Leben als Patchworkfamilie

Damian Richter und Sandy Simon: Tipps vom "Coaching Couple"

Sie helfen anderen Menschen dabei, ein besseres Leben zu führen. Doch selbst für das "Coaching-Couple" Sandy Simon und Damian Richter war die Patchwork Situation anfangs eine ständige Zerreißprobe. Uns haben die beiden ihre Geschichte erzählt – und ihren Sechs-Punkte-Plan verraten. Plus: Drei weitere Patchworkfamilien berichten aus eigener Erfahrung über Vor- und Nachteile.

Ein gutes Team inzwischen: Damian brachte seine Kinder Cayla und Cian (nicht im Bild) mit in die Patchworkfamilie, Sandy ihre Tochter Zoey.© Foto: privat
Ein gutes Team inzwischen: Damian brachte seine Kinder Cayla und Cian (nicht im Bild) mit in die Patchworkfamilie, Sandy ihre Tochter Zoey.

Aller Anfang ist schwer – manchmal gilt das sogar für die Liebe. Als die beiden Lifecoaches Sandy Simon (39) und Damian Richter (43) im Dezember 2016 zusammenkommen, fliegen nicht selten die Fetzen. "Wir waren Mitte bzw. Ende dreißig, hatten gescheiterte Beziehungen hinter uns – da mussten wir uns erst mal annähern", erklärt Damian. Er bringt Sohn Cian (damals 6) und Tochter Cayla (damals 1) mit in die neue Partnerschaft, seine Freundin zieht mit ihrer Tochter Zoey (damals 2) von Frankfurt zu ihm nach Gifhorn (Niedersachsen). Als Teilzeiteltern schultern die beiden "Vollblut- und Vollzeitunternehmer" gemeinsam mit ihren Ex-Partnern die Kinderbetreuung.

Das Neue als Geschenk annehmen

Ihr Beruf gibt beiden ein Verständnis dafür, dass sie ihren Kindern nur ein Vorbild sein können, wenn sie selbst "in ihrer Mitte und glücklich sind". Deshalb erkennen sie schnell, dass ihre Streitigkeiten kein Drama sind – sondern ein Geschenk: "Um in der Beziehung zu wachsen, müssen sich beide regelmäßig fragen: Was braucht der andere, damit er sich in meiner Welt wohlfühlt?", sagt Sandy Simon.

Und die Kinder? Nach anfänglichen Verlustängsten mussten alle drei erst mal mit der neuen Situation klarkommen. "Ihnen zu zeigen, dass daraus etwas Großartiges entstehen kann, war schon eine Herausforderung", erzählt Damian Richter. "Wir haben dann gesagt: Die Mädchen sind gegenseitig für sich 'Geschenk-Schwestern'. Und Sandy eine zusätzliche 'Geschenk- Mama'. Diese Idee der Bereicherung hat ganz viel zum neuen Bewusstsein beigetragen, dass die Kinder aufeinander zugehen konnten."

"Wichtig ist, dass die Kinder merken, dass sie geliebt werden, dass da dieses Urvertrauen ist und Support, wenn sie etwas brauchen." Sandy Simon, die inzwischen eine entspannte Beziehung zu ihrem Ex und dessen neuer Partnerin hat, weiß: "Es geht ja um die Kinder – und denen geht es um die Eltern, nicht um die Partnerschaft. Durch die frühe, wortlose Trennung meiner Eltern weiß ich selber, wie wichtig es ist, die Kinder in die Kommunikation einzubeziehen, damit sie sich verstanden fühlen."

Damian sieht das genauso. Für ihn war die Trennung von seiner Ex- Partnerin wichtig, um authentisch bleiben zu können. Für die gemeinsamen Kinder in der Beziehung zu bleiben: Das wäre für ihn eine Lüge gewesen. Auf seinem Weg zurück in die neue Rolle als "guter Papa", Mann und Coach konnte Sandy ihm zeigen, "dass der Wert eines Vaters nicht davon abhängt, ob man noch mit der Mutter zusammen ist, sondern weil man einfach der Vater ist." Und je mehr Vater und Mutter in ihrer Kraft sind, desto klarer können sie ihre Liebe zeigen und für die Kinder der Fels in der Brandung sein.

