Für immer im Herzen

Tobias starb viel zu früh: "Wir werden dich immer lieben, kleiner König"

Tobias – liebevoll "der kleine König" genannt – wurde nur 17 Jahre alt. Wir haben mit seiner Mutter gesprochen, die seine Geschichte jetzt in einem Buch veröffentlicht hat.

Lachendes Kind im Kindersitz© privat
Tobias aka der kleine König liebte es, Quatsch zu machen.

Nach einer komplikationslosen Schwangerschaft litt der kleine Tobias während der Geburt aufgrund eines komplizierten Herzfehlers unter Sauerstoffmangel, was zu schweren Folgeschäden führte. Mit 17 Jahren starb er unerwartet. Seine Eltern und seine Schwester sind voller Dankbarkeit, dass sie ihn sein kurzes Leben lang intensiv begleiten durften. Und möchten anderen Familien Mut machen. Wir haben mit Elisabeth König, Tobias' Mutter, gesprochen, die uns trotz des emotionalen und bewegenden Themas ganz offen Rede und Antwort stand. Der folgende Artikel ist aus ihren Antworten heraus entstanden. 

Komplikationen bei der Geburt

Während seiner Geburt im April 2002 gab es Komplikationen, der kleine König erlitt Sauerstoffmangel und schluckte Fruchtwasser, was zu einem Hirnödem und zu einer Lungenentzündung führte. Die ersten Stunden und Tage nach der Geburt waren alles andere als einfach. Elisabeth König: "Ich bzw. wir waren geschockt, sicher auch ein Stück weit traumatisiert." Während Tobias' Papa direkt in die Kinderklinik fuhr, musste seine Mama noch in der Klinik bleiben, in der sie entbunden hatte. "Ich hatte unseren Sohn nicht gesehen, nur ganz kurz auf dem Bauch gespürt, weil er in ein warmes Tuch gewickelt war", erinnert sie sich. "Die Stunden, bis die erlösende Botschaft kam, dass er überlebt hatte, kamen mir wie eine Ewigkeit vor." Die Angst, dass er sterben könnte, versuchte sie so gut wie möglich zu verdrängen. Die Ärzte der Mutter waren in ständigem Kontakt mit der Kinderklinik und hielten sie auf dem Laufenden. Am nächsten Morgen brachte ihr Mann sie dann in die Klinik, an die auch die Kinderklinik angeschlossen war. "Dann stand ich am Inkubator unseres kleinen Sohnes und war nur glücklich, dass er überlebt hatte. Über mehr machte ich mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken."

Angeborener Herzfehler und bleibende Schäden

Genau einen Monat nach seiner Geburt, am 15. Mai 2002, wurde Tobias aus der Klinik entlassen, in der die Schwestern den Kleinen von Anfang an liebevoll "der kleine König" genannt hatten. Während des Klinikaufenthaltes stand in den Gesprächen mit den Ärzten immer wieder die Frage im Raum, ob und wenn ja, welche Schäden zurückbleiben würden. Einen Monat nach der Entlassung gab es eine Nachuntersuchung. Erst dabei wurde erst festgestellt, dass Tobias einen angeborenen Herzfehler hatte, der operiert werden müsste. Die Ärzte hatten sich nach der Geburt komplett auf das Hirnödem und die Lungenentzündung fokussiert. Nun müsse man abwarten, wie sich der Junge entwickelt. Der Kardiologe in der Kinderklinik sagte, Tobias müsse sechs Monate nach der Herz-OP deutliche Fortschritte machen, ansonsten sei die Entwicklungsverzögerung auf den Sauerstoffmangel zurückzuführen.

Sechs Monate später war Tobias noch immer in vielen Bereichen eingeschränkt. "Es war nicht leicht mitzubekommen und zuzusehen, wie andere Kinder im gleichen Alter sich normal entwickelten und ihre Fortschritte machten" erinnert sich Elisabeth König. "Das tat schon weh." Die folgenden Monate und Jahre waren von Sorgen und Klinikaufenthalten, aber immer wieder auch fröhlichen und glücklichen Momenten mit Tobias geprägt. Die Familie wuchs quasi gemeinsam in die Herausforderungen und Entwicklungen hinein.

Erneuter Familiennachwuchs

Als Tobias vier Jahre alt war, bekam er eine kleine Schwester. Zu diesem Zeitpunkt war längst klar, dass der Sauerstoffmangel bei seiner Geburt und kein Gendefekt der Grund für seine Behinderung waren. "Meine Frauenärztin bereitete mich schon früh darauf vor, dass es besser wäre, wenn wir einen Kaiserschnitt für die Geburt meiner Tochter planten", berichtet Mama König. Sämtliche Risikofaktoren wurden im Vorfeld untersucht, unter anderem gab es eine große Doppleruntersuchung.

Geschwisterliebe und Familienzeit

Tobias liebte seine kleine Schwester von Anfang an. Solange sie noch Baby war, solidarisierte sich der kleine König, wenn sie weinte. Später beobachtete er immer, was sie schon konnte und versuchte, es nachzumachen. "Sie hat ihn immer in ihr Spielen mit einbezogen und oft Blödsinn mit ihm gemacht, was ihm viel Freude bereitete", erzählt Elisabeth König.

