
Als sie mit 22 schwanger wurde, war die Freude groß, auch wenn die Schwangerschaft nicht geplant war. Doch mit der Geburt änderte sich das schlagartig. Denn Janas Partner zog sich zurück. Er wolle das Baby "nicht kaputt machen", sagte er. Dazu kam seine Schichtarbeit, sodass er die meiste Zeit schlief, wenn er zu Hause war. Die Folge: Alles blieb an Jana hängen. Sie erinnert sich an den Tag, als sie wenigstens einmal in Ruhe duschen wollte und er erst nach einer langen Diskussion seine Tochter auf den Arm nahm – um dann weiter am PC zu zocken. Selbst, als er beim zweiten Kind Elternzeit nahm, hielt sich seine Unterstützung in Grenzen. "Er kümmerte sich um das Baby, wenn es schlief. So hatte er keine Arbeit mit ihm", erzählt Jana.
"Ziemlich allein gelassen", so beschreibt auch Rabea ihre Gefühle nach der Geburt ihres ersten Kindes: "Ich war überfordert, auch weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass ich das alles alleine schaffen muss." Egal wie sie versuchte, ihren Mann einzubeziehen: Er übernahm alles nur so widerwillig, dass sie ihn irgendwann gar nicht mehr fragte. Was sie am meisten aufregte: "Er hat immer allen erzählt, wie einfach es mit dem Baby und wie easypeasy das Vatersein sei. Ich habe mich immer gefragt, ob er in einem anderen Film ist!" Das Einzige, was er übernahm, sei das abendliche Buchanschauen gewesen.
Väter in der klassischen Versorgerrolle
Beim zweiten Kind bestand Rabea dann konsequent darauf, dass ihr Mann sich mehr um das Baby kümmert. Sie nahm ihm viele Dinge einfach nicht mehr ab: "Siehe da, er konnte tatsächlich Windeln wechseln, das Baby beruhigen und sogar ins Bett bringen!"
Mit einem Partner, der die Vaterrolle nicht annimmt, stehen Rabea und Jana nicht alleine da. Und daran ist vor allem ein gesellschaftliches Bild schuld, sagt Beziehungsexpertin Miriam Dialo: "Auch wenn es sich langsam wandelt, werden rund um Kinderplanung, Schwangerschaft und Familienthemen hauptsächlich Frauen angesprochen, sodass sich viele bewusst und unbewusst deutlich intensiver mit Baby- und Kinderthemen beschäftigen." Dazu kommen die Unsicherheiten der Väter rund um ihre neue Aufgabe. Der Platz des Vaters? Oftmals immer noch in der klassischen Versorgerrolle. Auch heutzutage noch.
Lernen, Verantwortung abzugeben
"Viele Paare unterschätzen, wie viel eine frühzeitige Einbindung der Väter bewirken kann", so Dialo. Sie rät dazu, den Partner von Anfang an mit einzubeziehen und das auch offen anzusprechen: "Je länger wir warten, desto mehr festigen sich leider auch die Abläufe." Dabei sollten Mütter ihre Bedürfnisse offen ansprechen – aber auch genauso lernen, Verantwortung abzugeben. Das bedeute, dem Partner zuzutrauen, seinen Weg zu finden. Genauso brauche es beim Mann auch Zeit und Mut, sich als Vater auszuprobieren. Das könne zum Beispiel beim Insbettbringen sein: "Ein Paar kann ausmachen, dass der Vater es 20 Minuten probiert und erst dann eingeschritten wird. Dieser Zeitraum kann nach ein paar Tagen verlängert werden." Wichtig sei hierbei, dass sich die Paare immer austauschen.
Was zu vermeiden ist? Vorwürfe! Denn werden wir angegriffen, gehen wir sofort auf Rückzug – dabei sollte das Ziel ja eine gemeinsame Annäherung sein. "Wenig hilfreich ist es auch, sich ungefragt einzumischen und dem Partner ständig zu sagen, wie er es machen soll", weiß die Paartherapeutin. Auch wenn es schwerfalle, sollte man sich raushalten und dem Mann einfach mal etwas zutrauen.
Trennung als letzte Möglichkeit?
Rabea schaffte beim zweiten Kind die Wende: "Auch wenn wir weit von einer 50:50-Aufteilung entfernt sind, übernimmt mein Partner zumindest bei meinem kleinen Sohn die Hälfte aller Aufgaben und nimmt sich nun auch häufiger Zeit, um mit den Kindern rauszugehen oder zu spielen." Aber für mehr Hilfe müsse sie ihn immer noch regelrecht anflehen: "Das meiste bleibt immer noch an mir hängen."
Aber was, wenn der Partner es einfach nicht einsehen möchte? Eine Beratung könne helfen, einen Blick von außen zu erhalten. Hilfreich sei die Frage: "Kann ich so die nächsten 20 Jahre leben?" Als letzter Schritt könne es den Partner auch wachrütteln, ihm "die Pistole auf die Brust zu setzen" und ihm deutlich zu machen, dass es so nicht weitergehe. Landet man immer wieder in der Sackgasse, liegen oft auch noch andere Dinge im Argen.
Jana entschied sich schließlich zu einer Trennung, als sie nach einem Jahr quasi aufwachte und feststellte, dass sie nur noch funktionierte: "Ich habe vergessen, dass ich auch noch eine junge Frau bin und kein Mama-Roboter." Die Trennung öffnete ihrem Partner schließlich die Augen: Er bestand darauf, sich zu gleichen Teilen um die Kinder zu kümmern. "Wir haben uns für das Wechselmodell entschieden und treffen alle Entscheidungen die Kinder betreffend gemeinsam."
Wie sage ich meinem Partner, dass ich mehr Hilfe brauche?
Für ein Gespräch sollte man einen ruhigen Moment suchen und den Partner bitten, in Ruhe zuzuhören. Ein guter Einstiegssatz ist: "Ich mache viele Aufgaben rund um das Kind alleine." Wichtig ist es dann, das eigene Gefühl zu beschreiben, also zum Beispiel zu sagen "ich fühle mich allein gelassen" oder "ich habe das Gefühl, wir entfernen uns voneinander". Gut sei es, konkrete Wünsche zu äußern: "Es wäre schön, wenn wir beide in Alltagsangelegenheiten involviert sind" oder "Ich wünsche mir einen Partner, der auch als Vater Aufgaben übernimmt." Hilfreich kann es auch sein, den Partner um eigene Ideen zu bitten, wie man die Rollenaufteilung gerechter gestalten kann. Paarberaterin Miriam Dialo rät dazu, sich nicht gleich entmutigen zu lassen, wenn der Partner nicht auf das Gespräch einsteigt, sondern es nach ein bis zwei Wochen noch einmal zu versuchen.
Autorin: Nathalie Klüver