Die Herausforderung des Zusammenfindens

Das Leben als Patchwork-Eltern ist für Sandy dennoch ein ständiger Spagat. Jeder Partner sei primär unbewusst mit sich selbst beschäftigt. Zugleich müsse er die Kinder als Leidtragende der gescheiterten Beziehung einbeziehen und ihre Bedürfnisse hinterfragen. "Es geht darum, ihnen ein Gefühl von Zuhause zu geben und dass sie sich von diesem neuen Familienkonstrukt abgeholt fühlen." Herausfordernd ist dann, die eigenen Werte, Vorstellungen und Erwartungen (wie bestimmte Rituale bei Tisch) mit denen aus dem anderen Elternhaus zu vereinbaren. Wenn diese "Realitäten" sehr verschieden sind, muss man Kindern das Gefühl geben, dass beide richtig sind. "Sie dürfen nicht in den Konflikt geraten, sich für eine Seite entscheiden zu müssen."

An verschiedenen Lebensmodellen wachsen

Dass Cian, Cayla und Zoey füreinander ein liebevolles Bewusstsein entwickelt haben, macht das Power-Paar happy. Für Sandy und Damian steht fest, dass ihr Nachwuchs von ihrer "wachstumsträchtigen" Beziehung nur profitieren kann. "Die Kiddies haben die Option, verschiedene Lebensmodelle kennenzulernen. Sie können sich von ihrem Lebensbuffet nehmen, was sie gut finden, um damit vielleicht das Fundament für ihre eigene Lebensvision zu bauen." Die "Mega-Herausforderung" wurde zur täglich bereichernden Suche nach dem "Geschenk des Wachstums". Zu fragen: Wo können wir uns verbes- sern? Wo sind die eigenen Themen, die man lösen darf? Dankbar zu sein für die Erfahrung und weiter an der noch besseren Version seiner selbst zu arbeiten. Das alles, sagen die beiden, mache unglaublich viel Spaß.

Tipps vom "Coaching-Couple": In sechs Schritten zur echten Patchwork-Power

  1. Macht euren Partner zur Nummer eins
    Gebt ihm oder ihr (noch vor dem Beruf und den Kindern!) die Gewissheit, für ihn oder sie da zu sein. Nur wenn es beiden Partnern gut geht, können sich beide auf die Kinder konzentrieren – und das kommt am Ende dem Nachwuchs zugute.
  2. Die Verantwortung bei sich selbst suchen
    Gebt in Konflikten nicht dem anderen die Schuld, sondern reflektiert stattdessen die eigenen Gefühle – nur so gelingen Beziehungen. Veränderung beginnt bei euch selbst.
  3. Abendlicher Feedback-Talk der PartnerWie war der Tag? Wie fühle ich mich? Was wünsche ich mir? Wenn ihr euch täglich austauscht, gewinnt ihr ein Verständnis für die Wahrnehmung des anderen und wachst besser zusammen. 
  4. Dankbarkeitsrunde
    Definiert mit den Kindern zusammen ganz konkret: Wofür sind wir heute dankbar? Kinder fangen an, einander zu benennen, wahrzunehmen und dadurch noch enger verbunden zu fühlen.
  5. Bedürfnisse adressieren
    Jeder in der Familie sollte konkret aussprechen und wahrnehmen, was er von dem anderen braucht, um glücklich zu sein.
  6. Quatschen hilft!
    Redet immer wieder mit den Kindern – auch über die Trennungsgründe. Das ist eine riesige Erleichterung für sie: So suchen sie die Schuld nicht bei sich.

 

Hanna (30) und Basti (37) mit Louisa (4), Schaumburg (Niedersachsen)

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Hanna und Basti sind seit zwei Jahren ein Paar. Bastis Tochter Louisa (4) kennt Hanna schon seit ihrem ersten Lebensjahr – sie war in der Krippe ihre Erzieherin. "Ich hatte schon einmal einen Partner mit Kind, fühlte mich deshalb selbstsicher", sagt Hanna, "dann aber musste ich feststellen, dass es beim zweiten Mal ganz anders sein kann." Zu Beginn der Beziehung war alles noch harmonisch, erst mit Hannas Einzug fingen die Probleme an.

