil sie vergeben, Workaholics sind, oder einfach sich in die Welt der Frau nicht hineinversetzen können – nicht empathisch sind. Sie wiederholen mit diesen Männern die schwierige oder mangelnde Beziehung zu ihrem Vater, in der Hoffnung, hier endlich die Anerkennung und das Gesehenwerden zu bekommen, das sie in ihrer Kindheit bei ihrem Vater vermisst haben.
Es geht hier nicht darum, ob der Vater viel Zeit im Büro verbringt. Wobei es natürlich besser ist, als Vater viel Zeit mit dem Kind zu ermöglichen. Wichtig ist aber vor allem, wie er sich verhält, wenn er anwesend ist. Ist er aufmerksam und emotional zugewandt? Oder ist er in Gedanken immer woanders und nicht wirklich an dem Kind interessiert?
Wenn der Papa präsent ist, Liebe teilen kann und Aufmerksamkeit gibt, wird sich ein Mädchen bei ihrer späteren Partnerwahl daran orientieren und einen ähnlichen Mann wählen. Umgekehrt wird es das Mädchen vor allem negativ prägen, wenn der Vater körperlich da ist, aber emotional eher abwesend ist.
2. Sei auf deine Weise der beste Papa der Welt
Um eine gute Vater-Tochter-Beziehung aufzubauen, braucht ein Papa nicht zu sein wie die Mama. Vertraue auf deine Fähigkeiten als Mann. Raufen, Toben, Knuddeln, in die Luft werfen, Späße machen, das alles geht mit einem Mädchen genauso gut wie mit einem Jungen. Geh beim Spielen mit deiner Tochter ruhig nach deiner männlichen, spielerischen Energie. Dein Mangel an Angst beim Ausprobieren all der spannenden Dinge, die auf dieser Welt möglich sind, kann für ein Mädchen sehr wertvoll sein.
Dabei musst du nicht tun, was du glaubst, tun zu müssen. Suche den Spaß im Spiel mit deinem Kind! Zeig ihr die Welt, wie du sie liebst!
Wenn du mit deiner Tochter lieber wandern gehen möchtest statt mit Puppen zu spielen, dann geh mit ihr raus und zeig ihr die Natur. Wenn du kein Brettspieler bist, geh mit ihr zum Bauspielplatz und lass sie ausprobieren, wie man mit Hammer und Säge umgeht. Was immer du mit Freude tust, wird auch bei deiner Tochter die Freude am Entdecken und Ausprobieren wecken.
3. Sei offen dafür, ihr Anderssein zu entdecken
Es ist tatsächlich so: Frauen sind anders als Männer und manches Mal wird deine Tochter sich anders verhalten, als du als Mann es tun würdest. Versuche nicht, ihr deine männlichen Verhaltensweisen überstülpen, damit deine Tochter sich nicht falsch fühlt in ihrer Andersartigkeit. Sei offen für die Art und Weise, wie deine Tochter Dinge anders macht als Jungen, dieses Energische und Emotionale, und entdecke das als etwas Schönes und Wertvolles, woraus du vielleicht sogar noch etwas lernen kannst.
Ein Beispiel: Haben Frauen ein Problem, hilft es ihnen, den negativen Stress abzubauen, wenn sie immer wieder darüber sprechen. Männer neigen eher dazu, Probleme schnell zu lösen und verstehen es dann nicht, wenn die Frau immer wieder mit dem Thema anfängt, obwohl er doch schon eine Lösung vorgeschlagen hat.
Um gesund aufwachsen zu können, brauchen Kinder zwei wesentliche Pfeiler: Der erste ist das Gefühl von Zugehörigkeit. Dein Kind muss wissen: "Mit dir ist alles richtig" und "Du gehörst zu uns". Der zweite Pfeiler ist das Gefühl von Ermächtigung: "Jetzt, wo du weißt, du gehörst hierher, hast du alle Macht, der Mensch zu sein, der du bist. Ich trau es dir zu. Geh raus und entdecke die Welt."
Bestehe in der Erziehung deines Kindes nicht immer auf irgendwelchen festen Regeln, sondern schau lieber darauf, mit deinem Kind in Beziehung zu bleiben, damit es immer das Gefühl hat, bei dir so sein zu können, wie es wirklich ist.
