Einschulung

Fit für die 1. Klasse? Was Kinder wirklich für einen guten Schulstart brauchen

Der Start in die Grundschule bedeutet für die meisten Familien ein großes Abenteuer. Aber was müssen Kinder wirklich können, um für die erste Klasse gewappnet zu sein? Spoiler: Lesen, Schreiben und Rechnen nicht.

Ein Mädchen hält eine Schultüte hoch und grinst dabei.© iStock/romrodinka
Hallo Schule, ich komme! Was müssen Erstklässler können?

Sie sind weder klein noch groß. Kein Kita-Kind mehr. Aber auch noch kein erfahrenes Schulkind. Vorschüler. Fast-Erstklässler. Sie stehen irgendwo dazwischen. Eine sensible Phase, in der gern mal der Nachbar von nebenan oder auch Oma, Opa, Tante, Onkel mit dem viel zitierten Ernst des Lebens um die Ecke kommen. Aber müssen wir unsere Kinder nun wirklich vorbereiten? Oder klärt sich der Schulanfang schon von ganz allein?

Den subtilen Stress, den der sogenannte Ernst des Lebens produziert, können wir uns schenken. Nicola Schmidt, Erziehungsexpertin und Bestseller-Autorin (Neu: "artgerecht – Das andere Schulkinder-Buch"), erklärt: "Kinder lernen spielerisch. Wenn wir mit Druck arbeiten, schaltet das Gehirn ab und sie lernen gar nichts."

Wie bereite ich meinen Schulanfänger auf den Start vor?

Lesen, Rechnen, Schreiben – diese Skills muss noch kein Kind bei der Einschulung beherrschen. Es sei denn, es hat riesengroßen Spaß an Rätselheften und ersten Vorschulübungen. Viel hilfreicher seien Fertigkeiten und Kenntnisse, die man nicht sofort mit Schule assoziiert, erklärt uns Nicola Schmidt. Auf einen Baum klettern, zum Beispiel. Einen Apfel schneiden. Einen Kuchen backen. Den Tisch decken. Schnürsenkel binden. Hefte vollkritzeln. Mit Lego bauen oder simple Gesellschaftsspiele wie "Memory" und "Mensch ärgere Dich nicht" spielen. All das schult zum Beispiel ganz nebenbei die Motorik, die allerersten mathematischen Kenntnisse und vermittelt alltägliches Know-how und Regeln, die Schulanfänger gut gebrauchen können. Die Mama von zwei Kindern (heute 13 und 16 Jahre alt) hat sich damals vor der Einschulung erst einmal eine analoge Armbanduhr gekauft und einen Wecker, um nicht ständig aufs Handy zu gucken. Wieder viel mehr mit der Hand geschrieben. Briefe verschickt. Skills, die wir unseren Kindern wieder vorleben sollten, wenn wir wollen, dass auch sie sie beherrschen. 

Konzentration, bitte!

Eine der wohl größten Sorgen vieler Eltern ist mit Sicherheit, ob das Kind 45 Minuten am Stück stillsitzen und sich konzentrieren kann. Fakt: Die meisten Erstklässler müssen sich daran noch gewöhnen. Was dabei hilft? "Geht mit euren Kindern in den Wald, lasst die Handys zu Hause und bringt ihnen bei, zu lauschen. Wieviele Vögel hörst du? Aus welcher Richtung ? Wieviele Hunde? ... Man lernt nirgends so gut das Stillsitzen und Zuhören wie in der Natur", rät Nicola Schmidt. Ein weiterer Tipp: "Wenn ein Kind zufrieden und selbstvergessen spielt, bitte nicht stören! So können Eltern bereits Kleinkindern helfen, Konzentration aufzubauen."

Mit Frust und Enttäuschung richtig umgehen

Ein Lernprozess, der sich in der Grundschule weiter ausbildet: mit Frust und Enttäuschungen umzugehen. Auch ohne, dass Mama oder Papa direkt daneben sitzen und co-regulieren. Dafür müssen wir uns erst einmal bewusst werden, wie wir als Eltern eigentlich selbst mit Frust umgehen", erinnert Nicola Schmidt. "Was hilft mir jetzt? Mich schütteln? Der Schluck Wasser? Durchatmen? Aufs Kissen hauen? Zeigt es euren Kindern!" Wir dürfen nicht vergessen: Wutanfälle gehören zur kindlichen Entwicklung dazu. Aber spätestens in der Schule müssen Kindern lernen, sich dabei selbst zu helfen.  

