
Bis Kinder Höflichkeitswörter wie "Bitte", "Danke" oder eben auch "Entschuldigung" lernen, ist es ein langer Prozess, und der wird - um es direkt vorwegzunehmen – nicht dadurch beschleunigt, wenn Erwachsene streng darauf bestehen, dass sich ihr Kind für seine Missetaten auch artig entschuldigt. Das heißt jedoch nicht, dass Eltern gar nichts tun können, um ihr Kind auf diesem Weg zu begleiten. Die folgenden Tipps unterstützen Kinder dabei, die Gefühle anderer zu verstehen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und eine aufrichtige (!) Entschuldigung auszusprechen.
Erzwungene Entschuldigungen sind nutzlos
Anstandsregeln sorgen in vielen Familien Zündstoff. Dabei wird oft vergessen, dass kleine Kinder noch gar nicht in der Lage sind, so reflektiert zu denken wie wir. Sie handeln impulsiv und überblicken oftmals gar nicht die Folgen – wenn sie beispielsweise ein anderes Kind mit dem Ball abgeworfen haben oder über die mühevoll errichtete Sandburg getrampelt sind. Sie wissen schlichtweg nicht, welche Gefühle ihr Handeln auslöst. Die Fähigkeit zur Empathie und Perspektivübernahme entwickelt sich erst mit den Jahren. Oftmals erschrecken sie auch über ihr Missgeschick und brauchen Zeit um zu verstehen, was gerade passiert ist.
Wenn ein Kind also etwas macht, wofür es sich – aus Erwachsenensicht – entschuldigen sollte, bringen erzwungene Entschuldigen rein gar nichts.
Etwa ab Vorschulalter wissen Kinder recht genau, was okay ist und was nicht. Aber auch dann brauchen sie oft noch Unterstützung, wenn es darum geht, angemessen zu reagieren. Anstatt es anzuherrschen und damit noch zusätzlich zu beschämen, ist es sinnvoller, das Kind an die Hand zu nehmen und ihm durch Vorbildverhalten vorzuleben, wie es sich entschuldigen und etwas möglicherweise wiedergutmachen kann. Eine Entschuldigung soll schließlich ehrlich gemeint sein und von Herzen kommen. Es geht um echte Empathie – und nicht um ein pro forma hingemurmeltes "Sorry".
Wie eingangs gesagt: Es ist ein Prozess. Um Kinder auf diesem Weg einfühlsam zu begleiten, eignen sich die folgenden sechs Schritte.
Sechs Schritte, damit Kinder lernen, sich zu entschuldigen
Beobachten statt beschämen
Statt Kindern Vorwürfe zu machen ("Wegen dir ist sie jetzt traurig, weil du sie geschubst hast") können Eltern beschreiben, was sie sehen ("Sie hat ganz zufrieden gespielt, und jetzt weint sie").
So wird der Fokus des Kindes darauf gelenkt, welche Auswirkungen ihr Handeln hat – ohne zu beschämen. Auf diese Weise kann sich Empathie entwickeln.
Nachfragen
Entschuldigungen sind nur aufrichtig, wenn man die Gefühle des anderen wirklich versteht. Auf dem Weg dahin können gezielte Nachfragen helfen: "Was glaubst du, wie es dem Kind jetzt geht?" - "Wie würdest du dich fühlen, wenn dir das passiert wäre?"
Kommen Kinder selbst auf die Antwort, bleibt sie eher im Gedächtnis, als wenn Eltern sie vorwegnehmen.
Anregungen geben
In manchen Situationen kann es sinnvoll sein, wenn Eltern ihrem Kind Worte für das geben, was gerade passiert ist: "Hoppla, jetzt hat der Ball das Mädchen am Kopf getroffen. Das war bestimmt keine Absicht. Möchtest du mal schauen, wie es ihr jetzt geht?" Damit wird das Kind eingeladen, die Gefühle des anderen zu betrachten und die Konsequenzen seines Handelns zu erfahren. Eventuell können Eltern noch hinzufügen: "Vielleicht möchtest du dem Kind sagen, dass du nicht wolltest, dass der Ball sie trifft."
Geduldig sein
Manchmal sind Kinder einfach noch nicht soweit, sich zu entschuldigen, und Eltern sollten in diesem Fall keinen Druck ausüben. Manchmal braucht das Kind einfach noch einen Moment, um die eigenen Gefühle zu verarbeiten. Eltern geben ihnen dafür Raum, indem sie Verständnis zeigen: "Ich sehe, dass du noch nicht bereit bist, dich zu entschuldigen. Das ist okay, wir sprechen später darüber." Damit signalisieren sie gleichzeitig, dass das Thema nicht einfach unter den Tisch fällt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Gemüter nicht mehr so erhitzt wird, besprochen wird.
Das Positive betrachten
Bei Entschuldigungen geht es nicht um ein lapidares "Sorry", sondern um Wiedergutmachung. Wenn Kinder dies verinnerlicht haben und sich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, dürfen Eltern das gern loben. So wird der Fokus auf das Positive gelenkt und nicht auf den Fehler: "Es ist toll, dass du dem Kind hilft, die Sandburg wiederaufzubauen."
Mit gutem Vorbild vorangehen
Kinder lernen durch Nachahmung, und wenn sie bei ihren Eltern erleben, dass sie in der Lage sind, Fehler zuzugeben, sich zu entschuldigen und sich weiterzuentwickeln, ist das die allerbeste Basis, damit sie selbst Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. In den folgenden vier Bereichen ist ein gutes Vorbild Gold wert:
- Den Fehler zugeben: "Es tut mir leid, dass ich laut geworden bin."
- Gefühle anerkennen: "Ich sehe, dass ich dich traurig gemacht habe."
- Aus Fehlern lernen: "Nächstes Mal bleibe ich ruhig."
- Erklären: "Ich werde einfach tief einatmen bevor ich antworte."