Zwischen Selbstregulation und Überforderung

Werden Kinder unselbstständig, wenn Eltern ihnen bei den Hausaufgaben helfen?

Wie viel Elternbeteiligung bei den Hausaufgaben ist gut und notwendig? Und welchen Sinn erfüllen Hausaufgaben überhaupt? Darum geht es in diesem Beitrag.

Junge angestrengt bei den Hausaufgaben© Foto: iStock/romrodinka
Hausaufgaben können ganz schön anstrengend sein. Aber ob Eltern dann helfen sollten?

Hausaufgaben – in vielen Familien ein leidiges Thema mit Konfliktpotenzial. Welche Regeln man dazu aufstellt, ist ganz individuell. Jede Familie sollte versuchen, eine für sie passende und stimmige Lösung zu finden. Nach der Schule erst mal Pause, dann Hausaufgaben und erst anschließend verabreden? Oder erst mal zum Sport und dann noch einmal an den Schreibtisch? Die Wege sind so vielfältig wie die Familien selbst. Doch wie viel Elternbeteiligung ist überhaupt sinnvoll? Und wie können wir unsere Sprösslinge sinnvoll unterstützen, ohne sie in der Entwicklung ihrer Selbstständigkeit zu hemmen? Wir haben mit Experten gesprochen, die einige Empfehlungen mitgeben.

Keine Hausaufgaben im Ganztag, oder?

In Zeiten von Ganztagsschulen sind Hausaufgaben für viele Familien ohnehin kein Thema mehr. Es gibt dann betreute Lernzeiten in der Schule, in denen die Lernenden ihre Aufgaben (hoffentlich) erledigen. In diesem Fall liegt die Verantwortung jedenfalls nicht direkt bei den Eltern. Es sei denn, die Kinder können sich in der Schule nicht genug konzentrieren und schaffen die Aufgaben daher nicht. Im Ganztag wäre es optimal, wenn geschultes, pädagogisches Personal in den Lernzeiten zur Verfügung stünde, an das die Lernenden sich bei Bedarf wenden können. Gleichzeitig sollte das Personal darin geschult sein, eigenständiges Arbeiten zu unterstützen. Sollen die Schüler und Schülerinnen also anhand von Hausaufgaben lernen, eigene Ziele zu verfolgen, sich ihre Zeit einzuteilen, ihre Aufmerksamkeit, Gefühle und Impulse zu kontrollieren, muss man ihnen zeigen, wie das geht. Das nennt sich dann Selbstregulation, die auch ein Ziel sein kann, das man mit Hausaufgaben verfolgen möchte.

Darum werden Hausaufgaben aufgegeben

Unabhängig vom Ganztag wäre es sinnvoll, wenn sich Lehrkräfte gut überlegen, weshalb sie überhaupt Hausaufgaben aufgeben. Es mag Lehrende geben, die das Hausaufgabengeben nicht (mehr) hinterfragen. Doch im besten Fall sind Hausaufgaben gut durchdacht und erfüllen dann auch einen Sinn. Zum Beispiel die oben erwähnte Selbstregulation. Oder sie verfolgen das Ziel, den Stoff zu festigen, zu vertiefen und mitunter sogar neuen Stoff zu entdecken. Die Motivation für Hausaufgaben kann also durchaus vielfältig und unterschiedlich sein. "Hausaufgaben sind dann sinnvoll, wenn in der Schule erlernte Fertigkeiten geübt werden", bestätigt der Gymnasiallehrer Florian Nuxoll aus Tübingen. "Dabei geht es zum Beispiel darum, bestimmte Rechenschritte zu automatisieren oder Wissen zu festigen. Die Kinder müssen also begreifen, dass Hausaufgaben keine Beschäftigungstherapie sind, sondern dem nachhaltigen Verstehen von Inhalten dienen."

Sicher wollen viele Lehrende (den Ganztag ausgenommen) mit den Hausaufgaben auch eine Brücke zum Elternhaus schlagen, um die Eltern bei der Lernentwicklung mitzunehmen. Studien zeigen, dass Kinder, die regelmäßig Hausaufgaben aufbekommen, insgesamt mehr lernen. Wer sie wie vorgegeben erledigt, lernt oftmals mehr dazu als Mitschüler, die das nicht tun. Die erfolgreichste Wirkung entfalten Hausaufgaben offenbar, wenn sie außerdem regelmäßig kontrolliert und mit individuellem Feedback zurückgegeben werden.

Wenn Eltern bei den Hausaufgaben helfen, hat das Auswirkungen

Elternhilfe bei den Hausaufgaben ist übrigens nicht immer positiv. Das zeigt zum Beispiel eine relativ kleine Deutsch-Schweizer Studie mit 1700 Sechstklässlern, die im "Journal of Educational Research" veröffentlicht wurde. Demnach fiel die Leistungsentwicklung der Kinder, deren Eltern oft bei den Hausaufgaben halfen, schlechter aus als die der Kinder, die selbstständig ihre Hausaufgaben machten. Günstig für den Lernfortschritt sei es allerdings, wenn Eltern sich nicht einmischten, aber unterstützend im Lernprozess präsent waren. 

