Jugendlicher trainiert vorm Spiegel.© iStock/EvgeniyShkolenko
FItnesswahn kann gefährlich werden.

Während es bei Mädchen oft noch immer die Magermodels sind, die eine falsche Schlankheit als Schönheitsideal verkörpern, greifen immer mehr jugendliche Jungen zu Pillen, die ihre Muskeln wachsen lassen. Das ist nicht ungefährlich. Wird aber leider ebenfalls durch Social-Media-Trends unterstützt.

Makellose und muskulöse Männerkörper werden durch Social Media zur "Normalität"

Das Streben nach einem idealisierten Körperbild ist heute nicht mehr nur ein Thema für Mädchen und Frauen. Auf Plattformen wie Instagram und Tik-Tok werden Bilder von makellosen und muskulösen männlichen Körpern zur Normalität. Diese sozialen Netzwerke sind voll von Bildern von Fitness-Influencern, die den "perfekten" Körper propagieren. Diese digitalen Angebote, die häufig für kreativen Ausdruck und Networking genutzt werden, fördern unrealistische Körperstandards und beeinflussen das Selbstbild junger Männer negativ.

Influencer stellen Muskelmasse in den Vordergrund

Im Jahr 2022 erlangte ein Video des Tik-Tok-Influencers "TheGeneticOne" virale Bekanntheit. Darin tanzt ein junger Mann zum Lied "Zeig deine Muskeln" von Laing und präsentiert stolz seinen durchtrainierten Körper. Die Liedzeile "Und wollen deinen Bizeps, Trizeps, Musculus maximus ..." wurde zu einem Ohrwurm, der auf vielen Schulhöfen zu hören ist. Fragt doch einmal eure Kinder, ob sie den Song kennen!

Die Popularität von diesen Influencern trägt zur Verbreitung einer Kultur bei, die sportliches Aussehen und Muskelmasse in den Mittelpunkt stellt. Doch es gibt einen Haken. Viele Influencer bieten auf ihren Social-Media-Seiten Rabattcodes für sogenannte "Subs" oder Nahrungsergänzungsmittel an. Damit suggerieren sie, dass diese Produkte für den begehrten durchtrainierten Look unerlässlich sind.
Genau das ist eines der Probleme. 

Vorsicht vor Nahrungsergänzungsmitteln zur Körperoptimierung

Neben dem Verhalten, dass Jugendliche durch exzessives Training andere wichtige Lebensbereiche wie Freundschaften und Schule vernachlässigen, besteht auch die Gefahr des übermäßigen Gebrauchs von Nahrungsergänzungsmitteln. Vom Frühstück bis zum Abendessen wird der Körper mit Proteinshakes, Vitaminpillen und anderen "Wundermitteln" gefüttert, und abends greift man vielleicht noch zu Melatonin, um den Schlaf zu fördern – obwohl die Wirksamkeit von Melatonin, wie die Quarks Science Cops in ihrem Podcast diskutieren, nicht wirklich bewiesen ist.

Gesunde Jugendliche brauchen keine Supplements

Tatsache ist, dass die meisten gesunden und moderat sportlichen Jugendlichen keine Nahrungsergänzungsmittel benötigen. Eine ausgewogene Ernährung in Kombination mit regelmäßiger Bewegung reicht in der Regel aus, um fit und gesund zu bleiben. Die Influencer-Kultur und die dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen vermitteln jedoch eine andere Botschaft.

Also: Wie können wir als Gesellschaft und insbesondere Eltern sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche ein gesundes und realistisches Körperbild entwickeln, das nicht von kommerziell motivierten, unrealistischen Standards geprägt ist? Tatsächlich können die feinen Linien des Erziehungsprozesses verwischt werden, wenn Eltern Veränderungen im Verhalten und in den Interessen ihrer Kinder wahrnehmen. Speziell dann, wenn diese Veränderungen zumindest oberflächlich als positiv wahrgenommen werden.

Wenn aus Leidenschaft Besessenheit wird

Wenn ein Kind, das bisher wenig Interesse an sportlichen Aktivitäten zeigte oder mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte, plötzlich eine Begeisterung für Fitness und gesunde Ernährung entwickelt, kann dies für die Eltern zunächst Anlass zur Freude sein. Ein aktiveres, gesünderes Kind – wer wünscht sich das nicht? 

Diese anfängliche Begeisterung kann aber auch zu einem Dilemma führen. Denn wo ist die Grenze zwischen einer gesunden Leidenschaft für Fitness und einer Besessenheit, die in den Bereich des Ungesunden kippt? Was ist der Unterschied zwischen einer gesunden Ernährung und einer restriktiven Diät, die zu Mangelernährung führen kann?

Mit den Jugendlichen offen reden und sie zur Selbstreflexion auffordern

Die Antwort liegt in der Aufmerksamkeit und im offenen Dialog. Eltern sind aufgefordert, auf die körperliche und seelische Gesundheit ihrer Kinder zu achten. Veränderungen im Verhalten, in der Sozialisation und im emotionalen Ausdruck können darauf hinweisen, dass die Interessen des Kindes in eine ungesunde Richtung abdriften.

