
Großwerden ist ein komischer Prozess: Jahrelang sind die Eltern für ihr Kind das ganze Universum, und jede Lebensweisheit, jede Erklärung, jeder Ratschlag wird gierig aufgesaugt. Und plötzlich ist das Kind ein Teenager, schläft bis mittags und schaltet auf Durchzug, wenn seine Eltern mit ihm sprechen.
Es ist ein Phänomen, dass wohl alle Eltern von Jugendlichen kennen: Mit Beginn der Pubertät hören Kinder plötzlich nicht mehr auf das, was sie ihnen sagen. Es wirkt oftmals geradezu so, als hätten sie ihre Eltern stumm geschaltet.
Einer Studie der Stanford University brachte ans Licht, was dahintersteckt. Den Wissenschaftlern zufolge liegt es anscheinend weder an den Eltern noch am Kind, wenn Teenager sich so verhalten.
Denn: Der Teil des kindlichen Gehirns, der auf die mütterliche Stimme reagiert, verändert sich mit Beginn der Pubertät tatsächlich physisch.
Wie sich das Gehirn bei Jugendlichen verändert
Durch den Einsatz von bildgebenden Verfahren analysierten die Wissenschaftler die neuronalen Reaktionen im Gehirn von Kindern und Jugendlichen, während sie den Stimmen ihrer Mütter lauschten.
Im Fokus stand dabei ein Areal, das mit dem Belohnungssystem sowie dem sozialen Teil des Gehirns verknüpft ist. Diese Systeme spielen eine Rolle dabei, wessen Stimme unser Gehirn als relevant einstuft.
Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass bei kleinen Kindern derjenige Hirnbereich, der für die Verarbeitung von Stimmen zuständig ist, stärker reagierte, wenn die Mutter mit ihnen sprach als bei Gesprächen mit fremden Personen.
Bei Teenagern zeigte sich jedoch ein umgekehrter Effekt: Fremde Stimmen riefen eine höhere Aktivität in diesem Hirnareal hervor als die Stimme der Mutter.
Das bedeutet, dass bei Jugendlichen derselbe Teil des Gehirns aktiver wird, wenn jemand anders spricht, als wenn die eigene Mutter spricht. Vereinfacht ausgedrückt: Das Gehirn Jugendlicher empfindet es als "lohnender", Fremden zuzuhören als der eigenen Mutter. Das könnte erklären, warum Teenager ihre Eltern so oft ignorieren.
Dieser Wandel scheint etwa im Alter von 13 bis 14 Jahren einzusetzen.
Aber warum passiert das?
Die Studie erklärt, dass die enge Eltern-Kind-Bindung in den ersten Jahren für die Entwicklung kleiner Kinder unerlässlich ist. Teenager orientieren sich jedoch zunehmend nach außen und suchen soziale Kontakte außerhalb der Familie.
Die Forscher erklären: "Man nimmt an, dass diese Veränderung in der sozialen Ausrichtung ein wichtiger und gesunder Entwicklungsschritt ist, der Kinder auf dem Weg in die Selbstständigkeit vorbereitet."
Mit anderen Worten: Bestimmt würden die auch Jugendliche ihren Eltern weiterhin gern zuhören – wenn sie denn nur könnten. Doch ihre Gehirne sind schlichtweg auf das Gegenteil "programmiert". Wer sich an seine eigene Jugend zurückerinnert, wird das vermutlich nachvollziehen können…