Sandra Moroni von der Pädagogischen Hochschule Bern, die Erstautorin der Studie, erklärt: "Es macht einen großen Unterschied, ob Kinder die Unterstützung der Eltern als Hilfe oder als unliebsame Einmischung und Kontrolle empfinden." Häufig greifen Eltern bekanntlich verstärkt dann ein, wenn die Leistungen ihrer Kinder schlechter werden. Doch das frustriere die Kinder nur umso mehr. Sie denken dann, dass sie gute Leistungen wohl nicht alleine erreichen können. "Das führt zu einem Teufelskreis", erklärt Moroni. Sie rät daher, als Erstes genau zu prüfen, warum die Leistung des eigenen Kindes nachgelassen hat. Dann könne man – ggf. auch mit den Lehrkräften gemeinsam – nach Möglichkeiten suchen, wie das Kind die Hausaufgaben wieder eigenverantwortlich erledigen kann. 

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Bei den Hausaufgaben als Eltern präsent sein

"Generell sollten Hausaufgaben so gestellt werden, dass die Kinder sie selbstständig erledigen können. Ist das nicht der Fall, ist dies eine wichtige Rückmeldung an die Lehrkraft", so Florian Nuxoll. Die ehemalige Gymnasiallehrerin und Lernexpertin bei "Sofatutor" Tanja Szyska sagt dazu: "Eltern sollten bei Grundschulkindern am besten in der Nähe bleiben und sich mit etwas anderem beschäftigen. So vermitteln sie ihrem Kind, dass sie ihm vertrauen und daran glauben, dass es die Hausaufgaben alleine schafft." Weiterhin empfiehlt sie: "Wenn das Kind dann doch Unterstützung braucht, sollten Eltern nichts vorsagen, sondern Lernwege aufzeigen. Der Vorteil: Selbst erworbenes Wissen bleibt länger im Gedächtnis." So können die Eltern etwa dabei helfen, auf welcher Seite im Schulbuch die Antwort zu finden ist, diese aber nicht auf einem Silbertablett servieren. Das hat laut Tanja Szyska einen positiven Effekt: "Indem Eltern ihr Kind befähigen, sich selbst zu helfen, stärken sie dessen Selbstvertrauen." Umgekehrt verlieren Kinder die Motivation und bauen mitunter sogar Ängste auf, wenn Eltern bei den Hausaufgaben zu stark eingreifen. "Wenn Eltern helfen, sollten sie darauf achten, dass sie am Ende nicht die kompletten Hausaufgaben machen", betont auch Florian Nuxoll. "Kurze Hilfestellungen reichen oft aus, die Kinder müssen schließlich lernen, auch mit schwierigen Aufgaben umzugehen. Der Familienfrieden sollte wegen der Hausaufgaben auf keinen Fall gefährdet werden."

Die Lernexpertin Tanja Szyska ergänzt: "Eltern dürfen aber auch deshalb keine Nachhilfelehrkräfte sein, weil sie ihrem Kind die Dinge vielleicht anders erklären, als die Lehrkraft es tun würde." Das heißt, mit ihren Erklärungsversuchen gehen Eltern das Risiko ein, ihr Kind zu verwirren, statt ihm zu helfen. Zudem könnte die Lehrkraft den Eindruck gewinnen, dass sie das Tempo zur nächsten Lerneinheit anziehen kann, wenn es bei der Hausaufgabenkontrolle keine Fehler gibt. 

Wenn Kinder mit den Hausaufgaben überfordert sind

Je nach Alter des Kindes könne es auch sinnvoll und hilfreich sein, wenn Eltern gemeinsam mit dem Nachwuchs für eine gute Lernatmosphäre sorgen. Dazu gehören ein aufgeräumter Schreibtisch, eine ruhige Umgebung und eventuell auch ein mit dem Kind zusammen erstellter Hausaufgabenplan. Das Abhaken erledigter Aufgaben fördert die Motivation, da die Kinder sehen, was sie schon alles geschafft haben. Und wenn die Kinder einfach keine Lust haben, weil sie glauben, der Stoff sei für ihr Leben unwichtig? Auch hier hat die Lernexpertin einen Tipp: "Statt Druck aufzubauen, sollten Eltern in so einer Situation versuchen, einen Alltagsbezug herzustellen. Dein Kind langweilt sich beim Lernen von Gewichtseinheiten? Beim nächsten Plätzchenbacken könnt ihr ihm zeigen, wie hilfreich ein Verständnis von Mengenangaben im Alltag ist."

Eine Überforderung erkennt man mitunter auch daran, dass das Kind länger als vorgesehen für die Aufgaben braucht. "Das ist auch dann der Fall, wenn es täglich um Unterstützung bei den Aufgaben bittet", so Tanja Szyska. Dann ist – wie oben erwähnt – ein Gespräch mit der Lehrkraft angesagt.

So lange dürfen Kinder an den Hausaufgaben sitzen

Die vorgesehene Zeit für die Schulaufgaben kann von Bundesland zu Bundesland und von Schule zu Schule variieren. Deshalb sollten Eltern sich am besten bei den Lehrkräften erkundigen, auf welchen Zeitumfang sie sich einstellen müssen. Hier eine grobe Richtlinie:

  • Erst-und Zweitklässler: nicht mehr als 30 Minuten täglich
  • Dritt- und Viertklässler: etwa 45 Minuten 
  • Fünftklässler: etwa 60 Minuten täglich
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