4. Entdecke dich selbst durch dein Kind
Bei diesem Punkt spreche ich aus eigener Erfahrung. Es kann sein, dass dich eine Verhaltensweise deines Kindes massiv stört, ohne dass du recht sagen kannst, warum das so ist.
Bei mir ist es so, dass ich zwei Söhne habe, die recht unterschiedlich sind. Der eine ist immer schnell unterwegs, sehr aktiv, ein Fußballer. Der andere nimmt sich gerne Zeit, ist eher langsam unterwegs und denkt sehr viel nach. Diese Ruhe hat mich eine ganze Weile wahnsinnig gemacht! Immer wieder habe ich ihn zur Eile angetrieben. "Mach doch mal schneller, wir müssen los, warum dauert das schon wieder so lange?" Eines Tages habe ich realisiert: Es ist nicht an mir, dieses Kind zu verändern. Im Gegenteil: Dieses Kind hat mir aufgezeigt, was mir gefehlt hat. Ich habe mir selbst kaum Ruhe gegönnt und auch mich selbst immer zur Eile angetrieben. Durch meinen Sohn habe ich gelernt, vom Gas zu gehen und wieder mehr auf mich zu achten. Seitdem stört mich sein Verhalten gar nicht mehr und wir haben einen guten Weg gefunden, wie wir alle entspannt miteinander leben können.
Wir Eltern denken oft, wir müssten unser Kind wie aus Plastilin zurechtbiegen und formen, damit sie ein gutes Leben haben. Die Intentionen dabei sind ja immer unglaublich gut. Aber daraus entsteht dieser Schmerz, dass so viele Menschen denken, sie müssten irgendwie anders sein, als sie es sind, um gut zu sein – dieses Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Wir müssen es unseren Kindern erlauben, ihren eigenen Weg zu gehen. Wir müssen auf unsere Kinder vertrauen, sie dafür lieben, wie sie sind und es als Geschenk begreifen, zu erleben, was sie mit sich bringen. "Du wirst das machen, du wirst das schaffen, du hast alles in dir, was du brauchst, um deinen Weg zu gehen! Auch wenn du etwas anderes machst als ich – bitte, schau, wohin es dich bringt!" Das ist die Botschaft, die unsere Kinder brauchen.
5. Nimm sie ernst in ihren Emotionen
Schon ein kleines Baby nimmt es wahr, wenn der Vater sich liebevoll um es kümmert, mit ihm kuschelt, es in den Schlaf trägt oder mit ihm in der Babytrage spazieren geht. Jedes liebevolle Wort von Papa, jedes Lächeln, jedes sorgsame Windeln wechseln kommt bei dem Baby an und lässt es spüren, wie sehr es von Papa geliebt wird.
Spätestens in der Trotzphase, wenn das Kind größer wird, kommt immer mehr verbale und emotionale Kommunikation dazu. Gefühle haben immer Gültigkeit und sind berechtigt, auch wenn du sie gar nicht nachvollziehen kannst. Nimm ihre Emotionen ernst, freu dich mit ihr, wenn sie glücklich ist, tröste sie, wenn sie traurig ist. Nimm es an, wenn sie wütend oder sogar trotzig ist. Sprich mit ihr darüber, was sie empfindet. "Wow, ich merke, das hat dich glücklich / wütend gemacht, das hat dich erschreckt. Warum, erzähl mal?"
Du musst nicht alles verstehen, aber du kannst zeigen, dass du dein Kind in seinen Emotionen wahr- und annimmst. Wenn dein Kind sich auf diese Weise gesehen fühlt, stärkt das seinen Selbstwert und sein Selbstbewusstsein.
6. Respektiere die Grenzen deiner Tochter und deine eigenen
Wir Eltern denken oft, wir müssten uns komplett aufopfern, um gute Eltern zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Nur wenn es uns selbst gut geht, können wir gut für unsere Kinder sorgen. Darum: Respektiere deine eigenen Grenzen – und respektiere die Grenzen deines Kindes.