Apropos. Wir sollten unseren Kindern, je älter sie werden, eben nicht jeden klitzekleinen Stein aus dem Weg räumen, sondern ihnen auch die ein oder andere Herausforderung zumuten. Nur so lernen sie, Schwierigkeiten zu bewältigen. Darüber sind sich Experten für kindliche Entwicklung weitestgehend einig. Das Erlebnis, durch eigene Anstrengung ein Ziel zu erreichen: für Kinder unbezahlbar. Sie trauen sich mehr zu, lassen sich weniger schnell entmutigen, auch wenn eine Aufgabe zunächst schwerfällt. (Stichwort: Hausaufgaben). Und trotzdem sollten wir Eltern den schmalen Grat nicht aus den Augen verlieren, sie auf diesem manchmal noch sehr steinigen Pfad zu begleiten und ihnen dabei den Rücken zu stärken. Nicola Schmidt plädiert sogar dafür, Achtung!, in Ausnahmefällen auch mal die Hausaufgaben für die Kinder zu Ende zu bringen oder eine Entschuldigung zu schreiben. Wenn die Lust in Frust umschwenkt, sollten Eltern gegenansteuern. Denn was wir nicht wollen: dass Schule schon in den ersten Schuljahren zu Kummer und absoluter Überforderung führt.

Viel besser: die Stärken stärken

"Eltern fördern ihr Kind sehr gut, indem sie es bei ihrem Können erwischen", so Robert Roedern, Grundschullehrer und Schulpsychologe an der Staatlichen Schulberatungsstelle München. "Ein erster Schritt kann sein: die Stärken stärken. Ein Beispiel: Wenn ein Erstklässler voller Stolz erste Buchstaben im Heft zeigt, nicht kritisieren und auf die weniger gut gelungenen hinweisen, sondern nachfragen: "Welcher Buchstabe gefällt dir am besten? Wie hast du den genau so hinbekommen?" Antworten Kinder dann wie so häufig mit einem simplen "Das war ja leicht!", bleiben Eltern dran: "Vor einer Woche war das noch ganz schön schwierig für dich. Wie hast du das jetzt geschafft?" Wenn Kindern bewusst wird, dass sie aus eigener Kraft eine Herausforderung gemeistert haben, macht sie das glücklich und stolz und stärkt vor allem ihre Selbstwirksamkeit.

Was, wenn das Kind plötzlich Angst vor dem Schulstart hat?

Die letzten Kita-Monate war euer Vorschüler noch völlig euphorisch, wenn es um die baldige Einschulung ging. Oder vielleicht sogar ziemlich desinteressiert. Und nun begleiten euer Kind plötzlich Ängste und Albträume. Werden mich meine Mitschüler mögen? Kommt meine beste Freundin wirklich in meine Klasse? Wird meine Lehrerin nett sein?

Bekanntes lässt den Kopf weniger grübeln und sorgen

Unbekanntes kann zwar Energie freisetzen, aber auch Sorgen. Wie also fangen Eltern ihr Kind in dieser schwierigen Zeit am besten auf? Zum einen, indem sie ihrem Kind bewusst machen, was es schon alles kann und bisher erreicht hat: das bestandene Seepferdchen zum Beispiel oder das Wochenende ganz allein bei Oma und Opa. Außerdem kann ein Gang zur Schule helfen, um das Gebäude schon mal kennenzulernen, den Schulweg abzustecken und vielleicht sogar der zukünftigen Lehrkraft "Hallo" zu sagen. Es kann sich lohnen, herauszufinden, wer aus der alten Kita alles in die neue Klasse kommt. Sind Freunde und Kumpel dabei?

Besonders schön ist es, die Kinder in die anstehenden kleinen und größeren Entscheidungen einzubinden. Angefangen bei dem Offensichtlichen, wie Ranzen und Schultüte, bis hin zu: Wie stelle ich mir eigentlich meinen Einschulungstag vor? Soll es eine große Feier mit allen Verwandten und Rahmenprogramm werden? Oder lieber nur im engen Kreis gehalten werden, mit dem absoluten Lieblingskuchen? Die Partizipation beim Übergang von Kita zur Schule, einem so riesigen Schritt, ist unglaublich wichtig – vor allem für sensible und gefühlsstarke Kinder.