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Streit kommt in den besten Familien vor. Das sagt sich so leicht – und dennoch meldet sich bei Eltern meist das schlechte Gewissen, wenn es (mal wieder) gekracht hat. Dabei ist Streit per se nichts Schlechtes – wenn dabei einige Regeln beachtet werden.
"Prinzipiell gehören Streit und Konflikte zum Familienleben", weiß Dr. Christian Pröls-Geiger, Pädagoge und Autor ("Hört auf zu streiten"). In Familien geht es daher nicht um die Frage, ob Konflikte ausgetragen werden – sondern um das Wie. Dabei sollten sich Eltern an den folgenden Punkten orientieren: "Geht es eher sachlich zu? Wird man sehr laut und emotional? Würdigt man den anderen herab, oder bleibt man respektvoll? Bekommen die Kinder mit, wenn man sich wieder versöhnt? Diese erschaffen die Familienatmosphäre, in der Kinder viel über Konflikte lernen."
In den meisten Fällen spüren Eltern intuitiv, wenn sie im Streit eine rote Linie übertreten haben. Dann lohnt sich ein Perspektivwechsel: "Wie hat das Kind diese Situation wahrgenommen? Welche Gefühle und Impulse hat der Streit im Kind ausgelöst? Da kann es ganz große Unterschiede geben, auch unter Geschwisterkindern. Eine zweite Frage, die im Umgang mit dem eigenen Gewissen helfen kann, ist, ob man gut auf die Gefühle, Impulse und Bedürfnisse seines Kindes eingegangen ist und ihm erklärt, worum es in dem Streit ging und warum es jetzt wieder ruhiger ist – oder im Optimalfall, dass man sich wieder versöhnt oder eine Lösung für die Situation gefunden hat."
Gelingt es Eltern, konstruktiv zu streiten, lernen Kinder dadurch fürs Leben.
Was Kinder durch Elternstreit lernen können
Konflikte als Chance sehen
"Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass Konflikte zum Alltag gehören, dass man sich vor ihnen nicht fürchten braucht, sondern im Gegenteil, dass das Austragen von Konflikten auch eine Chance darstellt", erklärt der Trainer für Paarkommunikation. "Konstruktives Streiten, das man üben und trainieren kann, kann zu neuen, besseren Lösungen führen, Nähe schaffen, das Gefühl herstellen, dass man zusammen durch dick und dünn gehen kann und vermitteln, dass Beziehungen auch erhalten bleiben, wenn man nicht immer einer Meinung ist."
Lösungsstrategien finden
Wenn Kinder gute Vorbilder haben und sich konstruktive Konfliktlösestrategien abschauen können, lernen sie dadurch, auf gesunde Art zu streiten und sich zu versöhnen. "Diese Strategien müssen sie dann nicht extra erlernen, sondern bekommen sie praktisch geschenkt."
Für sich selbst einstehen
"Kinder dürften Streit eher als Diskussion oder Verhandlung auffassen. Also als etwas, bei dem man sich selbst und seine Anliegen so vertritt, dass es kein Gegeneinander ist. Vielmehr tritt man für sich und seine Bedürfnisse oder Anliegen so ein, dass das Gegenüber die Chance hat, diese zu verstehen bzw. nachvollziehen zu können, und so auch leichter auf diese eingehen kann. Sodass man die Wahrscheinlichkeit erhöht, gemeinsame Lösungen zu finden", so der Familientherapeut.
Beziehungen weiterentwickeln
"Konflikte können auch bereinigend wirken, und – richtig angegangen – können sie sogar Nähe und Verbundenheit schaffen und nicht als bedrohlich und beziehungsgefährdend wahrgenommen werden. Sucht man ein Motto für diese Art des Streitens, würde es in etwa so klingen: 'Wir streiten dafür, dass es uns beiden gemeinsam in unserer Beziehung gut geht!' Wenn Kindern das lernen, haben sie einen tollen Baustein in ihrem sozialen Handwerkskasten."
Versöhnen
"Wichtig ist, dass man die Kinder trotz des Konflikts im Auge behält und sie auffängt, sobald die Situation sie zu sehr stresst, und anschließend mit ihnen nachbespricht, was passiert ist", betont Christian Pröls-Geiger. Am Ende steht idealerweise die Versöhnung, die Kinder gern auch mit bekommen dürfen. "So wird ihnen vorgelebt, wie man Streitigkeiten gut beenden kann."
Die negativen Auswirkungen von ständigem Streit
Doch was ist, wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Konflikte konstruktiv zu lösen? Oder wenn Streit in der Familie die Oberhand gewinnt? Inwiefern ständiger Unfrieden sich negativ auf die kindliche Entwicklung auswirkt, hängt von mehreren Faktoren ab. "Zu diesen gehören einerseits die sogenannten Stressoren wie die Heftigkeit und Häufigkeit der Streitigkeiten, auf der anderen Seite haben auch die sogenannten Resilienzfaktoren, also die Widerstandsfähigkeit der Kinder, einen Einfluss auf die Folgen der Konflikte", erklärt Christian Pröls-Geiger.
