
Update August 2022: Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Zahl der Totgeburten seit 2010 tendenziell steigt. Dabei ist ein höheres Alter der Mutter bei der Geburt ein Risikofaktor, aber keinesfalls allein dafür verantwortlich. Denn die Zahlen steigen auch in anderen Altersgruppen.
Während 2007 in Deutschland 3,5 Kinder von 1000 Kindern tot geboren wurden und die Zahl damit einen Tiefstand erreichte, lag die Anzahl der Totgeburten im Jahr 2021 bei 4,3 pro 1000 (also 0,43 Prozent). Das waren 3420 Kinder im Jahr 2021 (2020 waren es 3162 Totgeburten). Seit 2010 ist die Quote tendenziell gestiegen. 2019 und 2020 waren es jeweils 0,41 Prozent.
Bei Frauen unter 21 und über 37 Jahren lag die Quote über dem Mittelwert. Hier kam es zu 5 Totgeburten je 1000 Geborene. 16 Prozent der totgeborenen Kinder hatten im Jahr 2007 Mütter, die über 36 Jahre alt waren. 2010 waren es schon 20 Prozent.
Das durchschnittliche Alter eine Frau, die eine Totgeburt hatte, lag 2021 bei 32,2 Jahren, während das durchschnittliche Alter bei einer Lebendgeburt 31,8 Jahre betrug.
März 2022: Der Tod des eigenen Kindes gehört sicher zu den schmerzhaftesten Erfahrungen, die wir Menschen hier auf der Erde machen können.
Stirbt das ungeborene Baby im Mutterleib (oder während oder sehr kurz nach der Geburt) und wiegt bereits 500 Gramm oder mehr, spricht man von einer Totgeburt. Vorher zählt es in Deutschland rechtlich als Fehlgeburt. Hier erfolgt in der Regel eine Ausschabung der Gebärmutter. Ab der 14. Schwangerschaftswoche muss das Baby dann regulär geboren oder per Kaiserschnitt geholt werden. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 3162 Kinder totgeboren, das sind etwa 0,4 Prozent der Babys.
Das Unbegreifliche verständlich machen: Wie es zu einer stillen Geburt kommt
Forscher und Künstler an der Universität Newcastle in Australien haben jetzt ein Video entwickelt, um Mütter nach dieser schlimmen Erfahrung zu unterstützen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Erkenntnis, dass sie selbst den Tod ihres Babys nicht zu verantworten haben und sich somit von sämtlichen Schulgefühlen frei machen können.
Die Forscher stellten fest, dass die Gründe für eine Totgeburt nicht bei der Mutter, sondern häufig in der Plazenta – einem Organ, das während der Schwangerschaft zum ungeborenen Kind gehört – zu finden sind. Die Plazenta versorgt den Embryo und später den Fötus über den Körper der Mutter mit Sauerstoff und lebensnotwendigen Nährstoffen und leitet Abfallprodukte und Kohlenstoffdioxid (CO2) zurück zur Mutter.
Obwohl die Mutter das Ungeborene über die Plazenta versorgt, vermischt sich das Blut von Mutter und Baby dabei zu keinem Zeitpunkt. Zudem verfügt die Plazenta quasi über ein eigenes Recyclingsystem, welches abnorme Proteine und alternde Zellbestandteile zersetzt und wieder neu verfügbar macht. So sorgt die Plazenta dafür, dass die wachsenden Ansprüche des Fötus erfüllt werden und ein gesundes Baby zur Welt kommt.
Eine stille Geburt verarbeiten
Leider gibt es Fälle, in denen dieses Recyclingsystem nicht funktioniert, die Plazenta frühzeitig altert und das Baby nicht mehr optimal versorgen kann. In diesem Fall werden innerhalb der Plazenta freie Radikale produziert, die die Plazentastruktur schädigen. Und je mehr die Plazenta altert, desto mehr freie Radikale werden produziert. Im schlimmsten Fall führt das zum plötzlichen Tod des Babys, da es nicht mehr ausreichend versorgt wird.
Nach einer Totgeburt ist es verständlich und ganz normal, dass Eltern Gefühle wie Wut, Scham, Trauer und Schuld empfinden, die es ihnen schwer machen, mit der Situation umzugehen. Einige Eltern entwickeln daraus sogar eine Depression.
