Dieser Artikel enthält unter anderem Produkt-Empfehlungen. Bei der Auswahl der Produkte sind wir frei von der Einflussnahme Dritter. Für eine Vermittlung über unsere Affiliate-Links erhalten wir bei getätigtem Kauf oder Vermittlung eine Provision vom betreffenden Dienstleister/Online-Shop, mit deren Hilfe wir weiterhin unabhängigen Journalismus anbieten können.

Eine Studie des Robert-Koch-Instituts hat ergeben, dass rund 33,6 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren Symptome einer Essstörung aufweisen. Bei den Jungen sind es rund 12 Prozent. Seit 2021 sind die Zahlen rasant gestiegen – und nicht nur Teenager sind betroffen. "Essstörungen können eigentlich in fast jedem Alter auftreten", erklärt Martina Effmert, Heilpraktikerin und Autorin.
Doch an welchen Symptomen können Eltern feststellen, dass etwas nicht stimmt? Und wie reagieren sie richtig, wenn sie einen Verdacht haben?
- Ab welchem Alter Essstörungen auftreten
- Bei welchen Anzeichen sollten Eltern hellhörig werden?
- So unterscheiden sich die Symptome bei Mädchen und Jungen
- Wie Eltern vorgehen können, wenn sie einen Verdacht haben
- Welche Fehler Eltern beim Thema Essstörung vermeiden sollten
- Gesundes Essverhalten fördern: So geht's
Ab welchem Alter Essstörungen auftreten
Essstörungen im Kleinkindalter
Ein gestörtes Essverhalten, das schon im frühen Kindesalter auftritt – im Alter von zwei bis drei Jahren –, ist das Pica-Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine Essstörung, bei der Kinder nicht essbare Substanzen essen, wie Kreide, Papier oder Haare. Weil kleine Kinder ja sehr viele Dinge in den Mund nehmen, ist das Pica-Syndrom teilweise auch als eine normale Entwicklungsphase angesehen. Wenn das Verhalten jedoch länger andauert oder auch bei älteren Kindern zu beobachten ist, sprechen wir von einer Entwicklungsstörung.
Essstörungen im Kindergartenalter
Frühe Störungen beginnen im Frühkindesalter (vor Schulbeginn). Bei Kindern unter sechs Jahren ist es eher selten, aber durchaus möglich, insbesondere dann, wenn es um selektives oder restriktives Essverhalten geht. Dieses krankhaft wählerische Verhalten wird Picky-Eater-Syndrom genannt. Picky Eater bevorzugen oder vermeiden bestimmte Lebensmittel, Texturen, Geschmacksrichtungen oder Gerüche. Das tritt häufig bei hochsensiblen Kindern auf, die Schwierigkeiten haben, sensorische Reize zu verarbeiten. Es kann aber auch an einer schlechten Erfahrung mit Essen liegen.
Ähnliches gilt für die Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder (ARFID), also eine vermeidend-restriktive Ernährungsstörung: Manche Kinder mit Arfid haben Angst vor dem Schlucken oder Erstickungsgefühle beim Essen. Arfid unterscheidet sich deutlich von anderen Essstörungen, da das Hauptproblem in der Nahrungsaufnahme selbst liegt und nicht in der Angst vor Gesichtszunahme oder einem verzerrten Körperbild. Der Unterschied zwischen einem Picky Eater und Arfid liegt vor allem in der Schwere und den Folgen des Essverhaltens. Während wählerisches Essen bei Kindern oft als normal gilt und in der Regel keine schwerwiegenden, gesundheitlichen oder sozialen Auswirkungen hat, handelt es sich bei Arfid um eine ernsthafte Essstörung, die oft eine medizinische oder psychologische Behandlung erfordert.
Essstörungen in der Pubertät
Essstörungen treten am häufigsten in der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter auf, typischerweise im Alter von zwölf bis 25 Jahren. Insbesondere in der Pubertät sind junge Menschen aufgrund körperlicher und emotionaler Veränderungen besonders gefährdet.
Die häufigsten Altersgruppen sind:
Anorexia nervosa (Magersucht) zwischen zwölf und 18 Jahren – aber die Patienten werden immer jünger.
Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht): Entwickelt sich häufig etwas später, meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr.
Binge-Eating-Störung: Ab zwölf Jahren, wird aber lange Zeit oft nicht entdeckt. Da wird dann vom "Babyspeck" gesprochen, oder das Kind ist etwas "moppelig" – bis viel später erkannt wird, dass dahinter eine Erkrankung steckt.
Biggerrexie (Krankhafte Muskelsucht): Beginnt häufig im frühen Jugendalter, wenn junge Menschen intensiv mit Kraftsport oder Bodybuilding beginnen. Die Störung betrifft vor allen Dingen Jungen, die ein verzerrtes Körperbild entwickeln und sich als zu klein oder zu schwach wahrnehmen.
