
Spielzeugforscher und Erziehungswissenschaftler Volker Mehringer fühlte sich an seine eigene Kindheit erinnert, als er mit seinen beiden Kindern in diesem Spielzeuggeschäft stand, um Wasserpistolen zu kaufen. Besonders die knallbunten Ausgaben, mit mehreren Tanks sowie ordentlich Druck und Reichweite, hatten es ihnen angetan. "Den Laden verließen wir mit drei Stück", gibt er zu.
So geht es vermutlich vielen Müttern und Väter: Wir haben selbst früher ausgiebig gekämpft, Schlachten um die Playmobil-Ritterburg, Lego-Piratenschiff oder Weltraum-Stationen, Schwertkämpfe am Nachmittag, Gefechte mit Stöcken oder Spielzeugpistolen. Doch nun sind wir Eltern und blicken teils mit Sorgen auf eine aufkeimende Waffen-Begeisterung des eigenen Nachwuchses. Wir haben uns doch so viel Mühe mit einer gewaltfreien und pazifistischen Erziehung gegeben. Doch was fasziniert Kinder eigentlich an Waffen?
Spielzeugwaffen sind auch nur ein Rollenspiel
"Waffen sind ein Teil des Alltags. Kinder sehen sie an Superhelden, in Serien und Filmen oder an Polizisten. Außerdem haben viele Spielzeugwaffen tolle Effekte, sie verschießen etwas oder spritzen Wasser besonders weit", erklärt Mehringer. Und sie sind ein wichtiger Teil des Spiels. Als Superhelden, Ninjas oder Ritter sind die Kinder mal die Starken, besiegen das Böse und geben die Regeln vor – ganz anders als im Alltag, in dem sie sich oft "unterordnen" müssen und eher fremdbestimmt sind. Der Kampf mit Spielzeugwaffen ist im Prinzip genauso ein Rollenspiel wie Vater-Mutter-Kind.
Dazu kommt, dass Kinder sehr genau zwischen Fantasiewelt und Wirklichkeit unterscheiden können und genau wissen, dass sie im "echten" Leben eben keine Polizistin, Superheldin oder ein Ritter sind. Und nach einige Jahrzehnten leidvoller Killerspieldebatte herrscht selbst in der Wissenschaft nun Einigkeit: Langfristig gewalttätig werden Kinder sicher nicht durch Spiele oder Medien, sondern vor allem durch das Erleben von Gewalt im Alltag, zum Beispiel, wenn sie selbst geschlagen werden oder erleben, dass die Mutter oder der Vater regelmäßig Opfer von Gewalt werden.
Angst um den Frieden im Kinderzimmer
Vielleicht ist das die beste Erkenntnis meiner Recherche: Wir Eltern können uns beim Thema Waffen ruhig entspannen und müssen nicht gleich um den friedvollen Charakter unseres Nachwuchses fürchten, nur weil er so gerne Burgen erobert oder Schlachten ausficht. Zugegeben, das ist gar nicht so leicht. Als mein Sohn sich plötzlich weniger für Dinosaurier als für die Kanonen und Gefahren von Jägern und Piraten interessierte, war das für mich im ersten Moment ein großer Schock. Ich klagte meiner Mutter mein Leid und sie sagte nur: "Na, dann siehst du mal, was wir mit dir alles erlebt haben."
Und tatsächlich, in meinem Kinderzimmer wurden unzählige Schlachten geschlagen, lange kannte ich kein anderes Thema als Ritterturniere, Western-Duelle und Drachenkämpfe. "Wir tun gut daran, uns an unsere eigene Kindheit zu erinnern und auch mal am Ritterspiel oder Wasserschlacht im Garten teilzunehmen. Das macht viel Spaß und gibt uns die Chance auch aktives Vorbild zu sein", sagt auch Mehringer. Denn auch im Umgang mit Waffen braucht es Regeln, zum Beispiel Stopp heißt auch Stopp und die Grenzen von anderen Mitspielenden sind zu respektieren. Wichtige Grundsätze eines friedvollen Miteinander also. Auch Gespräche – altersgemessen versteht sich – über Kriege und Gewalt sollten geführt werden. Dabei kann man seinem Kind durchaus erklären, welche Folgen Waffen und kriegerische Konflikte haben können. Welche Spielzeug-Waffen man am Ende zulässt, ist natürlich allen Eltern selbst überlassen. Nur so viel: Ein rigoroses Nein wird vermutlich die Begeisterung und den Reiz nur steigern. Der bessere Weg ist wie so oft das gemeinsame Aushandeln und die Suche nach Kompromissen.
Eure Meinung: Sind Spielzeugwaffen für Kinder okay?
Sollte auch im Kinderzimmer strenger Pazifismus herrschen – oder spricht nichts gegen Wasserpistole und Plastik-Nerf? An dieser Frage scheiden sich die Meinungen von mindestens schon zwei Elterngenerationen. Wir haben Mütter und Väter gefragt, ob sie Spielzeugwaffen noch für zeitgemäß halten.
"Vom Krieg spielen wird keiner ein Mörder"

