
Neulich auf dem Spielplatz. "Ich bin stark und mutig", ruft der Zweijährige voller Inbrunst, nachdem er ganz allein auf einen mittelgroßen Feldstein geklettert ist und von dort aus stolz die Welt zu seinen Füßen betrachtet. Den Ausruf kennt er aus einem Kinderbuch, und vermutlich erahnt er den Sinn dahinter mehr, als dass er ihn versteht. Aber darum geht’s jetzt auch gar nicht. Fakt ist: Ihn diesen Satz sagen zu hören, macht mich glücklich. Weil er wahr ist. Weil er stark und mutig IST und weil ich mir als Mutter wünsche, dass er diesen Satz jeden Tag in seinem Leben ausspricht oder zumindest denkt und und ihn so sehr verinnerlicht, dass er selbst dann keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten hat, wenn mal alles so gar nicht nach Plan verläuft. Dass er resilient ist eben.
Was ist Resilienz bei Kindern?
Klar: Alle Eltern wünschen sich ein selbstbewusstes und widerstandsfähiges Kind. Resilienz – das Wort ist dieser Tage in aller Munde. Gemeint ist damit die psychische Widerstandskraft, die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Wer resilient ist, kann Schwierigkeiten als Herausforderungen betrachten, eigene Lösungen finden und gestärkt aus Krisen hervorgehen.
Resilienz ist quasi das Immunsystem der Psyche, und dazu gehören Fähigkeiten wie soziale Kompetenz, eine positive Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen, ein konstruktiver Umgang mit Stress und die Kompetenz, Lösungen für Probleme zu finden.
Kleine Kinder sind eine wahre Inspiration, wenn es um das Thema Resilienz geht. Sie fallen zigmal am Tag, weinen kurz – und stehen dann gleich wieder auf und laufen weiter. Hart im Nehmen, könnte man das nennen. Keine Frage: Kinder sind echte Stehaufmännchen. Doch wie gelingt es, diese Eigenschaft für den Rest des Lebens zu bewahren?
An dieser Stelle kommen die Eltern ins Spiel – denn sie können Kinder maßgeblich dabei unterstützen, gestärkt durchs Leben zu gehen.
Resilienz stärken bei Kindern: Die ersten Lebensjahre sind entscheidend
Im Grunde wird jedes Kind mit der Fähigkeiten geboren, der Welt neugierig und mit großer Entdeckerfreude zu begegnen. Quasi von Geburt an sind Babys gierig danach, ihre Umgebung zu erforschen. Sie experimentieren, testen ihre Fähigkeiten, probieren Neues und meistern Herausforderungen.
In den ersten drei Lebensjahren entscheidet sich jedoch maßgeblich, inwiefern Kinder diese Anlagen auch entfalten können. In erster Linie braucht es dazu liebende Bezugspersonen, die auf die kindlichen Bedürfnisse eingehen, und eine sichere Bindung. Das Fundament legen Eltern bereits kurz nach der Geburt – indem sie auf die Signale ihres Babys reagieren und angemessen darauf eingehen. In den meisten Fällen verfügen Eltern über ein gutes Bauchgefühl und wissen, was ihr Kind braucht, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Auf diese Intuition ist in der Regel Verlass, und Stimmen von außen, die einem einreden wollen, dass das Kind nicht im Elternbett schlafen oder man es ruhig mal schreien lassen soll, dürfen ruhig ignoriert werden.
Resilienz kann gelernt werden
Optimale Entwicklungsbedingungen für Kinder zu schaffen, bedeutet jedoch nicht, alle Hindernisse und Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Wichtiger ist, Kindern zu zeigen, mit Herausforderungen richtig umzugehen. Eltern sind dabei die besten Vorbilder. Welche Lösungswege finden wir? Wie gehen wir mit eigenen Fehlern um? Wann holen wir uns Unterstützung? Unsere Kompetenz in Bezug auf Problemlösungen prägt unsere Kinder nachhaltig. Wir sollten Kinder ermutigen, Neues zu wagen und nicht aufzugeben, wenn es nicht gleich klappt.
Auch der Zugang zu den eigenen Gefühlen ist ein zentraler Faktor. Entwickeln Kinder Verständnis für sich selbst, fällt es ihnen später leichter, Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Deshalb sollten Kindern lernen, dass positive wie negative Emotionen zum Leben dazugehören. Alle Gefühle sind zulässig und sollen nicht versteckt werden. Das gelingt am besten mit verständnisvollen Eltern, die ihre Kinder auch bei Wutanfällen liebevoll begleiten und ihnen das Gefühl geben, genau richtig zu sein und bedingungslos geliebt zu werden.
Nicht ganz geklärt ist, ob Resilienz ein reines Erziehungsthema ist, oder ob sie manchen Menschen bereits mit in die Wiege gelegt wird. Fakt ist jedoch: Resilienz ist lernbar.
Die Forschung geht von bestimmten Resilienzfaktoren aus, die dazu beitragen, dass Kinder stark und widerstandsfähig werden. Und diese Faktoren kann man trainieren und stärken. Eltern kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu. Indem sie ihre Kinder achtsam und unterstützend begleiten, können sie ihnen helfen, innere Stärke zu entwickeln.
6 Säulen der Resilienz: Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können
Selbstwahrnehmung
Kinder müssen erst noch lernen, ihre eigenen Gefühle zu verstehen, und dabei können Eltern sie unterstützen. Vorlesen ist eine gute Möglichkeit, um Kindern anhand von Geschichten verschiedene Emotionen näherzubringen, damit sie lernen, mit Worten auszudrücken, wie es ihnen geht.