Emetophobie (Angst vor Erbrechen): Ab zwölf Jahre - unbehandelt dann mit Folgeerkrankung atypischer Magersucht.
Um die Essstörungen des Kindes noch besser zu verstehen, ist es wichtig, die überwältigenden Emotionen in den Blick zu nehmen, die eine zentrale Rolle spielen. Kinder mit Essstörungen wie Bulimie, Binge-Eating oder Anorexie fühlen sich oft von ihren Gefühlen überwältigt und nutzen das Essen als eine Art Bewältigungsstrategie. Besonders in der Pubertät – einer Phase, in der die Stimmung oft schwankt – lernen Kinder erst allmählich, mit ihren Emotionen umzugehen und passende Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Manche Kinder haben nur einen eingeschränkten Zugang zu ihrem eigenen emotionalen Erleben oder fühlen sich von ihren Gefühlen beherrscht. Ängste, Stress, Depression oder Trauer werden oft intensiv erlebt und wenn die Fähigkeit fehlt, diese negativen Emotionen auszudrücken, kann das Essverhalten zur Kompensation oder Regulation dieser Gefühle dienen.
Bei welchen Anzeichen sollten Eltern hellhörig werden?
Generell gilt: Eltern sollten aktiv werden, wenn das Kind auffällig häufig oder exzessiv isst, was mit übermäßiger Anstrengung zur Gewichtskontrolle einhergeht.
Weitere Punkte sind:
- verstecken von Nahrungsmitteln
- ungewöhnliches Essverhalten, wie kauen und ausspucken
- negatives Selbstbild
- übermäßiges Training oder übermäßige Bewegung
- ungewöhnliche Diätbeschränkungen
- starke Beschäftigung mit gesunder Ernährung
- veränderte Wahrnehmung von Nahrungsmitteln und Gewicht
- Geheimniskrämerei im Umgang mit Essen oder Nahrungsaufnahme
- Stimmungsschwankungen
- Angst
- seltene oder unregelmäßige Mahlzeiten
- übermäßige Beschäftigung mit Kontrolle von Nahrung und Mahlzeiten
- Vermeidung von sozialen Kontakten, bei denen auch gegessen wird
So unterscheiden sich die Symptome bei Mädchen und Jungen
Es gibt viele gemeinsame Anzeichen für Essstörungen bei Jungen und Mädchen. Sie unterscheiden sich jedoch im Schwerpunkt des Körperbildes, den konkreten Verhaltensweisen und der gesellschaftlichen Wahrnehmung.
Die Jungen sind stärker auf Muskulatur fokussiert, während bei Mädchen die Schlankheit im Mittelpunkt steht.
Bei Mädchen zeigt sich die Essstörung häufig durch typische Verhaltensweisen wie Diäten, Kalorien zählen, Mahlzeiten auslassen oder die Vermeidung bestimmter Lebensmittel (Fette oder Kohlenhydrate). Auch das Erbrechen nach dem Essen bei Bulimie oder die extreme Einschränkung von Nahrungsaufnahme bei Anorexie ist häufiger bei Mädchen. Allerdings: Achtung – die Jungen holen hier leider auf!
Die Jungen neigen tendenziell eher zu exzessivem Sport oder Krafttraining, um das Körperbild zu formen. Sie können eine starke Besessenheit von Proteinzufuhr oder Nahrungsergänzungsmitteln wie Eiweißpulver entwickeln. Häufig fühlen sie sich dann trotz eines muskulösen Körpers immer noch schmächtig.
Tatsächlich werden Essstörungen bei Mädchen häufiger erkannt und als typisches Mädchen-Problem gesehen. Essstörungen bei Jungen bleiben länger unerkannt, weil auch das Streben nach einem muskulösen Körper in der Gesellschaft akzeptiert oder sogar als gesund wahrgenommen wird.
Wie Eltern vorgehen können, wenn sie einen Verdacht haben
Die Eltern sollten einfühlsam mit ihrem Kind kommunizieren und dabei betonen, was sie beobachtet haben. Es ist wichtig, dabei Ich-Botschaften zu verwenden und ihre Sorgen auszudrücken, ohne das Gewicht des Kindes in den Fokus zu stellen. Anstatt Kritik oder Ratschläge zu geben, sollten Eltern Unterstützung anbieten und sich darauf konzentrieren, präsent zu sein. Es ist entscheidend, sich nicht entmutigen zu lassen und vorab zu überlegen, welche Form der Hilfe angeboten werden kann. Ein möglicher Schritt könnte zum Beispiel ein Gespräch mit einer Beratungsstelle oder einem Arzt sein.
Fünf goldene Regeln für den Umgang mit dem Kind:
- Sprich offen mit deinem Kind, offene und sympathische Gespräche sind wichtig, damit das Kind sich öffnen kann und seine eigenen Sorgen auch mitteilen kann.
