Drei lachende Geschwister liegen auf dem Sofa.© Getty Images/Natalia Lebedinskaia
Welchen Einfluss hat die Geburtsreihenfolge auf unsere Persönlichkeit?

Die fleißigen Erstgeborenen, die verwöhnten Nesthäkchen – Vorurteile wie diese halten sich hartnäckig. Doch bestimmt die Geburtsreihenfolge wirklich unsere Persönlichkeit? Viele glauben fest daran, dass die Geschwisterkonstellation uns fürs Leben prägt. Und etliche Studien bestätigen, dass tatsächlich etwas Wahres daran ist. 

Der Wissenschaft zufolge haben Sandwich-Kinder in der Geburts-Lotterie allerdings nicht unbedingt das große Los gezogen. Sie gelten zwar als diplomatisch und durchsetzungsstark, allerdings bekommen sie von den Eltern angeblich die wenigste Aufmerksamkeit geschenkt. Mit ihnen ist eben nicht alles so aufregend wie beim ersten Kind, und sie sind auch nicht so süß und tapsig wie das jüngste …

Eine aktuelle Studie kommt nun jedoch zu dem Schluss, dass die "vergessenen" Dazwischen-Kindern über besonders viele positive Fähigkeiten verfügen. Bislang galten die Erstgeborenen als besonders schlau und ehrgeizig. Die neuen Forschungsergebnisse zeigen nun jedoch, dass die mittleren Kinder in anderen Bereichen die Nase vorn haben: Sie sind offenbar besonders ehrlich, bescheiden und umgänglich.

Sind mittlere Kinder sozialer als ihre Geschwister?

Die Forscher haben dazu den HEXACO-Persönlichkeitstest benutzt. Der misst sechs Merkmale: Ehrlichkeit/Bescheidenheit, Emotionalität, Extraversion, Umgänglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen. Das Ergebnis war eindeutig: Mittlere Kinder schnitten in gleich drei Bereichen besonders gut ab.

Laut HEXACO sind umgängliche Menschen nachsichtig, kompromissbereit und lassen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Ehrliche und bescheidene Menschen definieren sich darüber, dass sie andere nicht auszunutzen, sich an Regeln halten und nicht nach Luxus oder Statussymbolen streben.

Die Studie ergab auch: Je mehr Geschwister ein Mensch hat, desto besser schnitt er in diesen Bereichen ab. Das heißt, dass Menschen mit vielen Geschwistern anscheinend besonders umgänglich und bescheiden sind. Die Forscher Michael Ashton und Kibeom Lee führen ihre Erkenntnis darauf zurück, dass Kinder in großen Familien einfach lernen müssen, zusammenzuarbeiten und Rücksicht aufeinander zu nehmen. So kann sich Egoismus erst gar nicht entwickeln.

Mehr Forschung nötig

Die neuesten Erkenntnis sind jedoch vorerst mit Vorsicht zu genießen: Ob die Reihenfolge, in der wir geboren werden, wirklich unsere Persönlichkeit formt, ist noch gar nicht klar. Es gibt nämlich auch Studien, die dem Ganzen widersprechen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2020 hat zum Beispiel gezeigt, dass Einzelkinder überhaupt nicht egoistischer sind als Kinder mit Geschwistern. Und eine andere Studie aus dem Jahr 2019 hat herausgefunden, dass es zwischen Erwachsenen mit und ohne Geschwister kaum Persönlichkeitsunterschiede gibt.

Also: Die Überzeugung ist zwar weit verbreitet, dass die Geburtsreihenfolge einen großen Einfluss darauf hat, ob jemand nett, fleißig oder verwöhnt ist, aber die Forschung ist sich da noch nicht so sicher. Erst- und Letztgeborene brauchen sich also keine Sorgen zu machen: Das mittlere Geschwisterchen ist wahrscheinlich gar nicht so viel besser als sie ...