Liebe Mamas, bitte macht euch bewusst, dass ihr die Qualität und Funktionalität und auch das möglicherweise frühzeitige Altern der Plazenta nicht in der Hand habt. Es ist NICHT EURE SCHULD, wenn etwas schief geht. Mit dem Video, das ihr euch unten anschauen könnt, will das australische Team dazu beitragen, dass sich Mütter nach einer stillen Geburt nicht schuldig fühlen und dadurch hoffentlich auch weniger leicht depressiv werden.
Wie läuft eine stille Geburt ab?
Sind die Ärzte sicher, dass das Baby im Bauch gestorben ist, sollte die Schwangerschaft beendet werden. Wenn aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht, können die Eltern damit noch ein bis zwei Tage warten, um in Ruhe Abschied zu nehmen. Einige Frauen können sich aber auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, ein totes Baby in sich herumzutragen und wollen die Geburt schnellstmöglich. Das wird ganz individuell besprochen. Lasst euch zu nichts drängen und gebt euch selbst genügend Zeit für die Entscheidung.
Normalerweise raten Ärzte und Hebammen den Eltern zu einer vaginalen Geburt, da die Eltern mit diesem Prozess den Tod des Babys realisieren und den Verlust anschließend besser verarbeiten können. Das wäre bei einem Kaiserschnitt möglicherweise weniger der Fall.
Wie die Geburt dann abläuft, entscheidet die Mutter selbst. Also, in welcher Position sie das Kind zur Welt bringen will, ob sie Schmerzmittel nimmt oder nicht etc.
Nach der Geburt können die Eltern ihr Kind im Arm halten, wenn sie das möchten. Für viele Eltern ist das wichtig, um sich richtig zu verabschieden. Doch auch das ist wieder ganz individuell und ihr solltet genau auf euer Gefühl hören. Wenn ihr das Kind nicht sehen wollt, könnt ihr auch die Hebamme bitten, es euch zu beschreiben. Viele betroffene Eltern beschreiben den Anblick ihres Babys sehr positiv. Etwa in der Art: Es sieht aus, als würde es schlafen, ganz friedlich, wie ein Engel, da ist nichts Beängstigendes.
Die Nachsorge-Hebamme betreut auch nach einer Totgeburt die Familie, untersucht die Mutter und kontrolliert beispielsweise die Rückbildung der Gebärmutter. Tabletten können den Milcheinschuss verhindern.
Neue Hoffnung für zukünftige Schwangerschaften
Die australischen Forscher entwickeln derzeit einen neuen Bluttest, mit dessen Hilfe die frühzeitige Alterung der Plazenta – ein wichtiger Faktor für den Tod eines ungeborenen Babys – erkennbar gemacht werden soll. Dann könnte man durch entsprechende Therapien den Alterungsprozess möglicherweise verlangsamen oder das Baby holen, bevor es stirbt.
Nach einer stillen Geburt wieder schwanger werden
Haben Eltern den Schmerz und die Trauer über das verlorene Kind einigermaßen überwunden und verarbeitet, wünschen sie sich möglicherweise, nochmals schwanger zu werden. Viele haben dann verständlicherweise die Befürchtung, dass es wieder schief gehen könnte. Doch in den meisten Fällen läuft eine Schwangerschaft nach einer Fehl- oder Totgeburt ganz komplikationslos ab.
Sprecht bei einem erneuten Kinderwunsch am besten mit dem Frauenarzt eures Vertrauens. Er kann euch sagen, wann einer weiteren Schwangerschaft nichts im Weg steht.
Das Video aus Australien über die Funktionsweise der Plazenta könnt ihr euch hier anschauen (auf Englisch):
Weitere mögliche Gründe für eine Fehl- oder Totgeburt
In den meisten Fällen ist nicht klar, weshalb ein Baby im Mutterbauch stirbt. Möchten die Eltern mehr über die Todesursache erfahren, können verschiedene Untersuchungen gemacht werden. Diese werden nur mit dem expliziten Einverständnis der Eltern durchgeführt. Es werden dann das Blut der Mutter, die Plazenta und ggf. auch das Baby selbst (Autopsie) untersucht.
Gründe für eine Fehl- oder Totgeburt können sein:
- Wie oben beschrieben eine nicht regulär funktionierende Plazenta und dadurch eine Mangelversorgung des Kindes
- Fehlbildung des Kindes
- Eine Schwäche des Gebärmutterhalses
- Komplikationen mit der Nabelschnur, zum Beispiel Nabelschnurvorfall oder Nabelschnurknoten
- Infektionen wie Listeriose oder Toxoplasmose
- Konsum von Nikotin, Alkohol oder (anderen) Drogen (diesen Punkt habt ihr als werdende Mama natürlich selbst in der Hand)