Grundschülerin freut sich.© iStock/golero
Um ein Schulzeugnis ohne Noten zu entschlüsseln, muss man ein paar Dinge wissen.

Ein Zeugnis in Worten ist oft umfangreicher als ein reguläres Schulzeugnis mit Noten. Hierzulande gibt es viele Grundschulen, die bewusst auf Noten verzichten. Stattdessen gibt es für jedes Fach einen kleinen Kommentar, der die Leistungen der Lernenden beschreibt. Viel Arbeit für die Lehrer, aber dafür ausführliche und eindeutige Infos für Schüler und Eltern – oder? Augepasst: Manchmal muss man auch zwischen den Zeilen lesen ... Unsere Gastautorin und Expertin hat da einige Beispiele parat für Formulierungen im Grundschulzeugnis und wie man sie richtig liest.

Schulzeugnis auch zwischen den Zeilen lesen

Wie können Eltern also zwischen den Zeilen lesen und verstehen, was wirklich hinter den Worten steckt? Die ehemalige Lehrerin und "Sofatutor"-Lernexpertin Tanja Szyska kennt die Tipps und Tricks, um zu erkennen, wie es lern- und leistungstechnisch um das Kind steht.

4 Beispiele zum Entschlüsseln des Schulzeugnisses

  1. Zwischen Lob und Lernpotential
    Generell sollten Eltern wissen, dass die Einschätzungen im Zeugnis allgemein positiv formuliert sind. Der Schwerpunkt liegt darauf, was das Kind schon alles kann – und weniger, was es nicht kann. Allerdings: Auch wenn sich das Zeugnis gut anhört, muss das nicht heißen, dass alles optimal in der Schule läuft. Denn die schriftliche Beurteilung soll Hinweise geben, in welchen Bereichen sich das Kind noch verbessern kann. Zudem erhalten Eltern durch das Zeugnis auch Aufschluss über das Sozialverhalten des Kindes.
     
  2. Vergleich mit Lernzielen: Erkennen von Wissenslücken
    Oft sind die Angaben in Schulzeugnissen mehrdeutig, doch mit einem geschulten Auge könnt ihr sie ganz einfach erkennen. Wenn im Zeugnis steht "schreibt flüssig und leserlich sowohl in Druck- als auch in Schreibschrift", ist das ein klares Lob für die Schreibfähigkeiten des Kindes. Aber Achtung: Wird nur eine der Schriftarten erwähnt, ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl! Es bedeutet, dass euer Kind bei der Schreibkompetenz weitere Hilfe benötigt.
     
  3. Die Macht der Adverbien: Feinheiten in der Formulierung
    Die Bedeutung von Adverbien in Zeugnissen ist nicht zu unterschätzen. Wörter wie "stets" oder "äußerst" zeigen an, dass euer Kind einen Lernbereich sehr gut beherrscht. Formulierungen wie "in der Regel" oder "zunehmend" weisen auf eine positive Entwicklung hin, während Ausdrücke wie "eher weniger" oder "sehr selten" dringenden Verbesserungsbedarf anzeigen.
     
  4. Sozialverhalten im Fokus: Zwischen den Zeilen lesen
    Auch das Sozialverhalten wird in Zeugnissen reflektiert. Sätze wie "Bislang fällt es ihr schwer, sich an Regeln zu halten" oder "Er versucht immer länger, sich zu konzentrieren" sind Indikatoren für Entwicklungsbereiche. Diese Formulierungen zeigen jedoch auch, dass die Lehrkraft dem Schüler Verbesserungspotenzial zuschreibt. Ebenso können positive Eigenschaften wie "kontaktfreudig" oder "lebhaft" im Unterrichtskontext problematisch sein, da sie ein Hinweis darauf sind, dass das Kind Konzentrationsprobleme hat oder andere Mitschüler ablenkt. 

Mit der Lehrkraft im Gespräch sein

Am Ende ist ein wesentlicher Teil der Zeugnisinterpretation die Kommunikation, sowohl mit den Lehrkräften als auch mit eurem Kind. Bei Unsicherheiten oder Fragen zum Zeugnis sollten Eltern nicht zögern, das Gespräch mit der Lehrkraft zu suchen. Oftmals sind Lehrer proaktiv und nehmen bereits vor der Zeugnisausgabe Kontakt auf, wenn es Bedenken oder Probleme gibt. Parallel dazu ist es wichtig, mit eurem Kind zu erörtern, was es braucht, um sich in bestimmten Bereichen zu verbessern und gemeinsam zu überlegen, wie ihr es dabei unterstützen könnt.