Worauf es wirklich ankommt

Brief an mein krankes Kind, für das ich zu wenig Zeit habe

Trotz der Kind-krank-Tage ist es manchmal einfach nicht realisierbar, die ganze Zeit für den Nachwuchs da zu sein, wenn er krank ist. Unsere Redakteurin schreibt einen Brief an ihr Kind, in dem sie ihr Dilemma zum Ausdruck bringt.

Mutter tröstet krankes Kind.© iStock/Mikolette
Manchmal wäre man als Mama am liebsten überall gleichzeitig.

Mein liebes krankes Kind ❤️‍🩹,

eigentlich will ich dir all meine Liebe, Aufmerksamkeit und Fürsorge schenken, am besten die ganze Zeit.

Eigentlich möchte ich dir den ganzen Tag vorlesen, dich mit vitaminreichem Essen versorgen, mit dir an die frische Luft gehen, bei dir sein, mit dir kuscheln.

Eigentlich möchte ich nicht jedes Mal, wenn du krank bist, die Oma herzitieren, damit sie sich um dich kümmert. Obwohl du dich bei ihr sehr wohlfühlst und sie nun mal mehr für dich da sein kann als ich, während ich arbeite, zerreißt es mich innerlich jedes Mal, wenn sie die Aufgabe übernimmt, die ich tief in meinem Inneren für meine eigene halte: für dich da zu sein, vor allem, wenn du krank bist. Meine Mutter hat das doch früher auch geschafft – sie hatte immer Zeit für mich und meine Geschwister, wenn wir krank waren. Und das, obwohl wir gegen viel weniger Kinderkrankheiten geimpft und häufiger krank waren als du heute.

Zerreißprobe für Mamas

Und da ist er wieder, dieser hohe Anspruch, dieser selbst gemachte Druck, den ich mir doch eigentlich nicht mehr machen wollte, weil er zu nichts führt ... Heute ist eben auch eine andere Situation als damals und sich mit anderen zu vergleichen, hat noch niemandem geholfen. Eigentlich hatte ich mir doch vorgenommen, meinen Perfektionismusanspruch abzulegen ...

Eigentlich sollte ich kein schlechtes Gewissen haben, dass nicht alles so läuft, wie ich es mir wünschen würde, weil eben die Arbeit ruft, und das Geldverdienen keine Rücksicht auf kranke Kinder nimmt. Die Kind-krank-Tage sind immerhin schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber manchmal hadere ich sogar damit, sie einzureichen, weil eben bei der Arbeit unbedingt noch schnell dieses Projekt fertiggestellt werden will oder ich meine, mir nicht leisten zu können, schon wieder zu fehlen. Dabei stehst du doch an erster Stelle und es bringt mich zum Verzweifeln, dass ich dir das nicht immer und jederzeit zeigen kann.

Und so versuche ich immer wieder aufs Neue, dir so gut und oft ich kann zu zeigen, wie lieb ich dich habe und wie unendlich wichtig du mir bist. In der Hoffnung, dass du es nicht als mangelnde Liebe auffasst, dass ich nicht immer voll und ganz bei dir bin, wenn du krank bist.