
Immer wieder haben wir gehört: Hustensaft bringt nichts, im Gegenteil, er kann sogar schaden. Doch ist das tatsächlich so? Wir haben bei der Kinder- und Jugendärztin Dr. Catharina Amarell aus Landshut nachgefragt.
Stimmt es, dass Hustensaft bei einem "normalen" Erkältungsinfekt nichts bringt?
Dr. Catharina Amarell: Ein "normaler" oder auch "banaler" Husten ist eigentlich eine sinnvolle Schutzfunktion des Körpers. Husten ist keine eigene Erkrankung: Es ist ein Symptom für eine Vielzahl von möglichen Erkrankungen.
So husten wir, weil der Körper die Atemwege von Schmutz, Schleim, oder auch Erregern wie Viren oder Bakterien befreien will. Daher ist es auch nicht sinnvoll, den Husten zu unterdrücken oder abzustellen. Auch eine zu starke "Schleimlösung" kann bei kleinen Kindern die Symptomatik sogar verschlechtern, da diese eventuell den Schleim dann nicht gut abhusten können.
Gibt es Studien, die die Wirksamkeit von Hustensaft bestätigen bzw. widerlegen?
In einer Vielzahl von Studien konnte gezeigt werden, dass gängige synthetische Hustenmittel nicht zu einer Verkürzung der Hustendauer oder Schwere führen. Allerdings können sie sogar die Symptome verschlechtern: Wenn man zum Beispiel einen Hustenstiller regelmäßig einnimmt, dann kann es dazu führen, dass das Sekret und der Schleim nicht mehr abgehustet wird, daher in den Atemwegen bleibt und damit dann einen idealen Nährboden für Viren und Bakterien bildet.
Unterscheiden muss man bei einem akuten Husten den trockenen Reizhusten, der meist zu Beginn der Erkrankung auftritt und den feuchten Husten, in den es meist nach drei bis fünf Tagen übergeht.
Die hustenstillenden Medikamente zeigen in Studien keine Überlegenheit gegenüber einem Placebo – allerdings können sie zu Nebenwirkungen führen. Gerade bei Kindern gibt es auch Berichte über Überdosierungen und damit verbundenen bedrohlichen Situationen. Denn diese Hustenstiller setzen entweder an den Hustenrezeptoren in den Atemwegen an, oder an den zentralen Hustenrezeptoren im Gehirn. Eine Überdosis kann hier zu Atemaussetzern führen.
Dagegen zeigten Studien, dass ein Teelöffel Honig zur Nacht (für Kinder über einem Jahr) effektiv den Reizhusten lindert – und das ganz ohne Nebenwirkungen.
Für Medikamente, die den Schleim verflüssigen und besser abhusten lassen sollen, fehlt es an guten klinischen Studien. Die Ergebnisse der Studien sind nicht einheitlich und wenn es positive Hinweise für den Einsatz gibt, dann bei Bronchitis oder Nasennebenhöhlenentzündungen oder Mittelohrentzündungen. Nicht für den akuten Husten.
Warum werden dann aber trotzdem so viele Hustensäfte verkauft?
Gerade Husten kann das Kind und die Familien belasten: Denn insbesondere in der Nacht kann er allen den Schlaf rauben. Daher ist es natürlich verständlich, dass Eltern nach Möglichkeiten zur Linderung suchen.
Wichtig ist hier die Aufklärung: Der Husten ist wie gesagt ein Symptom und keine Erkrankung. Wichtig ist, dass Eltern wissen, dass bei einem gesunden Kind der Körper eine starke Selbstheilungskraft hat und man nicht immer etwas einnehmen muss, um gesund zu werden. Wie und womit wir unsere Kinder behandeln, beeinflusst und prägt ihr Gesundheitsverständnis und ihren Umgang mit Erkrankungen für ihr gesamtes Leben.
Hier seht ihr noch ein Reel der Kinderärztin zu dem Thema:
Darf und soll man Kindern also nie Hustensaft geben?
Ich denke, man kann diese Frage nicht dogmatisch beantworten. Wenn das Kind so vom Husten gequält ist, dass es nachts nicht schlafen kann, Schmerzen aufgrund des starken Hustens hat: Dann kann man überlegen, ob eventuell eine Unterstützung hilfreich ist. Hier gibt es aber auch Alternativen, zum Beispiel äußere Anwendungen. Bei einem Husten, der das Kind nicht belastet (höchstens uns Eltern – das zählt aber in diesem Fall nicht 😉), ist keine medikamentöse Therapie nötig.
Was tun bei belastendem Husten?