Selbststeuerung
Manchmal werden wir von unseren Gefühlen geradezu überrannt, und gerade für Kinder ist es schwer, mit starken Emotionen wie Wut oder Ärger umzugehen. Eltern sollten ihnen deshalb signalisieren, dass alle Gefühle erlaubt sind und sie gleichzeitig auffangen und beruhigen.
Selbstwirksamkeit
Wer seine eigenen Stärken und Fähigkeiten kennt, wird auch in der Lage sein, Probleme durch klare Strategien zu lösen. Um diese Kompetenz zu stärken, sollten Kinder mit einbezogen werden, kleine Aufgaben übernehmen, mitreden dürfen und ernstgenommen werden.
Soziale Kompetenz
Kinder, die lernen, andere Kinder zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen, werden eher in der Lage sein, Konflikte zu lösen. Eltern können diesen Lernprozess unterstützen, indem sie ehrlich mit ihren Kindern umgehen, ihre eigenen Gefühle offen zeigen und selbst konstruktiv mit Streitsituationen umgehen.
Problemlösefähigkeit
Um Kinder darin zu bestärken, Herausforderungen eigenständig zu meistern, sollten sich Eltern in Zurückhaltung üben. Wer übereifrig alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumt, bringt Kinder um die Möglichkeit, selbst Lösungsstrategien zu entwickeln.
Konstruktiver Umgang mit Stress
Kinder müssen lernen, selbst einschätzen zu können, ob sie mit bestimmten Situationen allein zurechtkommen, oder ob sie Unterstützung benötigen. Um diese Fähigkeit zu trainieren, kann es sinnvoll sein, bestimmte Situationen im Nachhinein noch einmal durchzugehen und das Kind durch gezielte Fragen anzuregen, seine Vorgehensweise noch einmal zu überdenken.
Die Entdeckung der Resilienz
Die Forschung zum Thema Resilienz geht auf Emmy Elisabeth Werner und ihre Kollegin Ruth Smith zurück. Ab den 50er-Jahren begleiteten sie knapp 700 Kinder 40 Jahre lang. Alle Kinder hatten ähnliche Startbedingungen, aber nur etwa ein Drittel hatte als Erwachsene sein Leben gut im Griff. Die Wissenschaftlerinnen schlossen daraus, dass es so etwas wie "seelische Schutzfaktoren" geben müsse. Heute spricht man von Resilienz. Diese Widerstandskraft wird im Laufe des Lebens erweitert und kann durch bestimmte Erlebnisse auch stagnieren. Durch einen achtsamen Umgang kann die Resilienz gefördert werden.
Resilienz: Die 5 Säulen der Erziehung widerstandsfähiger Kinder
Aliza Pressman, Entwicklungspsychologin und Autorin, hat in ihrem Buch "The 5 Principles of Parenting: Your Essential Guide to Raising Good Humans" fünf Prinzipien definiert, die für die Förderung der Resilienz bei Kindern unerlässlich sind. Ihrer Meinung nach geht es nicht darum, das Kind glücklich zu machen und von allen Schwierigkeiten abzuschirmen, sondern darum, eine sichere Bindung aufzubauen. Auf dieser Basis können Kinder Resilienz entwickeln.
1. Beziehung
Eine starke Bindung gibt Kindern das Gefühl, mit Widrigkeiten und Stress umgehen zu können. "Eine Bezugsperson zu haben, mit der man sich sicher und verbunden fühlt, kann Stress für Kinder erträglicher werden lassen", so die Expertin.
2. Reflexion
Es ist hilfreich, in den Alltag Momente der "Mikromediation" einzubauen und zu überlegen, was sowohl wir Eltern als auch das Kind gerade brauchen. Diese Art der Reflexion führt dazu, dass wir überlegter und weniger reflexartig reagieren. Kinder spüren, wenn ihre Eltern sich selbst gut regulieren können und spiegeln dieses Verhalten wider.
3. Regulierung
Regulierung ist ein wichtiger Faktor für die Widerstandsfähigkeit. Kinder lernen, gelassen mit schwierigen Situationen umzugehen, egal wie stark ihre Gefühle sind.
Eltern helfen ihren Kindern, sich selbst zu regulieren, indem sie ihnen mit gutem Beispiel vorangehen. Das bedeutet, mit einer ruhigen Haltung auf sie zuzugehen, sie daran zu erinnern zu atmen, und zum Ausdruck zu bringen, dass ihre Gefühle zwar gültig sind, ihre Handlungen jedoch der Situation angemessen bleiben müssen.
4. Regeln
"Wenn wir klare, konsistente Regeln haben und diese sinnvoll sind, wissen unsere Kinder, was von ihnen erwartet wird", so Aliza Pressman.
Wenn sie bei ihren Eltern erleben, wie sie Freunden oder Familienmitgliedern Grenzen setzen, fühlen sich Kinder ermutigt, dasselbe zu tun.
5. Reparieren
Alle Eltern machen Fehler – aber Beziehungen können einer beeindruckenden Belastung standhalten, wenn wir bei den Kindern nach einem Missgeschick das Selbstvertrauen und das Zusammengehörigkeitsgefühl wiederherstellen.
Am besten lässt sich die Beziehung durch Empathie, Liebe und Neugier "reparieren". "Wenn das Kind beispielsweise vom Schultag erzählt, wir aber gerade damit beschäftigt waren, E-Mails zu beantworten, könnte es sein, dass sich das Kind zurückgewiesen fühlt und entsprechend reagiert", so die Psychologin. Anstatt den Vorfall zu ignorieren, sollten Eltern sich entschuldigen, dass sie abgelenkt waren, und versichern, dass sie nun zuhören.