- Wenn du müde bist, sag deinem Kind freundlich: "Ich muss mich kurz ausruhen. Danach habe ich neue Energie, um mit dir zu spielen."
- Wenn dein Kind "Nein" sagt und ein Spielzeug nicht teilen will, respektiere das und zwinge es nicht zum Teilen, nur weil du den Glaubenssatz hast, dass Teilen sein muss. Gerade in der Trotzphase lernen Kinder, das Eigene zu schützen.
- Gleiches gilt beim Thema Essen. Viele Eltern haben Angst, dass ihr Kind zu wenig oder nicht das Richtige isst und versuchen, es zum Essen zu überzeugen, mit fliegenden Löffeln, Ablenkungsmanövern oder gar mit einem Telefon. Das bitte auf keinen Fall machen. Das Kind hat eine natürliche, innere Haltung zum Essen und es ist ganz wichtig, dass diese respektiert wird, damit das Kind auch als erwachsener Mensch eine gesunde Haltung zum Essen hat und sieht: Mama und Papa hören zu. Sie akzeptieren es, wenn ich etwas nicht mag und versuchen gemeinsam mit mir, eine gute Alternative zu finden.
Behandelst du dich mit Respekt, wird auch dein Kind dich mit Respekt behandeln. Und behandelst du dein Kind und seine Grenzen mit Respekt, wird es auch als erwachsener Mensch dafür sorgen können, dass es von seinen Mitmenschen respektvoll behandelt wird.
7. Lebe deiner Tochter die Werte vor, die du ihr anerziehen willst
Erziehung ist mehr Begleitung als "Richtig und Falsch". Kinder lernen nicht durch Lob und Strafe, sondern durch das Vorleben. Alles, was du deinem Kind beibringen möchtest, musst du selbst leben.
- Wenn du willst, dass dein Kind später eine gute Beziehung führt, führe selbst eine gute Beziehung mit deinen Eltern.
- Wenn du willst, dass dein Kind sich bei dir entschuldigt, entschuldige du dich, wenn du merkst, dass du dein Kind verletzt hast.
- Wenn du einen Fehler gemacht hast, geh gnädig mit dir um, und sprich es laut an: "Schau, ein Glas ist mir zerbrochen. Nicht so schlimm, das kann mal passieren." So wird dein Kind lernen, dass es okay ist, Fehler zu machen und daraus zu lernen.
- Wenn du möchtest, dass dein Kind die Meinung anderer akzeptiert, gib auch du ihm die Gelegenheit, seine Meinung zu äußern und respektiere diese. Manches musst du vielleicht 100 Mal zeigen und erklären. Gib nicht auf, bleib dran und sei geduldig.
Dein Kind lernt gerade so viel! Es lernt, Mensch zu sein, es lernt, in eurer Familie zu leben, es lernt, in unserer Gesellschaft zu leben. Was für eine Aufgabe!
8. Vertraue deinem Kind
Wir Eltern machen uns oft große Sorgen darum, wie unser Kind in der Welt ankommen wird, welche Menschen ihm begegnen werden und welche Erlebnisse unser Kind mit diesen Menschen haben wird. Gerade Väter denken oft, sie müssten ihre Tochter vor allem Bösen da draußen beschützen. Die beste Strategie ist hier: Zumuten und Zutrauen. Wir können unser Kind nicht vor jeder Enttäuschung und jedem Liebeskummer schützen. Wichtig ist es da zu sein, wenn was passiert. Wer seinem Kind Vertrauen und Zusammenhalt in Beziehungen vorlebt, der muss sich keine Gedanken darum machen, was für Beziehungen das Kind aufbauen wird. Genauso ist es beim Thema Ausgehen: Natürlich ist es wichtig, dass dein Kind gebildet ist zu den Gefahren dieser Welt, aber indem du ihm zutraust, damit umzugehen, stärkst du dein Kind.
9. Zeige deiner Tochter, wie sehr du sie liebst
Kinder machen viel Arbeit! Aber bitte verzichte darauf, deinem Kind zu vermitteln, dass es so viel Arbeit macht. Mir als Tochter ist in Erinnerung geblieben: Mein Papa hat bei jedem meiner Geburtstage geweint, weil er nicht wollte, dass ich älter werde. Er hat jede Phase meiner Kindheit so sehr geliebt. Mir hat das Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.