Als Erwachsene vergessen wir oft, wie kreativ Kinder sind und wie gut sie zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden können. Deshalb halte ich auch nichts davon Spielzeugwaffen zu verbieten. Oft sind sie doch ein wichtiger Teil ihres täglichen Rollenspiels, mit ihnen werden Monster oder Drachen bekämpft. Sie geben den Kindern ein Gefühl von Stärke. Im Spiel können sie bestimmen, es gelten mal ihre Regeln. Natürlich brauchen wir dabei Regeln. Wir müssen die Grenzen des Gegenübers achten und dürfen niemanden verletzen. Wenn wir uns in diesem Rahmen bewegen, ist es auch mal in Ordnung auf Papa zu schießen. In diesem Moment bin ich eben nicht der Vater, sondern ein Dieb oder Bösewicht, den es zu besiegen gilt. Jemanden zu töten oder zu verletzen, daran denkt mein Sohn in solchen Momenten nicht. Wir sollten uns ruhig einmal unsere eigene Kindheit denken. Ich habe auch genug Krieg gespielt, bin kein Mörder geworden.
Tino (34, Hausmann) aus Stade, zwei Kinder (6 und 1,5 Jahre alt)
"Ich vertraue meinem Kind"

Mein Sohn interessiert sich für Waffen, liebt Star Wars und Superhelden. Schon deshalb möchte ich ihm Spielzeugwaffen nicht einfach verbieten. Ich glaube, dass wir die Kompetenz unserer Kinder häufig unterschätzen. Sie können sehr genau zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden. Häufig sagen mein Sohn und seine Freunde sogar "Aus Spiel bin ich jetzt" ... Und dann wird eben viel gekämpft, gemeinsam mit Nerf-Guns oder allein mit Lego-Figuren. Das ist eine gute Gelegenheit, um die Lieblingsserien nachzuspielen, sich sportlich zu messen oder auch mal den Frust rauszulassen – natürlich mit Rücksicht aufeinander. Ich thematisiere auch die Auswirkungen von realen Waffen und den Konflikten auf der Welt. Wir haben zum Beispiel einer geflüchteten Familie aus Syrien geholfen. Hier zeigt sich mein Sohn sehr empathisch, auch Gewaltszenen in Filmen spult er am liebsten vor. Eine gewaltfreie Grundhaltung im Alltag und das Interesse an (Spielzeug–)Waffen schließt sich also nicht aus.
Franziska (38, Erzieherin) aus Speyer, ein Kind (11 Jahre)
"Wir kaufen keine Plastikpistolen"

"Gewalt gibt es schon genug auf der Welt und Waffen sind nun mal dazu da, um Menschen zu verletzen und zu töten. Wir wollen unseren Sohn dafür nicht desensibilisieren - deshalb kaufen wir ihm auch keine Plastikpistolen, Nerf-Guns oder Wasser-Kanonen. Wenn er bei Freunden zu Besuch ist, können und wollen wir das nicht verbieten. Er kennt aber die Regeln im Umgang damit: nicht auf andere Menschen zielen, niemanden verletzen. Wir sprechen auch mit ihm über Krieg und Gewalt – kindgerecht versteht sich – sodass er den Zusammenhang zu den Einschränkungen versteht. Als strenges Verbot würde ich unsere Haltung nicht sehen. Zum Beispiel spielt er gerne mit LEGO-Ninjago. Da gibt es auch Waffen und Magie. Das bewegt sich jedoch in einer abstrakten Phantasie-Welt. Solches Spielzeug verbieten wir ihm nicht, auch hier kennt er den richtigen Umgang damit. Viel wichtiger ist sein Bewusstsein für das eigene Handeln und ein angemessenes Verständnis, um das jeweilige Spiel und seine Regeln zu verstehen. Das gilt auch für Serien oder Videospiele."
Teja (37, Lektorin) aus Bad Kissingen, ein Kind (6 Jahre)
"Kriegsspielzeug hat im Kinderzimmer nichts zu suchen"

Ich halte wenig von Nerf-Guns oder besonders realistischen Wasserpistolen: Kriegsspielzeug hat im Kinderzimmer aus meiner Sicht einfach nichts zu suchen. Zum Glück ist das bei uns auch noch gar kein Thema. Mein Sohn liebt Puzzle, spielt viel draußen oder baut mit Lego. Sollte aber der Wunsch danach aufkommen, plädiere ich für mehr als nur reine Ablehnung. Wir sollten unsere Kinder ernstnehmen und ihnen unsere Haltung erklären. Strenge Verbote erhöhen nur den Reiz. Zum Beispiel würde ich meinem Sohn nicht verbieten, mit Stöckern oder Lego-Figuren in Phantasiewelten den Kampf Gut gegen Böse nachzuspielen. In solchen Spielen geht es auch viel um Regeln oder das Gefühl von Stärke. Auch den sportlichen Wettbewerb beim Bogenschießen finde ich gut. Trotzdem braucht es klare Regeln. Wir zielen nicht auf Menschen oder Tiere, respektieren Grenzen und verletzten niemanden.
Marius (35, Erzieher in Elternzeit) aus Hildesheim, zwei Kinder (4 und 1)
Autor: Birk Grüling