
Eltern kennen dieses Szenario: Sie müssen dringend los, und das Kind will sich nicht anziehen. 3, 2, 1, Eskalation. Ehe man richtig verstanden hat, was eigentlich gerade passiert ist, steckt man in einem regelrechten Teufelskreis: Das Kind hört nicht, die Eltern werden zunehmend genervt und ungeduldig – und das Kind schaltet erst recht auf Stur. Egal, ob wir nun mit Engelszungen reden oder streng ermahnen – die Situation ist festgefahren. Was da hilft? In vielen Fällen ein ganz einfaches, altbewährtes Zaubermittel: eine Umarmung. Einfach mal innehalten, nicht mehr reden und in Verbindung zueinander gehen – oftmals braucht es nicht mehr, damit der Knoten platzt und sich die Gefühle von Eltern und Kind wieder synchronisieren. Und das ist sogar wissenschaftlich bewiesen!
Wunderwaffe Umarmung
Eine Umarmung ist wohl die beste Art, um runterzukommen und einen Neustart zu machen. Eine Umarmung sagt: "Ich bin für dich da." Umarmungen sind wie eine nonverbale Liebeserklärung, Aufmunterung und Bestärkung zugleich. Sie wirken tröstlich, wenn wir traurig sind, beruhigend, wenn wir ängstlich sind, und verstärken die Freude, wenn wir glücklich sind. Das gilt in Paarbeziehungen, Freundschaften – und ganz besonders für Eltern und Kinder.
Dabei geht es nicht einfach um Berührungen. Eine innige Umarmung ist eingebettet in Zuwendungen, Aufmerksamkeit und liebevolle Interaktion. Die Wissenschaft hat längst bewiesen, dass Fürsorge und Nähe überlebenswichtig für Kinder sind und ihre Entwicklung in vielerlei Hinsicht positiv beeinflussen. Auch die psychische Gesundheit profitiert von liebevoller Berührung. Neurologen haben herausgefunden, dass Angst und Stress auf diese Weise ausgeglichen werden und dass Umarmungen beruhigend auf Kinder wirken. Die Auswirkungen sind so stark, dass sie dauerhafte Veränderungen an bestimmten Gensequenzen vornehmen. Das heißt: Wer in der Kindheit viel Körperkontakt erfährt, profitiert auch noch als Erwachsener davon.
Individuelle Grenzen respektieren
Voraussetzung ist natürlich, dass das Kind offen für Umarmungen ist und Körperkontakt zulässt. Jedes Kind ist individuell und hat seine eigene Art, mit Emotionen umzugehen. Während die einen gut auf körperliche Berührung ansprechen, wird es anderen schnell zu viel und sie brauchen Platz und Abstand, um ihre Gefühle zu regulieren. Beide Wege sind völlig legitim, und Eltern sollten die einzigartigen Bedürfnisse ihres Kindes respektieren. Im Umgang mit Kindern ist es wichtig, das Thema spielerisch anzugehen und Grenzen und Bedürfnisse anzuerkennen.
Wenn Kinder jedoch gern kuscheln, können Umarmungen ihnen dabei helfen, mit ihren starken Gefühlen wie Wut, Trauer oder Angst umzugehen. Eine Umarmung hilft oft mehr als tausend Worte.
6 Gründe, warum Umarmungen wahre Wunder wirken
Umarmungen …
… sind ein Hormon-Booster.
Umarmungen setzen Oxytocin frei, das sogenannte Kuschel- oder Bindungshormon. Oxytocin gilt als der mächtigste Gegenspieler der Stresshormone. Es senkt die Atemfrequenz und den Blutdruck, wirkt beruhigend, stärkt das Vertrauen und fördert die Eltern-Kind-Beziehung. Studien haben ergeben, dass Oxytocin Ängste reduziert, Aggressionen dämpft und Bindungen stärkt.
… sorgen für mehr Harmonie.
Kinder reagieren besser auf Liebe als auf Strafen. Statt zu schimpfen oder sich mit endlosen Diskussionen zu verzetteln, ist es meist sinnvoller, sein Kind (natürlich nicht gezwungenermaßen) in den Arm zu nehmen und den "Bindungs-Tank" wieder aufzuladen. Kinder sind dann in der Regel viel eher bereit, zu kooperieren.
… helfen, Gefühle zu regulieren.
Eine Umarmung wirkt unterstützend, um das Nervensystem zu regulieren und große Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Berührungen holen Kinder ins Hier und Jetzt zurück. Das ist vor allem im Zusammenhang mit Ängsten wichtig.
… wirken beruhigend.
Wenn Eltern ihr Kind in den Arm nehmen, ist es hilfreich, auf eine ruhige Atmung zu achten. Die Ruhe überträgt sich aufs Kind, Anspannung oder Wut lösen sich auf.
… machen schlau.
Studien haben bewiesen: Körperkontakt ist essenziell wichtig, damit das Gehirn wachsen und reifen kann. Körperliche Nähe wirkt sich positiv auf den Intelligenzquotienten aus, stärkt das Immunsystem und fördert die geistige Entwicklung.
… sind gut für alle.
Nicht nur das Kind genießt den Körperkontakt mit den Eltern, sondern von den positiven Eigenschaften einer Umarmung profitieren auch die Eltern. Übrigens: So etwas wie zu viel kuscheln gibt es nicht. Solange sich alle damit wohlfühlen, spricht nichts gegen Umarmungen im Überfluss.
Laut Studie: Umarmungen lindern Ängste und Schmerz
Eine Auswertung von mehr als 130 Studien ergab: Berührungen haben einen lindernden Effekt auf Schmerzen, Depressionen und Ängste – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Forschungsteams aus Bochum, Duisburg-Essen und Amsterdam fanden heraus, dass vor allem kürzere, aber dafür häufigere Berührungen einen positiven Einfluss haben. Wichtige Voraussetzung: Die Berührung muss gewünscht sein. Bereits eine kurze Umarmung hat spürbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Übrigens: Ein Stofftier zu drücken, hat einen ähnlichen Effekt, auch wenn der Kontakt mit einem anderen Menschen der Psyche deutlich besser tut.
Die Forscher fanden auch heraus, dass Babys besonders gut auf Berührungen durch ihre Eltern ansprechen. Werden sie von anderen Personen in den Arm genommen, ist die positive Wirkung geringer.