Sage deinem Kind: Dein Lachen macht mich glücklich. Du bringst Wärme in mein Herz. Du bringst Leichtigkeit in unser Leben. Du bereicherst mein Leben. Du machst mich zu einem besseren Menschen. Zu wissen, wie sehr sie von ihrem Vater geliebt wird, wird deiner Tochter so viel Kraft und Selbstvertrauen für ihr Leben geben und sie wird euch diese Liebe zurückgeben!
Manchmal läuft das Leben nicht so, wie wir uns das gewünscht haben, und wir trennen uns vom Vater oder der Mutter unseres Kindes. Möglicherweise gibt es anschließend viel Streit um Besuchsregelungen oder Finanzen. Unabhängig davon: Gib deinem Kind immer das Gefühl, bei dir willkommen zu sein.
9. Achte auf Details
Es ist bei Kindern wie bei Erwachsenen. Sie freuen sich darüber, wenn bemerkt wird, was ihnen wichtig ist. Willst du als Vater die Bindung zu deiner Tochter stärken, achte darauf, womit sie gerne ihre Zeit verbringt. Welche Menschen trifft sie gerne? Welche Musik hört sie gerne? Welche Bücher liest sie gerne? Mit welchen Hobbys verbringt sie am liebsten ihre Zeit? Unterstütze sie dabei, diese Dinge zu leben. Vielleicht schenkst du ihr ein passendes Buch oder ein Ticket für das Konzert ihrer Lieblingsband oder nimmst dir Zeit, um sie bei einem ihrer Hobbys zu begleiten. Sie wird diesen Support zu schätzen wissen. Vielleicht kannst du ihr auch etwas ganz Besonderes schenken, das nur ihr gehört?
10. Lass sie an deinem Leben teilhaben
Umgekehrt wird deine Tochter es lieben, wenn du sie daran teilhaben lässt, was du gerne machst! Du spielst gerne Klavier? Lass sie mit dir die Tasten ausprobieren! Du spielst gerne Basketball? Lass sie mit dir Körbe werfen! Du pflegst gerne den Garten? Lass deine Tochter mit dir Pflanzen gießen und sprich mit ihr darüber, warum du so gerne im Garten bist. So entstehen unvergessliche Momente für euch zwei und eine tiefe Bindung durch wertschätzendes Verständnis.
11. Hilf ihr dabei, ihr Leben zu leben
Mit einem Kind in deinem Leben wird es zehntausend Gelegenheiten geben, bei denen du vieles lieber tun würdest, als das, was gerade nötig ist. Das Kind zum 100. Mal nachts von einer Party abholen? Yeah! Zum Elternabend gehen und mit dem ätzenden Lehrer Tacheles reden? Oh ja! Zum fünften Mal beim Umzug helfen? Juhu! Aber versprochen: Dein Kind wird sich sein Leben lang an all die Momente erinnern, in denen du alles gegeben hast, um es auf seinem Lebensweg zu unterstützen, ganz besonders dann, wenn es schwierig war.
Über unsere Gastautorin:

Masha Hell-Höflinger ist Geschäftsführerin und Coach der Beziehungs Academy SozialDynamik und hat sich damit einen Herzenswunsch erfüllt. Als Coach im Love Life Master Mentoring hilft sie täglich Menschen, ihre Trigger, Ängste und Blockaden zu erkennen, zu hinterfragen und aufzulösen. Als Mutter von zwei Jungen und Unternehmerin seit über 13 Jahren unterstützt sie speziell Frauen dabei, ihre weibliche Energie besser zu spüren und diese in der Liebe zu ihrem Beruf wie auch privat zu leben. Zudem unterstützt Masha Eltern dabei, eine tiefere Verbindung zu ihren Kindern aufzubauen, damit der Umgang miteinander schöner gelingt und die Kinder frei sind, ihr Leben voller Selbstvertrauen und Stärke zu gestalten.
Mehr Infos und Kontakt unter www.sozialdynamik.at.