
Schon klar: Vergleicherei hat noch niemandem geholfen. Wissen wir. Und dennoch passiert es wohl jedem mal: Wir beobachten andere Eltern und sind fasziniert. Warum teilt das Kind so selbstverständlich sein Spielzeug? Und warum veranstaltet es kein Drama, wenn die Eltern die Spielzeit für beendet erklären – während das eigene Kind in der gleichen Situationen einen Wutanfall vom Feinsten hinlegt? Hand hoch, wen in diesen Momenten noch nie leise Zweifel beschlichen haben: Haben es die anderen Eltern womöglich einfach besser drauf?
"Ich höre oft von Eltern, dass gängige Erziehungsratschläge bei ihren Kindern nicht wirken oder dass das, was bei einem Kind funktioniert hat, bei einem anderen Kind nicht funktioniert", erklärt die Psychologin Liliana J. Lengua gegenüber "Psychology Today".
Die Expertin weiß: Jedes Kind hat ein anderes Temperament, und Erziehung funktioniert nicht nach Schema F. Entscheidend ist, dass die Eltern ihre Kinder entsprechend ihres Charakters und ihrer ganz individuellen Eigenschaften begleiten.
Es gilt, die Erziehung an das Temperament der Kinder anzupassen. Jedes Kind hat unterschiedliche Eigenschaften, die sein Verhalten beeinflussen. Und ja, diese Eigenschaften können für Eltern eine ziemliche Herausforderung sein.
Das Temperament des Kindes verstehen
Mit dem Temperament hängt zusammen, wie das Kind mit seinen Gefühlen umgeht und wie es seine Verhaltensweisen steuert. Jedes Kind reagiert anders auf Emotionen wie Angst, Frust oder Freude. Während einige Kinder schnell ängstlich werden, sind andere eher furchtlos. Manche handeln impulsiv, andere hingegen brauchen feste Routinen und Strukturen. Entscheidend ist, dass Eltern diese Unterschiede erkennen, damit ihre Kinder sich bestmöglich entwickeln dürfen – entsprechend ihrer ganz individuellen Bedürfnisse.
Hier sind fünf typische Charaktereigenschaften und Tipps, wie Eltern am besten damit umgehen:
Angst
Ängstliche Kinder fühlen sich in neuen oder ungewohnten Situationen oft unwohl. Sie weinen schnell, ziehen sich zurück oder werden wütend. Wichtig ist, dass Eltern ihnen mit Verständnis und Empathie begegnen und sie sanft ermutigen, neue Dinge auszuprobieren. Es ist wichtig, ruhig zu bleiben und die eigenen Ängste zu kontrollieren. Eltern von ängstlichen Kindern neigen oft dazu, die Kinder zu sehr zu beschützen. Aus ihrer Überforderung heraus reagieren sie oftmals aber auch wütend oder frustriert. Beides kann dazu führen, dass die Kinder noch ängstlicher werden.
Furchtlosigkeit
Furchtlose Kinder gehen oft fröhlich und voller Energie auf neue Abenteuer zu. Sie erkennen in vielen Situationen keine Gefahren, was für Eltern beunruhigend sein kann. Um mit furchtlosen Kindern umzugehen, brauchen Eltern eine gute Balance zwischen klaren Regeln und dem Gewähren von Freiheiten, damit sich das Kind ausprobieren kann. Wichtig ist, dem Kind liebevoll und unterstützend zur Seite zu stehen und es nicht ständig einzuschränken oder zur Vorsicht zu mahnen – auch wenn man selbst kaum hinsehen mag, wie es auf dem Klettergerüst bis ganz nach oben kraxelt.
Frustration
Einige Kinder reagieren schnell frustriert, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen – zum Beispiel ein Spielzeug im Supermarkt oder noch ein zweites Eis. Für Eltern ist es oft schwer, in diesen Situationen gelassen zu reagieren. Werden sie selbst wütend, entsteht häufig ein regelrechter Teufelskreis. Es im Umgang mit frustrierten Kindern umso wichtiger, selbst ruhig zu bleiben und klare Grenzen zu setzen. Einfühlungsvermögen ist das Stichwort. Wenn es Eltern gelingt, die Gefühle ihrer Kinder zu verstehen und ihnen zu helfen, ihre starken Emotionen zu regulieren, werden die Wutausbrüche mit der Zeit weniger werden.
Es kann auch hilfreich sein, im Voraus zu planen und Grenzen festzulegen, die konsequent eingehalten werden. Statt unangemessenes Verhalten zu bestrafen, können Eltern versuchen, positives Verhalten zu belohnen. Wenn ein Kind sich an die Regeln hält, darf es dafür ruhig gelobt werden.
Es ist auch wichtig, dass Eltern verstehen, was genau ihre Kinder frustriert. Wenn ein Kind zum Beispiel frustriert ist, weil es ihm nicht gelingt, einen Turm aus Bausteinen zu stapeln, können Eltern ihm Schritt für Schritt zeigen, wie es geht. So wird das Kind gestärkt und weiß in der nächsten Frust-Situation, wie es sich Hilfe holen kann.
Impulsivität
Impulsive Kinder handeln oft, ohne nachzudenken. Sie sind ständig auf der Suche nach Dingen, die ihnen Spaß machen oder die sie sofort haben wollen und haben häufig Schwierigkeiten, Regeln zu befolgen oder Aufgaben zu beenden, die Geduld erfordern – zum Beispiel Hausaufgaben oder beim Spielen zu warten, bis sie an der Reihe sind. Sie lassen sich leicht ablenken und vergessen, was sie ursprünglich tun wollten. Das kann dazu führen, dass sie als faul wahrgenommen werden, weil sie den Anschein erwecken, dass sie sich nicht anstrengen wollen.
Das Verhalten impulsiver Kinder kann für Eltern und andere Erwachsene frustrierend sein. Es ist sinnvoll, ihnen klare Anleitungen und Strukturen zu bieten und konsequent Grenzen zu setzen. Feste Tagesabläufe können das Verhalten der Kinder verbessern. Wenn impulsive Kinder genau wissen, was von ihnen erwartet wird, fällt es ihnen leichter, sich an die Regeln zu halten.
Inflexibilität
Einige Kinder haben Schwierigkeiten, sich an Veränderungen anzupassen oder Entscheidungen zu treffen. Ob ein Kind eher inflexibel ist, zeigt sich auch daran, wie einfach es von einer Sache zur anderen wechseln kann. Kinder, die flexibler sind, können sich leichter an neue Situationen anpassen. Kinder, die weniger flexibel sind, haben oft Schwierigkeiten mit Veränderungen oder unvorhergesehenen Ereignissen. Beispiel: Wenn das Wetter schlecht ist und der Ausflug ins Freie nicht stattfinden kann, ist ein flexibles Kind eher bereit, die Aktivität drinnen zu machen, während ein unflexibles Kind eher wütend ist, weil die Pläne geändert wurden. Eltern können ihrem Kind helfen, indem sie Auswahlmöglichkeiten anbieten: "Möchtest du lieber ein Puzzle machen oder basteln?" Es ist wichtig, dass sie eine positive Atmosphäre schaffen, in der Kinder sich sicher fühlen, neue Dinge auszuprobieren.
Wenn Kinder Probleme damit haben, sich auf Neues einzulassen, helfen Eltern ihnen am besten, indem sie ihnen Zeit für Entscheidungen geben. Es ist wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich auf eine neue Situation einzustellen, ohne dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen.