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Susanne Burzel kennt die Hürden und Hindernisse, die mit einer Hochbegabung einhergehen, aus eigener Erfahrung: Sie selbst entdeckte ihre Hochbegabung erst kürzlich, und auch ihre beiden Söhne sind hochbegabt. In einem Buch schildert sie ihre Erfahrungen und will anderen Menschen Mut machen. Für Leben & erziehen hat sie einen Gastbeitrag verfasst, den wir hier mit euch teilen.
Auffällig in der Kita
"Wir fühlen uns wie eine ausgepresste Zitrone", sagten die Erzieherinnen im Kindergarten bei einem Elterngespräch. Unser Sohn löcherte die beiden gerne mit seinen ungewöhnlichen Fragen. Sie freuten sich über seinen Wissensdurst, wunderten sich aber jedes Mal, wenn er sich während der Antwort einfach umdrehte und wortlos in die Bauecke verschwand.
Das ist nur ein Beispiel, wie sich Hochbegabung zeigen kann. Eine Hochbegabung beginnt ab einem gemessenen IQ-Wert von 130. Wenn es um die besonderen Eigenschaften geht, werden diese bereits ab einer überdurchschnittlichen Begabung (IQ 115 -129) deutlich.
Nicht alle dieser Kinder haben Schulprobleme oder verweigern den Schulbesuch. Schätzungsweise 15 Prozent werden zu Underachiever (Minderleister aufgrund Unterforderung) und resignieren im Unterricht. Sehen wir uns die wichtigsten drei Eigenschaften an, die den Schulbesuch problematisch machen können.
1. Langeweile durch eine schnelle Auffassungsgabe
Hochbegabte Kinder verstehen den Lernstoff sehr schnell. Deswegen lehnen sie Wiederholungen ab und möchten neuen Input. Soll ein hochbegabtes Kind beispielsweise einen neuen Buchstaben über zwei Seiten üben, wird es wahrscheinlich diese Aufgabe nach einer Zeile verweigern. Es hat bewiesen, dass es den Buchstaben kann, und möchte den nächsten lernen. Auch im Unterricht beginnt sich das Kind zu langweilen, wenn es ihm nicht schnell genug weitergeht.
2. Geringes Selbstwertgefühl durch schwierige soziale Anpassung
Hochbegabte Kinder beschäftigen sich oft mit anderen Themen als ihre Altersgenossen und spüren, dass sie irgendwie anders sind. Sie fühlen sich nicht zugehörig, was negative Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl haben kann. Ihr oft ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und ihre Art, sich auszudrücken, können zusätzlich bei anderen Kindern Unverständnis auslösen. Ein emotionaler Rückzug bis hin zu psychosomatischen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Bauchweh können die Folge sein.
3. Schulfrust durch Spezialinteresse, Neugier und Wissensdurst
Hochbegabte Kinder möchten interessanten Themen umfassend auf den Grund gehen. Dafür ist in der Schule oft kein Raum, da der Lehrplan erfüllt werden muss oder die Themen auseinandergerissen sind. Diese Kinder fühlen sich ausgebremst oder werden ermahnt, nicht so viele Fragen zu stellen. Dies kann Frustration zur Folge haben, die schließlich zu einer Resignation und Verweigerungshaltung führen kann.
Zunächst große Freude am ersten Schultag
Viele Kinder erwarten den ersten Schultag in Vorfreude aufs Lernen. Der Erfolg von Schule ist unter anderem darauf aufgebaut, dass die Kinder Aufgaben lösen, die immer etwas schwerer sind als das, was sie bereits können. Dabei erleben sie immer wieder ein Glücksgefühl, welches sie anspornt, noch mehr zu lernen.
Bei hochbegabten Kindern können die ersten Schulwochen hingegen für Ernüchterung sorgen. Ihnen fallen die meisten Aufgaben leicht und sie erleben diese Glücksgefühle nur selten. So erging es unserem Sohn, der seine Langeweile und Unterforderung mit Verhaltensauffälligkeiten kompensierte. Uns wurde eine ADHS-Diagnostik nahegelegt, die sich bestätigte.
Wie hochbegabte Kinder zu Schulverweigerern werden
Mit 15 Jahren begann unser Sohn die Schule für zwei Jahre zu verweigern. Aus unserem einst so wissbegierigen Kind war nun ein Jugendlicher geworden, der sich der Welt entzog und die meiste Zeit in seinem Zimmer verbrachte. Glücklicherweise blieb er auch weiterhin vielinteressiert und überraschte uns in familiären Diskussionen mit seinem Spezialwissen.
Die Zeit davor war flankiert von Diagnostiken, psychosomatischem Verweigerungsverhalten, Hinterfragen des Unterrichts und der Suche nach der Sinnhaftigkeit des Schulstoffs. Einige Lehrkräfte waren begeistert von unserem Sohn, da er intensiv an den Inhalten interessiert war. Andere Lehrkräfte berichteten, dass er nur apathisch und kaum ansprechbar im Unterricht saß.
ADHS von Hochbegabung unterscheiden
Mit 16 Jahren wurde schließlich die Hochbegabung diagnostiziert. Der Kinder- und Jugendpsychologe, der ihn untersuchte, konnte keine Hinweise auf ADHS, Autismus-Spektrum-Störung oder Depression feststellen. Vielmehr benannte er die Ursache seines Verhaltens in den vielfältigen Einzelaspekten seiner Hochbegabung. War das ADHS also eine Fehldiagnose?
Zurück bleiben ein Fragezeichen und eine Empfehlung. Wenn Eltern vermuten, dass hinter dem Verhalten des Kindes eine höhere Begabung stecken könnte, empfehle ich, eine Begabungsdiagnostik machen zu lassen. Auch wenn sich bisher nur wenige Lehrkräfte mit Hochbegabung auskennen, da es kaum in der Lehramtsausbildung thematisiert wird, ist die Diagnostik und ein eventuelles Gutachten die Grundlage für einen konstruktiven Austausch.
Stehen sich Elternhaus und Schule offen und vorurteilsfrei gegenüber, können sie gemeinsam gute Möglichkeiten erarbeiten, um das sehr begabte oder hochbegabte Kind in der Schule entsprechend zu fördern und zu fordern.
Unser Buch-Tipp
"Hochbegabt gescheitert ... und neue Türen öffnen sich Das Erfahrungs- und Mutmachbuch aus Sicht einer Mutter. Mit zahlreichen Infos zu Hochbegabung, ADHS, Autismus-Spektrum-Störung, Hochsensibilität, Underachievement und zum Schulsystem" von Susanne Burzel.
Susanne Burzel erzählt in ihrem Buch (siehe unten) ihre Erfahrungsgeschichte als Mutter von zwei hochbegabten Kindern. Diese verweigerten teilweise bis zu zwei Jahren die Schule und gehören zu den sogenannten Underachiever (Minderleister).
Sie möchte Eltern Mut machen und Verantwortlichen den Blick öffnen für die besonderen Herausforderungen mit hochbegabten Kindern, die nicht in das Schulsystem zu passen scheinen.
In den letzten 20 Jahren beschäftigte sie sich intensiv mit Hochbegabung, Hochsensibilität, Fehl- und Doppeldiagnosen sowie den Grenzen im staatlichen Schulsystem. Mit großer Kraftanstrengung überwand sie zahlreiche Hürden und schaffte es, neue Wege zu finden, um ihren Kindern einen guten Start in ein eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen.
Mehr unter: susanneburzel.de
Foto: Andreas Bender