Hinzu kommt, dass Kinder nicht nur passiv sind, sondern versuchen, die Situation zu verbessern – indem sie probieren zu schlichten oder ihre Eltern zu trösten. "Es findet also eine Rollenumkehr statt, die sich negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken kann, weil sie lernen, die Bedürfnisse anderer wichtiger zu nehmen als ihre eigenen. Dies wiederum erhöht die Gefahr, dass unsere Kinder im Laufe ihres Lebens psychisch erkranken."
Vertrauenspersonen außerhalb der Familie können helfen, besser durch stressige Zeiten zu kommen. Außerdem haben die emotionalen Kompetenzen der Kinder einen Einfluss auf ihre Widerstandsfähigkeit und darauf, wie gut sie mit schwierigen Situationen umgehen können.
"Häufige und heftige Streitigkeiten können aber beispielsweise zu einem so genannten Hyperarousal führen, also zu einem Zustand, in dem die Kinder ständig gestresst und in Alarmbereitschaft, also immer auf der Hut und alarmiert sind."
Mögliche Folgen sind:
- Konzentrationsschwierigkeiten
- innerer Rückzug
- aggressives Verhalten außerhalb der Familie als Spannungsabbau
Nicht umsonst werden Konflikte auch mit Parasiten verglichen, die auf vielerlei Weise wirken und die Eltern-Kind-Beziehung und die Entwicklung der Kinder auf vielerlei Art und Weise beeinflussen können.
Erste-Hilfe-Tipps für streitende Eltern
Wenn die Situation zu eskalieren droht, rät Christian Pröls-Geiger zu den folgenden Strategien:
Innehalten
"Zu Beginn hilft ein kurzes Innehalten. Ist das eine gute Situation, um in den Konflikt einzusteigen? Nein? Dann können Sie einen kurzen Satz sagen, um deutlich zu machen, dass Sie mit etwas nicht einverstanden sind, und auf einen späteren Zeitpunkt verweisen: 'Das sehe ich anders. Lass uns noch einmal darüber sprechen, wenn die Kinder im Bett sind!' Ja, die Situation passt! Dann gilt es, respektvoll zu bleiben, für etwas zu streiten, nicht gegen den andern!"
Ich-Botschaften
"Bei sich bleiben – also über die Dinge sprechen, die mir persönlich wichtig sind ('Ich ärgere mich über …' Und nicht: 'Du ärgerst mich mit …'), Wünsche äußern, welches Verhalten wir uns von unserem Gegenüber alternativ wünschen."
Den richtigen Zeitpunkt wählen
"Es ist sinnvoll, sich selbst erst einmal zu beruhigen. Schwierige Themen bespricht man am besten, wenn sie nicht gerade hochkochen, sondern zwischen zwei Konflikten, wenn es gerade gut oder zumindest besser ist. Generell gilt: Streitigkeiten beschleunigen sich sehr schnell von alleine, also verlangsamen Sie, wo es geht!"
Im Idealfall lernen wir als Eltern dazu und entwickeln gemeinsam Strategien, um heftigen Streitigkeiten vorzubeugen.
Notfallplan überlegen
"Stopp! Pause! Erst mal auseinandergehen und wieder einen kühlen Kopf bekommen und dies gerne auch den Kindern mitteilen: 'Wir gehen kurz in getrennte Zimmer, weil wir für unsere Familie wollen, dass es keine heftigen Eskalationen mehr gibt. Danach werden wir die Sache zusammen besprechen.' So gibt man sich keine Blöße, sondern zeigt, dass man sich für die Familie ins Zeug legt. Es ist also gut, sich zumindest auf einen gemeinsamen Notfallplan einigen zu können."
Den richtigen Ort wählen
"Es gilt das Motto von Haim Omer, einem Psychologen aus Israel: 'Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist.' Dass es also am besten ist, Konfliktthemen dann zu besprechen, wenn die Emotionen nicht am Brodeln sind. Oft empfiehlt es sich auch, diese im öffentlichen Raum, also bei einem Spaziergang oder im Café, zu erörtern, da man hier oft alleine durch die Umgebung disziplinierter ist."
Die häufigsten Streitthemen bei Eltern
Der Schwerpunkt der Streitthemen ist in jeder Familie anders. "Oft gibt es 'Dauerbrenner', also gewisse Themen, die immer wieder zu Reibung führen. Diese können besonders kritisch sein, weil man sich selbst als Elternteil zunehmend hilflos fühlt, verzweifelt oder resigniert. Zudem kann man den Kindern keine zufriedenstellenden Lösungen oder eine Befriedung bieten."
Zu den typischen Streitthemen gehören:
- Ordnung
- Haushalt
- Einstellung zu Erziehungsfragen
- Umgang mit den Herkunftsfamilien
- Wie viele Freiräume welcher Elternteil bekommt