- Mach niemandem Schuldgefühle. Es ist wichtig zu verstehen, dass Essstörungen niemandes Schuld sind. Schiebe keine Schuld auf dein Kind oder irgendjemand anderen.
- Schaffe eine positive Atmosphäre. Fokussiere dich auf die positiven Eigenschaften deines Kindes und schaffe ein Umfeld, das dein Kind unterstützt.
- Sei geduldig: Essstörungen zu überwinden braucht Zeit und es gibt selten eine schnelle Lösung.
- Rücke die körperlichen Eigenschaften deines Kindes aus dem Fokus.
Die wichtigste Regel für die Eltern ist es, zusammenzuarbeiten und an einem Strang zu ziehen! Häufig wird die Essstörung von der Mutter als Erstes bemerkt, und vom Vater eher etwas abgetan, mit dem Worten: "Das ist doch nur eine vorübergehende Phase" und die Mutter solle das bitte nicht so dramatisieren. Hier ist Einigkeit ganz besonders wichtig.
Welche Fehler Eltern beim Thema Essstörung vermeiden sollten
- Der häufigste Fehler ist es, dass das Problem unterschätzt oder ignoriert wird. Oder dass Eltern sich mit einer kurzen Erklärung von dem Kind gerne beschwichtigen lassen. Eltern warten manchmal zu lange, bevor sie etwas tun. Dahinter steckt oft die Angst, das Thema "hochzuspielen", oder dass sie denken, es handelt es sich nur um eine Phase. Und dabei ist es gleich, ob es sich um eine Gewichtsabnahme oder -zunahme handelt. Dies kann dazu führen, dass sich die Essstörung manifestiert.
Es ist wirklich wichtig, frühzeitig zu handeln, wenn erste Anzeichen einer Essstörung auftreten.
- Fehler Nummer zwei ist sicherlich die Fokussierung auf das Gewicht. Das bedeutet, dass Eltern durch ihre Kommentare wie z. B. "Du solltest etwas abnehmen", oder "Du bist aber dünn geworden" das Kind noch mehr unter Druck setzen und das verzerrte Körperbild verstärken. Das Ziel sollte es eher sein, dass sich die Eltern auf das emotionale Wohlbefinden und die psychische Gesundheit des Kindes konzentrieren und dem Kind helfen, eine gesunde Beziehung zum Essen und zum eigenen Körper zu entwickeln.
- Ein Fehler mit weitreichenden Folgen: Eltern sollten die Kinder sehr ernst nehmen. Wenn ein Kind davon spricht, dass es eigentlich essen möchte und dennoch einen großen Gewichtsverlust hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Magersucht die Hauptursache ist. In meiner Praxis sehe ich oft, dass Kinder aufgrund ihrer erheblichen Gewichtsabnahme zunächst in vielen Therapien und auch in Kliniken vorrangig auf Magersucht behandelt werden. Die eigentliche Ursache, eine Angsterkrankung, nämlich die Angst vor dem Erbrechen, bleibt dabei jedoch häufig unerkannt und unbehandelt. Das führt häufig zu einer Odyssee, bis dann endlich die Diagnose gefunden und das Kind richtig behandelt werden kann. Die atypische Magersucht ist eine Folgeerkrankung der Angst vor dem Erbrechen.
Hilfe finden Eltern bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Gesundes Essverhalten fördern: So geht's
- Um Essstörungen vorzubeugen, ist eine umfassende Förderung eines gesunden Selbstwertgefühls und einer positiven Körperwahrnehmung entscheidend.
- Negative Gedanken über das eigene Aussehen und ein geringes Selbstwertgefühl sind oft Auslöser für Essstörungen, verstärkt durch externe Einflüsse wie Medien und gesellschaftlichen Druck.
- Eltern, Schulen und die Gesellschaft sollten daher verschiedene Maßnahmen ergreifen, wie die Förderung eines positiven Körperbildes und die Akzeptanz aller Körperformen, Lob für Fähigkeiten anstelle des Aussehens sowie die Stärkung der Medienkompetenz und die Vermeidung von Nahrungsmittelstigmatisierung.
- Es ist wichtig, den Umgang mit Stress und Emotionen zu erlernen und frühzeitig über Essstörungen aufzuklären und zu sensibilisieren.
Quelle: statista.com
Martina Effmert ist Heilpraktikerin, Autorin und Expertin für Essstörungen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher (u. a. "Mein Kind hat eine Essstörung", "Angst vor Übelkeit und Erbrechen"), Podcast-Host ("Leben ohne Angst") und betreibt eine Praxis für Naturheilkunde, Psychotherapie und Hypnose in Düsseldorf.
Mehr Infos unter effmert-coaching.de
Foto: Claudia Zurlo Photography