Die Beziehung zu Louisas Mutter wurde zu einer Achterbahnfahrt mit einigen Höhen und viel mehr Tiefen. Es folgte eine Aussprache und kurzzeitige Entspannung. "In der Corona-Zeit hat sich die Situation dann leider noch einmal verschärft", erzählt Hanna, "Louisa lehnte mich mehr und mehr ab."

Das Paar wandte sich an eine Beratungsstelle – mit Erfolg. Wenn Basti jetzt "Ich liebe dich" zu Hanna sagt, sagt Louisa: "Ich liebe euch auch." Entscheidend für Hanna: "Ich hatte die ganze Zeit Bastis Unterstützung. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich meine Koffer gepackt." Sie ist sicher: "Ich habe einen Sechser im Lotto und lasse ihn nicht mehr gehen – und er mich auch nicht."

Unser Tipp: "Holt euch professionelle Hilfe! Die Freunde, die einem die Schulter tätscheln und sagen, wie schrecklich alles ist, helfen einem nicht so wie ein Coach."

Juliane (35) mit Aileen (8), Aimée (12), Linda (11, v. l.) und Silvio (37) mit Lilith (5), Bremervörde (Niedersachsen)

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Für Juliane und Silvio hat sich das Leben in den letzten Wochen komplett gedreht. Denn ausgerechnet die Pandemie sorgte dafür, dass ihre Patchworkfamilie endlich so richtig zusammenwuchs.

Seit dem 1. Oktober 2018 sind die beiden zusammen, sie brachte drei Töchter (heute 8, 11 und 12) mit in die Beziehung, er machte das Mädchen-Quartett mit Nesthäkchen Lilith (5) komplett. Im vergangenen Jahr hatte das Paar noch alle 14 Tage ein kinderfreies Wochenende, an dem die Kids beim jeweils anderen Elternteil waren – Corona änderte das: "Den Lockdown haben wir zum gemeinsamen Probewohnen genutzt", erklärt Silvio. Juliane erzählt: "In dieser Zeit war auch meine Bonustochter überwiegend mit dabei, weil Silvio und Liliths Mama beide arbeiten mussten, also bot ich mich für die Betreuung an." Lilith lernte im Homeschooling, ihren Namen zu schreiben und die Zahlen auseinanderzuhalten – außerdem brach auch zwischen den Halbgeschwistern das Eis. Juliane sieht diese Zeit als Bestätigung: "Wir leben alle noch, wir mögen uns alle noch", sagt sie, "Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten."

Unser Tipp: "Man muss viel miteinander reden, dann läuft es auch."

Stefan (37) mit Tarja (9) und Yvonne (38) mit dem gemeinsamen Sohn Leonard (3 Monate), Herne (NRW)

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Yvonne ist glücklich verheiratet und frischgebackene Mama von Leonard (3 Monate). Der Weg dahin war allerdings ziemlich steinig.

Als sie vor dreieinhalb Jahren mit Stefan zusammenkam, fiel es ihr schwer, mit seiner damals sechsjährigen Tochter entspannt umzugehen. "Ich war eifersüchtig, dass er ein Kind mit einer anderen Frau hat und nicht mit mir." Wenn Tarja sagte, dass ihr langweilig ist, löste das bei Yvonne eine innere Erwartungshaltung aus, immer mit ihr spielen zu müssen. "Das wurde mir irgendwann zu viel." Frust, Ärger und Ablehnung wuchsen. Parallel blieb ihr eigener Kinderwunsch lange unerfüllt. Durch ein Coaching änderte sich ihre Einstellung zur Bonustochter: "Als ich mich selbst reflektiert habe, konnte ich mit der Situation besser umgehen. Mein Tipp ist, zuerst bei sich zu gucken und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten." 

Als der innere Druck weg war, klappte es auch mit der Schwangerschaft. Seit der Geburt hat sich Yvonnes Verhältnis zu Tarja noch mal gewandelt. "Jetzt freue ich mich auf sie und merke auch, dass sich ein Gefühl von 'Ich habe sie lieb' einstellt."

Unser Tipp: "Schwierige Situationen haben meistens mit dir selbst zu tun. DA müsst ihr ansetzen."

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