- Im Einzelfall kann man auch bei einem störenden, das Kind beeinträchtigen(!) akuten Husten über einen Hustensaft nachdenken.
- Wer hier Interesse an Pflanzenheilkunde bei Kindern hat, kann auch bei dem HMPC (Herbal Medicinal Products), dem Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel, einem Fachgremium der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA, nachschauen: Sie erstellt auf wissenschaftlicher Basis Monographien für pflanzliche Arzneimittel.
- Hier gibt es im Bereich der Pflanzenheilkunde Beobachtungsstudien und sehr positive Anwendungsbeobachtungen für Efeu- und Thymian-Präparate.
- Efeu: Es gibt eine nachgewiesene Wirkung. Nicht, dass es die Krankheitsdauer verkürzt, aber bei einem Teil der Kinder führt es (nach vier bis fünf Tagen) zu einer Abmilderung der Symptome.
- Efeu ist hustendämpfend und schleimlösend, krampflösend und hat eine auswurffördernde sowie antibakterielle Wirkung.
- Das HMPC hat die Anwendung bei Kindern von zwei bis vier Jahren als "well-established-use" (also, gut verbreitete Nutzung) eingestuft.
- Aber auch hier darauf achten: Jedes Medikament, auch ein pflanzliches, kann Nebenwirkungen haben. Also auf jeden Fall die Dosierung einhalten und die Altersfreigabe beachten! Und lieber auf äußere Anwendungen wie zum Beispiel Bienenwachswickel mit Thymian zurückgreifen.
- Pflanzliche Hustensäfte enthalten oft Alkohol (bei richtiger Dosierung übersteigt die Menge aber nicht die Menge an Alkohol, die natürlicherweise in einem Glas Apfelsaft enthalten ist), aber trotzdem: Umso kleiner das Kind, desto wichtiger ist es, auf Säfte ohne Alkohol zu achten.
Was kann man noch tun, um Kindern bei Husten zu helfen?
Zur Hustenlinderung (bei kleinen Kindern) kann man außerdem folgendes tun:
- auf ausreichende Luftfeuchtigkeit achten. Trockene Luft reizt die Schleimhäute zusätzlich, daher sollte man versuchen, die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen. Das geht zum Beispiel mit speziellen Luftbefeuchtern, aber auch mit dem Aufhängen von feuchten Tüchern (über den Heizkörpern).
- Inhalation von Kochsalzlösung (niemals bei Kleinkindern über dem Topf wegen Verbrennungsgefahr! Nur mit Inhalationsgerät) kann helfen, den Hustenreiz zu lindern, indem es die Atemwege anfeuchtet. Der Effekt hält allerdings nicht sehr lange an. Es kann aber gerade zum Einschlafen helfen. Wichtig: Nur, wenn das Kind es auch als angenehm empfindet, nicht dazu zwingen (das ist etwas anderes bei einer Verengung der Bronchien, bei der eine Inhalation mit einem Medikament nötig ist).
- Nase frei halten.
- Regelmäßig Kochsalznasentropfen geben, ggf. zur Nacht auch abschwellende Nasentropfen
- Gerade bei Babys ist auch Engelwurzbalsam auf den Nasenflügeln sehr hilfreich, oder auch eine Akupressur-Massage entlang der Nasenflügel.
- Den Oberkörper hoch zu lagern kann helfen, damit weniger Schleim in den Rachen zurückläuft und so zusätzlich zu Hustenreiz führt: Allerdings ist das ab dem Kleinkindalter häufig nicht umsetzbar, da nur die wenigsten Kinder "still" in ihrem Bett liegen bleiben.
Weitere Tipps von der Kinderärztin:
Gerade bei Kindern ist es wichtig, sich immer zu fragen: Was braucht mein Kind? Oft ist es vor allem Zuwendung, Nähe und Ruhe. Zusätzlich helfen und unterstützen auch "heilende Rituale" das Kind beim Gesundwerden: der besondere "Hexentrank" (Kräutertee) der zusammengebraut wird, das Einreiben der Brust oder Rücken verbunden mit einer kleinen Massage, …
Je kleiner das Kind ist, umso wichtiger finde ich die Frage: Braucht mein Kind ein Medikament zum Einnehmen oder "reicht" eine äußere Anwendung? Jedes Medikament – ob synthetisch oder pflanzlich – kann Nebenwirkungen und Wechselwirkungen haben, und gerade bis zum Kleinkindalter reicht eine Unterstützung mit Auflagen, Honig, Tee und vor allem viel Zuwendung im Normalfall absolut aus.