Aber wie können Eltern solche sensiblen Themen ansprechen, ohne das Selbstwertgefühl des Kindes zu untergraben oder seine Autonomie einzuschränken? Der Schlüssel könnte in der Ermutigung zur Selbstreflexion und kritischen Auseinandersetzung mit den von Medien und Vorbildern propagierten Idealen liegen.

Selbstbild entwickeln, das über den Körper hinausgeht

Eltern könnten solche Gespräche initiieren, indem sie ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle teilen und ein sicheres Umfeld schaffen, in dem Kinder und Jugendliche ihre Unsicherheiten, Ängste und Hoffnungen ausdrücken können. Der Schwerpunkt sollte auf der Entwicklung individueller Stärken und eines ganzheitlichen Selbstbildes liegen, das über den Körper hinausgeht.

Darüber hinaus ist es wichtig, jungen Menschen die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie benötigen, um Medieninhalte kritisch beurteilen zu können. Medienkompetenz – das Verständnis der Mechanismen, Motivationen und Auswirkungen von Medieninhalten – ist eine unverzichtbare Fähigkeit in einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien beherrscht wird.

So können Eltern nicht nur das Streben ihrer Kinder nach besserer körperlicher Gesundheit unterstützen, sondern auch eine starke emotionale und psychische Widerstandsfähigkeit fördern. Dies wird jungen Menschen helfen, mit den immer komplexeren Anforderungen und Erwartungen der modernen Welt - online wie offline – umzugehen zu lernen.

Warnsignale für Eltern

  1. Zeitmanagement: Eltern sollten genau registrieren, wie ihre Kinder mit Zeit umgehen. Wenn ein Kind oder Jugendlicher die meiste Zeit mit Training, Ernährung und damit verbundenen Aktivitäten verbringt und andere wichtige Dinge, wie zum Beispiel schulische Aufgaben, Freundschaften und Freizeitaktivitäten, vernachlässigt, kann dies ein Warnsignal sein.
  2. Verhaltensänderungen: Eine plötzliche Änderung im Verhalten des Kindes kann auf ein Ungleichgewicht hinweisen. Symptome wie Reizbarkeit, Schlafprobleme, sozialer Rückzug oder eine obsessive Beschäftigung mit dem eigenen Körperbild sollten ernst genommen werden.
  3. Exzessives Training: Ein zwanghaftes Trainingsregime durch den Fitness-Trainer oder die -Trainerin, bei dem das Kind unfähig ist, Trainingseinheiten auszulassen, selbst wenn es krank oder verletzt ist, ist auch ein Indikator für Eltern.
  4. Fokus auf Ernährung: Eine übermäßige Konzentration des Kindes auf die Ernährung, die sich in zwanghaftem Kalorienzählen oder sehr restriktiven Diäten zeigt, ist ein Bereich, den Eltern im Augen haben sollten.
  5. Unzufriedenheit mit dem Körper: Wenn Kinder sich häufig negativ über ihr Aussehen äußern oder ein unrealistisches Körperideal anstreben, sollten Eltern dies zum Anlass nehmen, über Selbstwertgefühl und Körperbild zu sprechen.

Was können Eltern tun?

  1. Offen reden: Das erste und wichtigste Mittel ist die Kommunikation. Eltern sollten offene und ermutigende Gespräche mit ihren Kindern führen. Es ist wichtig, zu verstehen, was das Kind motiviert und wie es sich fühlt, und Einfühlungsvermögen und Unterstützung zu zeigen, anstatt zu urteilen oder zu kritisieren.
  2. Professionelle Hilfe suchen: Wenn die Sorge besteht, dass das Kind ein ungesundes Verhältnis zu Fitness und Ernährung entwickelt, kann es ratsam sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein/e ErnährungsberaterIn, PsychologIn oder ÄrztIn kann eine objektive Beurteilung vornehmen und Unterstützung anbieten.
  3. Bildung und Information: Wissen ist Macht. Eltern sollten ihren Kindern Zugang zu qualitativ vertrauenswürdigen Informationen über gesunde Ernährung, Körperbild und Fitness ermöglichen. Dies kann ihnen helfen, informierte und gesunde Entscheidungen zu treffen.
  4. Vielfältige Aktivitäten fördern: Kinder sollten ermutigt werden, an einer Vielzahl von Aktivitäten teilzunehmen. Dies fördert ein ausgewogenes Leben und hilft, den Fokus von zwanghaftem Verhalten in Bezug auf Fitness und Ernährung abzulenken.

Was Eltern über Nahrungsergänzungsmittel wissen sollten

"Supplementation" bezieht sich auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, um die normale Ernährung zu ergänzen. Diese können eine Vielzahl von Substanzen einschließen wie Vitamine, Mineralien, Aminosäuren, Fette und Zucker. In der Fitness- und Gesundheitsbranche wird die Supplementation oft als unerlässlich dargestellt, um optimale Trainingsergebnisse zu erzielen oder Mängel in der täglichen Ernährung auszugleichen.
Nahrungsergänzungsmittel sollten jedoch nur bei nachgewiesenen Mangelerscheinungen oder spezifischen gesundheitlichen Bedürfnissen eingenommen werden. Nahrungsergänzungsmittel sind schlicht eine Ergänzung und kein Ersatz für eine gesunde Ernährung.

