
Und plötzlich geht die Welt unter. Von einer Sekunde auf die andere, ganz ohne Vorwarnung. Zumindest fürs Kind. Weil das Brot falsch geschnitten wurde. Weil die Banane in zwei Hälften geteilt wurde. Weil der Löffel im Müsli die falsche Farbe hat. Wenn Kinder wegen vermeintlicher Lappalien wie diesen urplötzlich untröstlich sind, schwanken Eltern meist zwischen zwei Emotionen: lachen – und mitweinen.
Kindliche Emotionen immer ernst nehmen
Keine Frage: Kindliche Wutanfälle sind für Erwachsene nicht nur kräftezehrend, sondern oft auch einfach unverständlich. Was uns völlig übertrieben erscheint, bedeutet für kleine Kinder in diesem Moment jedoch die ganze Welt.
Die amerikanische Kinderärztin Dr. Cathryn Tobin rät deshalb dringend davon ab, die Gefühle eines Kindes als lächerlich abzutun.
"Kleinkinder regen sich oft über die verrücktesten Dinge auf. Aber obwohl sie uns verrückt erscheinen, sind sie real und entscheidend für Ihr Kleinkind", schreibt sie bei Instagram.
Wutanfälle gehören zur Entwicklung dazu
Wutanfälle sind eine Möglichkeit für Kinder, starke Emotionen auszudrücken, bevor sie gelernt haben, diese auf "sozialverträgliche" Weise mitzuteilen, und sie sind ein ganz normaler Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Wenn ein Kind älter wird und lernt, seine Wünsche und Bedürfnisse klarer zu artikulieren, nehmen die Wutanfälle von ganz allein ab.
Cathryn Tobin, selbst vierfache Mutter, empfiehlt Eltern, die Erfahrungen ihres Kleinkindes während eines Wutanfalls ernst zu nehmen und sich in ihre Lage zu versetzen. Aus ihrer Sicht kann es hilfreich sein, sich einmal vorzustellen, wie wir uns fühlen würden, wenn wir uns über etwas aufregen und unser Partner einfach sagen würde: "Hör auf zu jammern, das ist doch keine große Sache."
Wichtig sei auch, den Kindern nicht zu sagen, wie sie sich fühlen sollen: "Wir sprechen unseren Kindern oft unwissentlich ihre Gefühle ab. Wir sagen Kleinkindern damit, dass sie eigenen ihren Gefühlen nicht vertrauen können."
Diese Strategien sind kontraproduktiv
Folgende Sätze sollten Eltern ihren Kindern deshalb nicht mehr sagen: "Sei nicht traurig" oder "Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen".
Die meisten Eltern haben verschiedene Strategien, um Wutanfälle von vornherein zu verhindern. Zu einem Mittel sollten sie dabei aber auf keinen Fall greifen: zur Lüge. Ein Beispiel aus ihrer Praxis: Viele Eltern sagen ihren Kindern, die Impfung täte nicht weh, damit das Kind stillsitzt. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sie findet: "Vertrauen ist entscheidend. Es ist besser, die Wahrheit zu sagen und Bewältigungsstrategien anzubieten."
Die Kinderärztin ist außerdem davon überzeugt, dass es Kindern hilft, sich wieder zu beruhigen, wenn Eltern mit ihnen gemeinsam Bücher anschauen. Hilfreich ist auch, Kinder dazu aufzufordern, ihre Gefühle zu benennen. Bei kleineren Kindern können die Eltern das an ihrer Stelle übernehmen.
Ruhe und Gelassenheit helfen am besten
Grundsätzlich gilt, dass Eltern ihr Kind in einem Wutanfall nicht ignorieren und es stattdessen – auch wenn es manchmal schwerfällt – liebevoll begleiten sollten.
Ist der Wutanfall abgeebbt, sprechen Eltern die Situation am besten noch einmal ganz in Ruhe an – denn während die Emotionen noch hochkochen, stößt gutes Zureden meist eh auf taube Ohren. Sinnvoll ist ruhige, sachliche Kritik wie: "Es ist in Ordnung, wütend zu sein, aber es ist nicht in Ordnung, mit Bauklötzen zu werfen."
Wenn wir also das nächste Mal kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen, weil das Kind partout nicht seine Jacke anziehen will, sollten wir uns in Erinnerung rufen: Es geht vorüber. Außerdem erleben alle Kleinkindeltern genau das Gleiche. Wir sind also nicht allein.