Kinderfrust

"Mein Bild ist hässlich" – Kinderpsychologin erklärt, wie Eltern darauf am besten reagieren

Wenn Kinder knallhart über ihre eigenen Kunstwerke urteilen, sind Eltern oft versucht, sofort zu beschwichtigen. Aber ist das wirklich der richtige Weg? 

Kind malt, Mutter schaut zu.© iStock/miniseries
Wenn Kinder ihre eigenen Kunstwerke kritisieren, ist elterliches Fingerspitzengefühl gefragt.

Es gibt Sätze, die sagen wir ganz reflexartig. "Alles gut" zum Beispiel, wenn wir nach unserem Befinden gefragt werden. Oder auch: "Aber nein, mein Schatz, das Bild ist doch total schön geworden! Mir gefällt es richtig gut!" Wenn Kinder mit ihren eigenen Bildern nicht zufrieden sind, verfallen Eltern meistens in einen Automatismus und versichern gern prompt – mit leicht aufgesetzter Euphorie – ihre Begeisterung über das Kunstwerk.

Die Absicht dahinter ist zweifellos löblich. Wir wollen unser Kind bestärken, trösten, seine Mühe wertschätzen, ihm ein gutes Gefühl geben. So machen Eltern das eben. Wenn unser Kind sich selbst negativ bewertet, fällt es uns oft schwer, das einfach so im Raum stehen zu lassen. Das Problem dabei: So richtig ernst nehmen wir damit die Aussage des Kindes nicht.

Bei näherer Betrachtung fällt auf: Durch unseren Widerspruch ("Das stimmt nicht") stellen wir die Wahrnehmung des Kindes infrage. Und unsere Versicherung "Ich finde es aber schön" ist in dem Moment im Grunde völlig irrelevant. Denn – hart gesagt – danach hat niemand gefragt.

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Gefühle erkennen und ernst nehmen

Wenn ein Kind sagt, dass es sein Bild hässlich findet, betreibt es damit nicht "Fishing for Compliments". Es drückt lediglich seine eigene Meinung in Bezug auf sein Bild aus und ist eventuell frustriert, weil es noch nicht besser malen kann. Dieses Gefühl ist erstmal völlig legitim, und es ist an den Eltern, das auch auszuhalten.

"Gefühle sind keine Fehler – sie sind Wegweiser", erklärt die Psychologin Hannah Blankenberg. "Wenn dein Kind traurig oder frustriert über sein Bild ist, geht es nicht um objektive Schönheit. Es geht um seine eigene Wahrnehmung, seine Erwartungen an sich selbst, vielleicht um den Wunsch, es besser zu können. Wenn wir diese Gefühle nicht anerkennen, sondern sofort 'wegtrösten', lernt das Kind: 'Meine Gefühle sind falsch, sie fühlen sich nicht sicher an, auch nicht für MaPa. Ich sollte anders fühlen.'"

Gleiches gilt für alle vergleichbaren Situationen, in denen das Kind unzufrieden mit seinen eigenen Fähigkeiten ist – oder auch mit seinem Aussehen. Solche Aussagen führen oftmals ebenfalls zu starken Gegenreaktionen der Eltern. "Dann kommen oft eigene innere Anteile in Eltern hervor, die solche Selbstkritik gut kennen und sich nichts mehr wünschen, als dass das Kind diese Gefühle nicht durchleben muss", weiß Hannah Blankenberg.

Kinder entwickeln jedoch Selbstvertrauen und Resilienz, wenn sie lernen, dass all ihre Gefühle ihre Berechtigung haben – und dazu gehören eben auch negative Emotionen wie Wut, Frust oder Enttäuschung. Daher ist es wichtig, dass Eltern mit ehrlicher Anteilnahme und – wenn vom Kind gewünscht – konstruktiven Anregungen reagieren, anstatt einfach über das Gefühl hinwegzugehen. So eröffnen sie ihrem Kind den Freiraum, seine Emotionen offen und frei äußern zu dürfen, ohne dabei das Gefühl zu haben, die Eltern damit zu verärgern oder beunruhigen.

Kinder haben feine Sensoren dafür, wie Eltern auf ihre Aussagen reagieren. Wenn sie merken, dass negative Aussagen bei den Eltern Bestürzung verursachen, führt das schnell dazu, dass sie den Eindruck bekommen, dass Frust oder Enttäuschung unerwünscht sind und es dafür zu Hause keinen Platz gibt. 

Wie Eltern stattdessen reagieren können

Gefühle anerkennen

Wir zeigen Kindern, dass es völlig okay ist, mit seinen eigenen Fähigkeiten auch mal unzufrieden zu sein, indem wir seine Gefühle anerkennen, annehmen und spiegeln: "Du bist gerade gar nicht zufrieden mit deinem Bild."

Interesse zeigen

Statt vorschnelles Lob zu verteilen, ist es sinnvoll, genau nachzufragen und dadurch echtes Interesse zu zeigen: "Was stört dich denn an dem Bild?"

Unterstützung anbieten

Kinder fühlen sich gesehen, wenn Eltern ihre Gefühle akzeptieren und ihnen nicht den Eindruck vermitteln, sich "falsch" zu fühlen: "Es ist in Ordnung, unzufrieden zu sein." In einem weiteren Schritt können sie ihre Unterstützung anbieten: "Wir können zusammen überlegen, was du anders machen könntest, damit dir das Bild besser gefällt."

Letztlich trägt es auch zu einer gesunden Fehlerkultur bei, wenn Kinder lernen, dass nicht alles wunderschön und perfekt gelungen sein muss. Weil es eben wichtiger ist, es weiter zu probieren, als eine Glanzleistung nach der nächsten abzuliefern.