Kritische Sicht auf Supplementation

  1. Nicht immer notwendig: Es ist wichtig zu betonen, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht für jeden notwendig oder vorteilhaft sind. Eine ausgewogene und vielfältige Ernährung kann die meisten Menschen mit allen notwendigen Nährstoffen versorgen. Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht als Ersatz für eine gesunde Ernährung betrachtet werden.
  2. Übermäßiger Konsum und Nebenwirkungen: Der übermäßige Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Einige Produkte können bei übermäßiger Einnahme toxisch sein oder unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Die Dosierung und die Qualität der Produkte variieren stark, was die Sicherheit und Wirksamkeit beeinträchtigen kann.
  3. Mangelnde Regulierung und Qualitätskontrolle: Die Nahrungsergänzungsmittelindustrie ist oft weniger streng reguliert als die Pharmaindustrie. Dies kann zu Problemen mit der Produktqualität, der Konsistenz und der Etikettierung führen.
  4. Unrealistische Versprechungen: Viele Nahrungsergänzungsmittel werden mit Marketingstrategien beworben, die unrealistische Versprechungen über ihre Wirkungen machen. Es ist entscheidend, solche Behauptungen kritisch zu hinterfragen und auf wissenschaftliche Beweise zu achten.
  5. Individuelle Bedürfnisse und Unterschiede: Jeder Mensch ist unterschiedlich, und die Bedürfnisse an Nahrungsergänzungsmitteln können variieren. Es ist ratsam, individuelle Gesundheits- und Ernährungsbedürfnisse zu berücksichtigen und ggf. professionelle Beratung einzuholen.

Während Nahrungsergänzungsmittel in bestimmten Situationen nützlich sein können, zum Beispiel bei nachgewiesenen Mängeln oder spezifischen gesundheitlichen Bedürfnissen, sollte ihr Gebrauch mit Vorsicht und Bewusstsein angegangen werden. Es ist empfehlenswert, den Fokus auf eine ausgewogene Ernährung zu legen und Nahrungsergänzungsmittel als das zu betrachten, was sie sind – eine Ergänzung und nicht ein Ersatz für eine gesunde Ernährung.

Häufig verwendete Begriffe im Fitness-Kontext

  1. Lauch
    "Lauch" ist ein umgangssprachlicher Begriff, der in der Jugendsprache verwendet wird, um eine Person zu beschreiben, die körperlich schwach, dünn oder nicht muskulös ist. Es wird oft als neckischer oder spöttischer Ausdruck verwendet, um jemanden zu charakterisieren, der nicht dem idealisierten Bild von körperlicher Stärke entspricht.
  2. Bodydysmorphia
    Bodydysmorphia, oder Körperdysmorphe Störung (KDS), ist eine psychische Erkrankung, bei der die betroffene Person übermäßig besorgt oder besessen von wahrgenommenen Mängeln oder Fehlern in ihrem äußeren Erscheinungsbild ist, die für andere oft nicht wahrnehmbar sind. Im Kontext von Bodybuilding gibt es Menschen, die trotz ei- nes sehr muskulösen Körperbaus immer noch das Gefühl haben, nicht "groß" oder "definiert" genug zu sein.
  3. Massephase
    Die Phase bezieht sich auf einen Zeitraum, in dem Individuen, insbesondere Bodybuilder und Kraftsportler, versuchen, ihre Muskelmasse durch erhöhte Kalorienzufuhr und intensives Krafttraining zu erhöhen. Das Ziel ist es, Überschüsse an Energie und Nährstoffen zu schaffen, um Muskeln wachsen zu lassen.
  4. Shredded
    "Shredded" ist ein Begriff aus der Bodybuilding- und Fitnesswelt, der verwendet wird, um einen extrem niedrigen Körperfettanteil und hoch definierte Muskeln zu beschreiben. Eine "shredded" Person zeigt klare und sichtbare Muskeldefinition, oft mit sichtbaren Venen und Konturen.
  5. Griechischer Gott
    In der Fitnessszene wird der Ausdruck "Griechischer Gott" verwendet, um einen Körperbau zu beschreiben, der dem Ideal klassischer griechischer Skulpturen ähnelt – symmetrisch, proportioniert, und mit deutlich definierten Muskeln. Es ist ein Ausdruck für ästhetische Perfektion, bei der der Körper sowohl stark als auch schön ist, mit einem harmonischen Verhältnis zwischen Muskulatur und Körperform.
  6. Natty
    Eine umgangssprachliche Abkürzung für "natural" im Kontext von Bodybuilding und Fitness. Es bezeichnet jemanden, der seinen Körper ohne die Verwendung von anabolen Steroiden oder anderen leistungssteigernden Drogen aufgebaut hat. Ein "natty" Bodybuilder betont die Bedeutung von hartem Training, richtiger Ernährung und Genetik, um Muskelmasse und Definition zu erlangen, anstatt auf pharmazeutische Hilfsmittel zurückzugreifen.

Autor: Florian Nuxoll