Glückliche Kinder, die Spaß am Spielplatz im Freien haben.© iStock/SbytovaMN
Kein Spielzeug mehr? Ist doch langweilig! Oder?

"Mir ist sooo langweilig!" Gut so! Denn sobald Kinder ohne Spielzeug auskommen müssen, passieren erstaunliche Dinge ... 

In vielen Kinderzimmern bekommen Eltern kaum noch einen Fuß auf den Boden, ohne auf überall verteiltes Spielzeug zu treten. Und beim abendlichen Aufräumen drängt sich oft der Gedanke auf: Das ist doch alles viel zu viel! Andererseits: Er ist ein Kind, er braucht doch Spielzeug.

Oder etwa nicht?

Ausgerechnet in Kitas, in den dutzende Kinder ja nun kaum was anderes machen als zu spielen, hat sich ein Konzept bewährt, das heißt: spielzeugfrei!

Ohne Spielzeug entfaltet sich die Kreativität

Wie das geht? Das Spielzeug wird, meist zeitlich befristet, aus den Gruppenräumen verbannt. Und dann? Heißt es für die Kinder, kreativ zu werden. In einer Kita in Brandenburg beispielsweise bauen sich die Kinder ihr Spielzeug selbst. Es wird gehämmert, gesägt, gestrichen und gebastelt, Pappkartons werden umfunktioniert, Kissen und Decken zweckentfremdet. "Die Kinder sind unglaublich kreativ. Sie können ihre Stärken ausleben und stellen auch fest, wo ihre Grenzen sind und fragen dann nach Hilfe", sagt Kita-Leiterin Bianca Krause gegenüber dem "rbb".

Ohne Spielzeug steht Teamwork im Vordergrund. Mit Unterstützung der Erzieherinnen entwickeln sogar die Kleinsten erste handwerkliche Fähigkeiten und präsentieren stolz ihre selbstgebastelten Sachen. "Dieses Leuchten in den Augen. Dann denke ich: Ja, genau das ist es, was wir wollten", so die Kita-Leiterin.

Dass Langeweile – genauer gesagt das Fehlen von Anregung oder Beschäftigung – zu großer Kreativität führen kann, ist längst wissenschaftlich bewiesen. Die US-Psychologin Sandi Mann fand heraus, dass Menschen, die sich langweilten, danach zu kreativeren Leistungen im Stande waren. So können auch Kinder aus Langeweile heraus große Fantasie und Einfallsreichtum entwickeln.

Freies Spiel stärkt die kindliche Entwicklung

Pädagogen haben außerdem nachgewiesen, dass das freie Spiel Kommunikation, Fantasie, Konfliktfähigkeit und kritisches Denken fördert.

"Die meisten Kinder freuen sich auf die spielzeugfreie Zeit", sagt Susanne Wasserfallen, Projektleiterin des Spielzeugfreien Kindergartens der Suchtprävention Aargau (Schweiz). "Es sind eher die Eltern, die sich an den Gedanken gewöhnen müssen."

Was in der spielzeugfreien Zeit noch erlaubt ist: Alles, was nicht direkt zum Spielen erfunden wurde oder keinen klaren Zweck hat. Dazu zählen Seile, Tücher, Wäscheklammern, Stühle, Tische, Bretter, Körbe, Kisten, Steine. In manchen Fällen werden sogar Papier und Stifte weggeräumt.

Die Expertin betont, dass es sich für Eltern auch lohnen kann, Spielzeug zu Hause für eine Zeit wegzuräumen. Einen Versuch wäre es sicher wert ...

Spielzeugfreie Kitas: Ein bewährtes Konzept

In den 90er Jahren wuchs das Unbehagen darüber, dass Kinder so sehr von Konsum und durchgeplanter Freizeit bestimmt würden. Daraus entwickelte sich das Konzept des spielzeugfreien Kindergartens, der Kindern Freiräume bot, sich ohne Vorgaben zu beschäftigen. Die Kinder erlebten dabei zunächst oft erst Frustration und Langeweile, bevor sie ein selbstbestimmtes Handeln entwickelten und die Freiheit zu schätzen lernten. Heute ist das Konzept etabliert und wird in vielen Kitas umgesetzt.