Tobias konnte nicht sprechen. Doch irgendwann fiel den Eltern auf, dass ihr Sohn beim Erzählen immer sehr aufmerksam zuhörte und zum richtigen Zeitpunkt die richtige Reaktion zeigte, indem er zum Beispiel entweder lachte oder ernst blieb. Daraus schließen sie, dass er alles, was erzählte wurde, verstand. "So lernten wir, auf welche Weise wir ihm Fragen stellen mussten, damit er mit einem lachenden Ausdruck 'Ja' sagen und mit einem ernsten oder traurigen Gesicht 'Nein' sagen konnte", beschreibt seine Mutter den Prozess. Das machte die Kommunikation in der Familie endlich einfacher und machte alle Beteiligten zufriedener.

Die Eltern sorgten dafür, dass Tobias mit wenigen Ausnahmen an allen Familienausflügen und -unternehmungen teilnehmen konnte. "Die vielen Familienfeste, die es immer wieder zu feiern gab, seine eigene Erstkommunion und Firmung sowie die Besuche, die wir immer wieder hatten, waren für ihn jedes Mal ein Fest", sagt Elisabeth König. Er ging sehr gerne in die Schule, und es tat ihm immer gut, wenn er mit einbezogen wurde. 

Plötzlich wird schlagartig alles anders

Seine Mutter berichtet, dass der kleine König seit 2013 immer wieder einmal über ein Wochenende oder in den Ferien zur Entlastung der Familie in der Schatzinsel war. Das ist eine Gruppe, die seiner Schule angeschlossen ist. Der Aufenthalt hier kann über Kurzzeitpflege abgerechnet werden. Im April 2019 wurde Tobias 17 Jahre alt. In den Pfingstferien verbrachte er wieder eine Woche in der Schatzinsel, während die Eltern mit der Tochter in den Urlaub fuhren. Nur wenige Wochen zuvor hatten sie grünes Licht bei den unterschiedlichen Kliniken bzw. Arztbesuchen erhalten, dass bei Tobias alles gut aussehe und besser sei, als es je war. Doch dann kam ein Anruf von der Leitung der Gruppe, der die Familie laut Elisabeth König in einen Schock versetzte. Sie wollten nicht glauben, nicht wahrhaben, dass Tobias gestorben war. Einfach so.

Ohne das Frühstück zu beenden, packte die Familie an diesem Morgen in Windeseile und brach schnellstmöglich in Richtung Heimat auf. "Erst als wir ihn mit eigenen Augen tot im Bett liegen sahen, konnten wir das alles ansatzweise glauben. Von da an haben wir, bis alles andere geregelt war, erst mal nur noch funktioniert und nach und nach erst richtig verstanden und erlebt, dass es Realität ist, dass er nicht mehr lebt und nicht mehr nach Hause kommt" erinnert sich seine Mutter.

Zuflucht im Glauben

Beide Eltern sind mit dem katholischen Glauben groß geworden, Elisabeth König selbst war schon früh Ministrantin. Der Glaube gehörte von klein an zu ihrem Leben dazu. Und so ist es ein Segen, dass die Familie auch in dieser schweren Zeit Halt fand im Glauben. In der Jugendzeit und später auch im Beruf entschied sich Elisabeth König bewusst für den Glauben. Und so empfindet sie es als ein großes Geschenk, dass sie so spät noch schwanger wurde und in der Zeit alles unkompliziert lief. Für die Eltern war es selbstverständlich, auch ihre Kinder taufen zu lassen. Kleine Rituale gehörten zum Alltag dazu, und der kleine König kam von klein auf mit zum Gottesdienst.

Vom Tagebuch zur Buchveröffentlichung

Jedes Jahr hatte Elisabeth König die Geschichten des Lebens ihres kleinen Königs aufgeschrieben. Zum Teil, um sie den Ärzten und Therapeuten zur Verfügung zu stellen, aber auch, um sie der Familie und Freunden zum Lesen zu geben. Eine Therapeutin hatte schon früh gesagt, dass daraus ein Buch werden sollte, doch zu dem Zeitpunkt gab es keinen passenden Verlag. 

Im Herbst 2021 nahm Tobias Mutter an einer beruflichen Fortbildung teil, mit dem Thema "30+ Berufsjahre – Das Buch meines Lebens". Die Referenten vom Media Thoughts Verlag (in dem später auch Elisabeths Buch "Tobias. Der kleine König. Eine Kindheit" erscheinen sollte, siehe Buch-Tipp unten) begannen die Fortbildung mit einer Kennenlernrunde, in der auch etwas zu eigenen Schreiberfahrungen gesagt werden sollte. "Wie alle anderen erzählte ich, dass ich früher Tagebuch geschrieben habe. Und dass ich später die Geschichten aus der Sicht unseres Sohnes aufgeschrieben hätte", erzählt Elisabeth König. 

Der Autor und Unternehmer Dr. Thomas Michael Glaw fragte sie daraufhin später, ob er ihre Texte lesen dürfe. Etwas zögerlich schickte sie ihm ihre PDF-Dokumente. "Einige Zeit später erhielt ich Post mit dem Zusatz, dass er sich auf das Buchprojekt mit mir freut", berichtet Tobias' Mutter. Zunächst war sie sehr skeptisch. Doch irgendwann konnte sie es annehmen, dass der Verlag sie gefunden hatte. Im November 2022 traf sie gemeinsam mit ihrer Familie die Entscheidung, sich auf das Abenteuer Buchprojekt einzulassen.

Abschluss-Anekdote

Im Rahmen des Interviews, das diesem Artikel zugrunde liegt, erzählte uns Elisabeth König, dass sie schon als Jugendliche in den 70er-Jahren neben der Bistumszeitung in ihrem Heimatort, in Weinheim an der Bergstraße, die Zeitschrift "Leben & erziehen" austrug. Das freut mich als Redakteurin des entsprechenden Internet-Portals natürlich ganz besonders.