Beziehung

Mehr Männer als Frauen wollen ein weiteres Kind – warum das so ist

Eine Studie ergab: Oft sind es die Männer, die sich ein weiteres Kind wünschen. Eine Paartherapeutin erklärt, welche Gründe dahinterstecken und was das mit der Beziehung macht.

Eltern mit Kind lachen in die Kamera.© iStock/Cecilie_Arcurs
Familienplanung abgeschlossen? Für Frauen eher als für Männer.

Er will noch ein Kind, sie nicht. Es ist ein Dilemma, das viele Paare in eine tiefe Krise stürzt. Denn kaum ein anderes Thema hat eine solche Sprengkraft wie die das Thema Kinderwunsch. Wie einen Kompromiss finden in einer Frage, für die es eigentlich keinen Kompromiss geben kann?

Eine neue ElitePartner-Studie ergab, dass es öfter die Männer sind, die sich weiteren Nachwuchs vorstellen können: 59 Prozent der Männer unter 45 Jahren gaben an, sich weitere Kinder zu wünschen. Bei den Frauen waren es nur 55 Prozent.

Das mag überraschend klingen. Schließlich sind es vor allem die Frauen, die den Großteil der Care-Arbeit übernehmen. Legt das nicht nahe, dass auch sie es sein müssten, bei denen der Kinderwunsch besonders ausgeprägt ist?

Aber genau das ist der entscheidende Punkt: "Viele Frauen leiden unter dem Mental Load, der durch eine Familiengründung oft den Alltag bestimmt. Zudem erschweren traditionelle Rollenerwartungen in der Partnerschaft den unbeschwert positiven Blick von Frauen auf Nachwuchs", erklärt Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin und ElitePartner-Studienleiterin.

Die Care-Arbeit ist ungleich verteilt

Obwohl immer mehr Männer bereit sind, beruflich kürzer zu treten und Elternzeit zu nehmen, hat die Familiengründung auch heutzutage immer noch unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen. "Der emotionale Wunsch nach einem oder mehreren Kindern ist bei Männern weniger durch das Wissen um die beruflichen und privaten Konsequenzen beeinflusst", erklärt Lisa Fischbach. Für viele Frauen hingegen wird die Vereinbarkeit von persönlichen Bedürfnissen, Job und Familienplanung zu einer Belastung – vor allem, weil in vielen Fällen die Unterstützung des Partners nach anfänglichem Engagement im Alltag nachlässt. Denn mehr als zwei Monate Elternzeit sind bei den meisten Männern auch heute noch nicht drin. 

Heißt: Männer wünschen sich zwar ein Kind, sind aber überwiegend nicht bereit, die damit einhergehenden Verpflichtungen gleichberechtigt zu übernehmen. Auch wenn Männer heute tendenziell mehr dazu bereit seien, unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung und Hausarbeit zu übernehmen, klaffe immer noch eine große Lücke zwischen den Geschlechtern. "Sechs von zehn Männern erwarten, dass die Partnerin mindestens sechs Monate Elternzeit nimmt und jeder zweite Mann, dass sie die Arbeitszeit reduziert, sobald ein Kind erwartet wird", so die Expertin. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2020 zeigte, dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt 52 Prozent der täglichen Care-Arbeit leisteten, während Männer etwa 36 Prozent übernahmen.

An der K-Frage scheiden sich die Geister

Ein unterschiedlicher Kinderwunsch kann Paare vor große Belastungen stellen. "Kaum eine Entscheidung im Leben hat so eine Tragweite wie die für oder gegen Kinder. Sie ist hochkomplex und von vielen Beweggründen beeinflusst", weiß Lisa Fischbach. Gelingt es den Partnern nicht, eine Einigung zu finden, können auf Dauer das Vertrauen und die Bindung innerhalb der Beziehung leiden.

"Bleibt der Wunsch eines Partners nach einem Kind unerfüllt, ist dies meist mit tiefen emotionalen Verletzungen verbunden. Die betroffene Person könnte sich unverstanden, abgelehnt oder sogar ungeliebt fühlen, was negative Gefühle wie Trauer oder Wut hervorrufen kann. Gleichzeitig fühlt sich die andere Person ohne Kinderwunsch unter Druck gesetzt, den Erwartungen nicht gerecht zu werden", erklärt Lisa Fischbach. 

Bei der Frage nach einem weiteren Kind gibt es schließlich keinen Kompromiss. Gelingt es dem Paar nicht, einen Konsens zu finden, kann die Beziehung in eine tiefe Krise stürzen. "Der Versuch, eigene Kinderwünsche zu opfern oder langfristig zu vertrösten, führt meist zu faulen Kompromissen, die unterschwellig eine Beziehung belasten." Findet das Paar keine einvernehmliche Lösung, ist professionelle Hilfe oft unumgänglich. "Wenn Paare im Austausch über das Kinderthema an Grenzen stoßen, sollte externe Hilfe wie ein Beziehungs-Coaching oder eine Paartherapie in Anspruch genommen werden."

Gründe, weshalb sich Frauen gegen (weitere) Kinder entscheiden 

  • Bedürfnis nach persönlicher Unabhängigkeit (67 Prozent) und Flexibilität (64 Prozent)
  • Knapp 6 von 10 Frauen geben die Belastung an, die die Verantwortung für Kinder mit sich bringen kann.
  • Gut jede Zweite sieht in der finanziellen Belastung einen Grund.
  • 47 Prozent haben Sorge, dass Kinder ein Treiber für Ungleichheit in beruflichen und persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten sind.
  • Jede dritte Frau befürchtet, durch Kinder auf das Muttersein reduziert zu werden
  • Körperliche Veränderung durch eine Schwangerschaft bzw. Geburt sowie die negativen Auswirkungen auf Sexualität und Beziehung sind weitere Argumente gegen das Kinderkriegen.
  • Dass der Sex durch Kinder leidet, gibt gut jede dritte Frau mit Kindern an. 

Hinzu kommen finanzielle Aspekte: 41 Prozent der Liierten mit Kind(ern) geben an, dass sie sich zurzeit kein weiteres Kind leisten könnten. Jedes zweite Paar, das bereits Nachwuchs hat, müsste bei einem weiteren Kind in eine größere Wohnung oder ein größeres Haus umziehen. "Außerdem verändert sich mit einem zweiten Kind noch einmal das Gefüge der Familie. Bei nur einem Kind ist Paarzeit und Me-Time einfacher einzurichten, wenn das Kind betreut ist oder schläft. Zwei Kinder haben – gerade in den ersten Lebensjahren – sehr verschiedene Rhythmen und Betreuungslösungen, sodass die verfügbare Zeit und Flexibilität noch einmal sinkt", erklärt Lisa Fischbach.