
Hanna sitzt am Esstisch und macht Hausaufgaben. Ihre Mutter erklärt ihr schon wieder den Rechenweg: "Rechne bis zur 10 und dann weiter." Das sagt ihre Lehrerin auch ständig. Doch Hanna nimmt immer ihre Finger, versteckt sie unter dem Tisch, damit ihre Mutter es nicht sieht und schimpft. Sie zählt das Ergebnis schnell ab. Natürlich fällt ihrer Mutter das Abzählen irgendwann auf: "Jetzt rechne doch im Kopf. Du sollst die Finger in der Schule auch nicht mehr nehmen." Am liebsten würde Hanna das Heft in die Ecke schleudern. Doch sie legt ihren Kopf auf den Tisch und schluchzt leise: "Ich bin zu blöd für Mathe! Ich werde das nie können!"
So wie Hanna haben viele Kinder Schwierigkeiten mit dem Kopfrechnen. Gerade der sogenannte Zehnerübergang stellt für viele Schüler/innen eine Herausforderung dar. 5 + 7 oder 8 + 4 sind solche Aufgaben: die Zahlen der Aufgabe sind kleiner als 10, das Ergebnis größer als 10.
Warum tun sich viele Kinder so schwer mit dem Zehnerübergang?
Wenn bei einer Rechenaufgabe das Ergebnis über 10 liegt (oder einer 20, etc.), müssen Schüler/innen mehr als nur die Einerstelle betrachten.
Beispiel: 14 + 3 = 17
Die Zehnerstelle verändert sich bei dieser Aufgabe nicht, weshalb das Rechnen von 4 + 3 zum Lösen der Aufgabe ausreicht.
Wenn die Aufgabe nun aber 14 + 7 lautet, liegt das Ergebnis über dem nächsten Zehner, was viele Kinder zumindest anfänglich schwierig finden.
Warum ist es so wichtig, dass Kinder den Zehnerübergang richtig lernen?
Der Zehnerübergang wird bereits in der ersten Klasse erarbeitet. Zuerst Plus, dann Minus. Für gewöhnlich wird im Zahlenraum bis 20 gerechnet. Ab der zweiten Klasse werden dann auch weitere Zehner hinzugenommen, also z. B. Aufgaben wie 36 + 5 = 41 oder 55 + 9 = 64.
Im Unterricht geht es leider oft zu schnell. Weil Kinder dann nicht wissen, wie sie die Aufgaben rechnen sollen, fangen sie an zu zählen. Sie nutzen dafür ihre Finger oder zählen im Kopf ab. Das ist fatal. Denn dadurch bauen sie kein Verständnis für den Zahlenraum oder die Stellenwerte (Einer und Zehner) auf. Sie haben dann kein Bild davon, was da rechnerisch passiert.
Zählen ist kein Rechnen!
Sobald der Zahlenraum größer wird, kommen die Kinder an ihre Grenze. Denn Aufgaben bis 100 oder 1.000 können irgendwann nicht mehr abgezählt werden.
Wie kann man den Zehnerübergang am besten üben?
Kinder sollten am besten ein Bild von der Aufgabe im Kopf haben. Der Rechenstrich eignet sich prima, um den Zehnerübergang zu verdeutlichen. Er gibt Orientierung und die Kinder sehen, was sie rechnen.

Der Rechenstrich in Bewegung
Der Rechenstrich lässt sich auch mithilfe eines Seils durchführen. Schneidet Zahlenkärtchen aus. Das Kind legt sie so ans Seil, wie oben beschrieben und hüpft vom Start zur 10 und dann von der 10 weiter. So ist das Kind beim Üben in Bewegung, was das Lernen zusätzlich fördert und den Druck nimmt.
Erste Hinweise auf grundlegende Rechenschwierigkeiten geben folgende Punkte:
Ab Klasse 1:
- Schon in Klasse 1 ist Mathe schwierig.
- Mathe belastet das ganze Familienleben und ist immer wieder ein Thema.
- Hausaufgaben können fast nie alleine gelöst werden.
- Das Kind zählt die Aufgaben ab (oft auch heimlich).
- Das Kind sagt oder denkt "Ich hasse Mathe" oder "Ich werde das nie können."
Ab Klasse 2 zusätzlich:
- 34 + 53 kann nur schriftlich untereinander gelöst werden.
- 26 + __ = 62 ist nicht lösbar.
- Das Einmaleins hat das Kind nur auswendig gelernt.
- Geteilt-Aufgaben kann das Kind nicht alleine lösen.
- Textaufgaben klappen fast nie alleine.
Wichtig: Diese Liste ist nicht vollständig und bedeutet auch nicht, dass das Kind, wenn einer dieser Punkte zutrifft, bereits grundlegende Rechenschwierigkeiten hat. Fallen Eltern aber mehrere dieser Punkte auf, sollten sie dem unbedingt nachgehen.
Unsere Autorin

Jacqueline Zieba ist Grundschullehrerin, hat Mathe als Hauptfach studiert und mit einem Master of Education abgeschlossen. Schon während ihres Studiums hat sie sich zusätzlich mit Kindern befasst, denen Mathe nicht so leichtfällt. Sie hospitierte und arbeitete an verschiedenen Grundschulen und in einem Lerntherapiezentrum für Kinder mit Dyskalkulie.
Seit mittlerweile vier Jahren ist sie mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann auf Weltreise (@Rucksackfamilie) und hat ihr eigenes Unternehmen gegründet. Mit "MeinMatheweg" unterstützt sie Kinder, die Probleme in Mathe haben. Und holt dabei die Eltern mit ins Boot. Statt einmal wöchentlich Nachhilfe anzubieten, schult sie die Eltern so, dass diese jeden Tag ein paar Minuten mit dem Kind üben können. Dabei steht sie den Familien mit ihrem Wissen ganz eng als Lehrerin und Mathe-Expertin zur Seite - und das komplett online.
Mehr Infos unter: meinmatheweg.de