
Eltern wollen nicht weniger als das Beste für ihre Kinder. Sie wollen sie stark fürs Leben machen, zu guten Leistungen anspornen und dafür Sorge tragen, dass sie freundlich zu ihren Mitmenschen sind. Doch manchmal übertreiben sie dabei. Mit zu viel Druck, Stress und Strenge passiert oft das Gegenteil des Gewünschten: Die Eltern-Kind-Beziehung leidet, und Kinder bekommen das Gefühl, nur geliebt zu werden, wenn sie die hohen Ansprüche erfüllen. Das Selbstwertgefühl leidet.
Doch woran erkennen Eltern, dass sie zu streng sind? Die folgenden Anzeichen können ein Hinweis darauf sein, dass sie zu hart mit ihren Kindern umgehen:
Wenig Feingefühl
Klar, Eltern sind immer wieder Übermittler unliebsamer Botschaften – zum Beispiel, dass der Fernseher jetzt ausgeschaltet wird, die Spielzeit vorbei ist oder es heute nicht noch ein weiteres Eis gibt. Doch wie so oft macht der Ton die Musik. Es gibt einen Unterschied, wie Eltern Grenzen und Regeln durchsetzen. Unnötige Härte führt dabei oft zu Frust und gibt Kindern ein schlechtes Gefühl. Der Psychologe Eran Magen empfiehlt Eltern, sich selbst kritisch zu hinterfragen: "Gibt es eine andere Möglichkeit, die Bedürfnisse meines Kindes und meine eigenen auf eine Weise zu erfüllen, die weniger Unbehagen bereitet und die einen positiven Ton aufrechterhält?"
Grobe Körpersprache
Kinder schlagen ist ein absolutes No-Go, da sind sich heutzutage hoffentlich alle einig. Doch körperliche Gewalt kann auch subtiler sein. Ein Kind am Handgelenk fassen und wegziehen, ist eine legitime Methode, wenn es aus einer akuten Gefahrensituation geschafft werden muss, beispielsweise wenn ein Auto angefahren kommt. Ein Kind auf die gleiche Weise vom Spielplatz zu zerren, weil man nun aber endlich nach Hause möchte, ist hingegen nicht angemessen. Genauso unangebracht ist es, Kindern ein Spielzeug oder etwas zu essen aus der Hand zu reißen. Auf diese Weise kann die Eltern-Kind-Bindung auf lange Sicht Schaden nehmen.
Harscher Tonfall
Auch hier gilt: In brenzligen Situationen ist ein energisches "Stopp" manchmal einfach alternativlos. Doch in vielen Fällen ist der harsche Tonfall eine Überreaktion und nicht angemessen. Meist steckt vielmehr Müdigkeit oder Überforderung dahinter, wenn Eltern laut werden und die Geduld verlieren. Anstatt zu schreien ist es sinnvoller, sich zum Kind auf Augenhöhe zu begeben und zu erklären, warum ein bestimmtes Verhalten nicht in Ordnung ist ("Ben, ich möchte nicht, dass du das machst. Das Glas könnte zerbrechen, und du könntest dich verletzen"). Wenn Eltern sich nicht sicher sind, ob sie sich im Ton vergriffen haben, ist die Reaktion des Kindes ein guter Seismograf. Ist das Kind schockiert oder erstarrt, ist das ein Hinweis darauf, dass sich ein Elternteil im Vergleich zu sonst extrem verhalten hat. Summieren sich solche Vorfälle, stumpfen Kinder mit der Zeit oft ab oder entwickeln Misstrauen gegen ihre Eltern.
Die Wünsche des Kindes werden ignoriert
Schokolade zum Abendessen ist zugegebenermaßen sicher kein Wunsch, den Eltern unbedingt erfüllen sollten. Dennoch ist es grundsätzlich wichtig, die Äußerungen und Wünsche der Kinder nicht einfach abzutun mit Sätzen wie "Ich treffe hier die Entscheidungen" oder "Weil ich es sage". Sinnvoller ist es, in ruhigem Ton Grenzen zu setzen, zu erklären und ggf. einen Kompromiss zu finden: "Ich weiß, du magst gern Schokolade. Wir essen jetzt erst mal das, was ich gekocht habe, und danach kannst du dir noch ein Stück nehmen."
Das Negative sehen
Alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder dazulernen und nicht immer wieder die gleichen Fehler machen. Doch es ist viel wirkungsvoller, positives Verhalten hervorzuheben ("Danke, dass du so nett gefragt hast"), als auf den Schwachstellen herumzuhacken ("Du hast schon wieder nicht Bitte gesagt"). Bekommen Kinder das Gefühl, die hohen Ansprüche ihrer Eltern nicht erfüllen zu können, wirkt sich das negativ auf ihr Selbstwertgefühl aus. "Sie entwickeln möglicherweise einen übermäßig kritischen inneren Dialog und beginnen zu glauben, dass sie nichts richtig machen können. Oder sie entwickeln möglicherweise die Angst, nicht gut genug zu sein, was dazu führt, dass sie sich mehr mit ihren vermeintlichen Fehlern als mit ihren Erfolgen beschäftigen", sagt die psychologische Beraterin Chinwé Williams.
Zu viele Regeln
Keine Fragen: Regeln und Grenzen sind wichtig und geben Kindern Orientierung. Doch es gibt auch zu viel des Guten: "Struktur ist gut. Zu viele Regeln können jedoch kontraproduktiv sein", sagt Chinwé Williams. "Regeln sollten auf ein Minimum beschränkt werden." So kann es beispielsweise sinnvoll sein, Kinder zu bitten, am Tisch sitzen zu bleiben, während die anderen noch essen. Es jedoch zu zwingen, von jedem Gericht fünf Bissen zu probieren, kann zu einem Machtkampf führen.
Leere Drohungen
"Wenn du mir nicht zuhörst, dann werfe ich dein Spielzeug weg!" Drohungen wie diese, selbst wenn sie niemals in die Tat umgesetzt werden, hinterlassen bei Kindern ein tiefes Gefühl der Verunsicherung. Wenn Eltern sich dieser Art der Druckmittel zu häufig bedienen, machen sie sich dadurch zudem selbst unglaubwürdig. Grundsätzlich gilt: Wenn-dann-Sätze sind mit Vorsicht zu genießen. Die Androhung von Konsequenzen führt bei Kindern nicht zu echter Kooperationsbereitschaft und letztlich nur dazu, dass sie abstumpfen und den elterlichen Drohungen kaum noch Gehör schenken.
Sind Eltern dauerhaft zu streng zu ihren Kindern, kann sich dies negativ auf ihr Verhalten auswirken. "Studien haben gezeigt, dass Kinder, die mit einem strengen Erziehungsstil aufwachsen, Verhaltensprobleme wie Trotz, Hyperaktivität und Aggression entwickeln können. Darüber hinaus können sie emotionale Probleme wie Angstzustände oder Stimmungsschwankungen zeigen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie es sich wünschen", so die Expertin.
Wenn Eltern das Gefühl haben, zu hart zu ihren Kindern gewesen zu sein, ist eine Entschuldigung ein guter erster Schritt. Sie sollten erklären, was dazu geführt hat, dass sie derart reagiert haben, und Besserung geloben – und sich dann auch daran halten. Dazu ist es wichtig zu erkennen, in welchen Situationen es immer wieder eskaliert und sich Strategien zu überlegen, um beim nächsten Mal gelassener zu bleiben.
Quelle: huffpost.co.uk